Gentges drängt zu mehr Personal in der Justiz
dpa/lsw Stuttgart. Die Aufarbeitung der Stuttgarter Krawallnacht beschäftigt die Entscheider im Land noch immer. Braucht es härtere Strafen für die Jugend? Mehr Polizisten und Staatsanwälte? Oder mehr Prävention?
Ein Jahr nach der Stuttgarter Krawallnacht hat die neue baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges für mehr Stellen für Richter und Staatsanwälte im Land geworben. Konsequente Strafverfolgung sei unverzichtbar, aber sie sei nur mit ausreichend Personal möglich, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch im Landtag. Gentges sprach im Zusammenhang mit der Nacht auf den 21. Juni 2020 von einem „Sommernachtsalptraum“ für Einsatzkräfte, Polizei und Geschäftsinhaber. Aber der Rechtsstaat habe funktioniert. Gegen mehr als 150 Personen seien Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. 83 Personen seien verurteilt worden, 65 davon bereits rechtskräftig.
Strafgerichte und Staatsanwaltschaften stünden nun vor zahlreichen neuen Herausforderungen und Aufgaben, sagte Gentges. So sei etwa das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität mit einer Pflicht für Anbieter sozialer Netzwerke verbunden, bestimmte strafbare Inhalte zu melden. Es sei davon auszugehen, dass das zu einem Zuwachs von rund 17.500 Ermittlungsverfahren im Bereich der Hasskriminalität und weiteren 2000 Verfahren im Bereich der Kinderpornografie führen werde.
Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen in verschiedenen Städten im Südwesten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen von Jugendlichen mit der Polizei. Volljährige Täter müssten mehr nach dem Erwachsenenstrafrecht bestraft werden, forderte der CDU-Innenpolitiker Thomas Blenke in der Debatte. Auf Polizisten und Einsatzkräfte einzuprügeln sei keine jugendtypische Verfehlung. Im Zusammenhang mit der Krawallnacht seien 100 Jahre Freiheitsstrafe verhängt worden, davon 40 Jahre ohne Bewährung.
Man dürfe nicht bei der rechtlichen Aufarbeitung stehen bleiben, sagte die Grünen-Abgeordnete Daniela Evers. Auch die verhängten Freiheitsstrafen hätten nicht verhindern können, dass aus immer mehr Städten Probleme gemeldet würden. In vielen Städten fehlten Plätze, wo junge Menschen ohne Konsumzwang zusammenkommen könnten. Man müsse Freiräume ermöglichen - und gleichzeitig Exzesse vermeiden.
Die Grüne Jugend übte in der Frage Kritik am Koalitionspartner CDU. Anstatt 100 Jahre Freiheitsstrafen gegen die jungen Männer als Sieg zu feiern, brauche es angemessene Maßnahmen gegen die Ursachen, betonten die Landessprecherinnen Aya Krkoutli und Sarah Heim. „Das Verständnis der CDU von Justiz und Innenpolitik als vorwiegendes Bestrafungssystem ist veraltet und wird der Situation keineswegs gerecht.“ Überwachungskameras und mehr Polizeistreifen seien im Vergleich zu reeller Prävention nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
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