Gemeinde Sulzbach kauft ehemaliges Sattlerhaus

Das Eckhaus in der Bahnhofstraße 2, direkt gegenüber dem Sulzbacher Rathaus, ist ziemlich heruntergekommen. Nach Plänen der Verwaltung soll es abgerissen werden. Was dann auf der Fläche entsteht, ist noch unklar.

Das Haus an der Ecke des Marktplatzes (links im Bild das Rathaus) hat schon bessere Zeiten gesehen. Foto: Ute Gruber

Das Haus an der Ecke des Marktplatzes (links im Bild das Rathaus) hat schon bessere Zeiten gesehen. Foto: Ute Gruber

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Und wieder gibt es eine Veränderung am Sulzbacher Marktplatz. Nachdem die von vielen Bürgern als kahl und trist bemängelte Fläche im Zentrum der Gemeinde erst vor Kurzem durch bunte Blumenpyramiden aufgewertet wurde, flatterte der Verwaltung unlängst ein notarielles Informationsschreiben mit einem Kaufvertrag auf den Schreibtisch. Es ging um den Verkauf des Eckhauses Bahnhofstraße 2, zwischen Rathaus und Gaststätte Krone direkt im Herzen des Orts gelegen. Es handelt sich um ein dreistöckiges Gebäude, mit angebautem Schleppdach in Richtung Rathaus. Der Zugang zum unteren Stockwerk erfolgt direkt von der Firstseite, zu den oberen Stockwerken gelangt man separat über eine außen angebaute, überdachte Holztreppe auf der rechten Seite des Hauses.

Im Gebäude wohnten nach Recherchen des verstorbenen Ortshistorikers Mathias Klink ursprünglich offenbar ein gewisser Schmied namens Karl Ladner sowie ein Chirurg namens Friedrich Krail, 1830 auch Tagelöhner. Das Baujahr ist nicht bekannt, aber 1886 erweiterte der Sattler Schieber, dem das Haus dann anscheinend gehörte, das Haus um Werkstatt und Ladengeschäft zur neu angelegten Bahnhofstraße hin.

Das Haus wurde als günstiger Wohnraum vermietet, es wurde nicht viel investiert.

Dessen Nachfahre betrieb die Sattlerei bis 1960, wie sich Eberhard Schmidt (77), der zwei Häuser weiter in der Fuchsgasse aufgewachsen ist, erinnert: „Zum Sattler Schieber kamen alle, wenn sie etwas zum Richten an den Geschirren der Pferde und Kühe hatten – Spitzkummet, Rückezeug oder Anspannriemen zum Beispiel.“ Und zwar nicht nur aus dem eigenen Dorf, sondern auch aus Oppenweiler, Spiegelberg und Großerlach: „Das war ein bekannter Sattler!“

Mit der Mechanisierung in der Landwirtschaft ging der Bedarf an Anspanngeschirren zurück und so verpachtete Sattler Schieber 1960 die Werkstatt an den Polstermeister Hans Weller, blieb aber bis an sein Lebensende in den 1970er-Jahren oben im Haus wohnen. Hans Weller, Sohn vom Weller Schorsch, dem letzten Büttel von Sulzbach, der noch mit Glocke und lautem Vorlesen den Bürgern amtliche Nachrichten bekannt gab, verdiente sein Geld als Bodenleger und Raumausstatter, seine Frau Hannelore nähte die Vorhänge und bediente im Laden bis 1966. Dann gab Weller die Selbstständigkeit auf und wechselte zur Polsterfirma Laauser. Seitdem wurde das Haus nur noch als günstiger Wohnraum vermietet, weder innen noch außen wurde viel investiert. Entsprechend verwahrlost sieht das Gebäude seit Jahrzehnten schon aus – ein Schandfleck mitten im Ort, würden manche sagen. Zu welchem Mathias Klenk in seiner Beschreibung allerdings meinte: „Eine Freilegung des Fachwerks wäre sicherlich lohnenswert.“

Dem Gebäude wurde eine „negative städtebauliche Wirkung“ attestiert.

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So weit wird es allerdings nach dem Willen von Verwaltung und Gemeinderat voraussichtlich nicht kommen, denn in seiner jüngsten Sitzung hat der Gemeinderat beschlossen, von der gesetzlichen Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts Gebrauch zu machen, das Gebäude zu erwerben und dann abzureißen. „Das Vorkaufsrecht ergibt sich dadurch, dass das Gebäude in unserem Sanierungsgebiet Ortskern II liegt“, erläutert Amtsleiter Michael Heinrich, der in der Sitzung das Vorhaben vorstellt. Für das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept (Isek) wurde als Neuordnungsziel unter anderem eine „umfassende Erneuerung desolater Substanz“ festgelegt, dem Zustand des fraglichen Gebäudes wurde bei der konkreten Betrachtung des Rathausumfelds 2020 eine „negative städtebauliche Wirkung“ attestiert und das Haus wurde eingeordnet zwischen „erhöhter Modernisierungsbedarf“ und „Erhalt fraglich“.

Seit Längerem war man anscheinend im Gespräch mit den aktuellen Eigentümern, denn für eine Sanierung gäbe es im Rahmen des Isek großzügige Zuschüsse vom Land. „Kein Interesse“, bedauert Heinrich, und beim Thema Verkauf lagen die Preisvorstellungen offenbar weit auseinander. „Wenn man die Parzelle rein nach dem Bodenrichtwert bewertet, wäre das Grundstück rund 50000 Euro wert“, rechnet der Amtsleiter vor. Nun wollte ein Käufer offenbar 130000 Euro dafür bezahlen – 80000 Euro für ein abbruchreifes Haus also. Von diesem Käufer seien bisher aber keinerlei Anfragen bezüglich Fördermitteln oder Ähnlichem gekommen, obwohl im Sanierungsgebiet die Vorschrift gilt: „Beim Verkauf von Grundstücken muss der künftige Eigentümer in der Lage sein, die Sanierungsziele in Abstimmung mit der Gemeinde umzusetzen.“

Will die Gemeinde also sichergehen, dass das heruntergekommene Haus nicht noch weitere Jahrzehnte das Ortsbild prägt, muss sie in den sauren Apfel beißen und zum Wohl der Allgemeinheit die Sache selber in die Hand nehmen, was so im Haushalt nicht vorgesehen war. „Immerhin gibt es im Rahmen des Isek für den Abriss 90 Prozent Förderung“, tröstet Michael Heinrich. Er hätte die Erhaltung des historischen Gebäudes mittels Sanierung durch einen sachkundigen Liebhaber gern gesehen, so wie es bei zwei anderen Fachwerkhäusern direkt neben der Kirche in wunderbarer Weise gelungen ist. Aber: „Die Gemeinde selber kann das nicht leisten, wir müssten das ja alles vergeben.“

Auch im Gemeinderat wurde das Thema kontrovers diskutiert, wobei es in der Debatte weniger um die Zukunft des Gebäudes ging als um die außerplanmäßigen Kosten in Zeiten klammer Kassen. Aber „das ist eine einmalige Chance, ein prägendes Grundstück zu erwerben“, meinte Steffen Schmidt (CDU/FW). Und so wurde dem Vorschlag der Verwaltung, das Flurstück zu erwerben und das Haus abzureißen, mit einer Enthaltung zugestimmt. Was dann weiter auf der Fläche geschehen soll, ist noch unklar. Die Rückseite des schönen Nachbargebäudes, die nach dem Abriss zutage treten wird, ist jedenfalls im aktuellen Zustand auch nicht präsentabel und ein Neubau ist mit vielen Auflagen und Kosten verbunden. Aber eins nach dem anderen.

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Erstellt:
1. Juli 2024, 06:00 Uhr

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