Gentges fordert Druck auf EU wegen weiterreisenden Migranten

dpa/lsw Stuttgart. Es wird eng in den Flüchtlingsheimen. Es kommen mehr Zuwanderer - gleichzeitig fehlt Platz wegen der Coronakrise. Vor allem jetzt fallen Flüchtlinge ins Gewicht, die keine Chance auf einen Schutzstatus haben. Da muss die EU ran, sagt die Justizministerin.

Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Jeden Monat lassen sich Hunderte Flüchtlinge in Baden-Württemberg nieder und stellen Asylanträge, obwohl sie bereits in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Diese sogenannte Sekundärmigration nach Deutschland ist im EU-Asylrecht nicht vorgesehen, die Menschen können in der Regel aber auch nicht einfach zurückgeschickt werden. Deshalb fordert die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges von der Europäischen Union deutlich mehr Druck auf Länder wie Griechenland und auch Italien.

Nach Angaben der CDU-Ministerin waren bundesweit Ende November rund 37 000 sogenannte Sekundärmigranten bekannt. In Baden-Württemberg seien es 5000 gewesen, sagte Gentges der Deutschen Presse-Agentur.

„Diese Menschen haben keine Aussicht auf einen Schutzstatus, weil ihnen ein solcher bereits in einem anderen Staat der Europäischen Union zuerkannt wurde“, sagte sie. Das Problem: „Wir müssen Menschen unterbringen und versorgen, die keine Bleibeperspektive haben.“ Denn die Flüchtlinge könnten auch im Moment nicht zurückgeschickt werden. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2011 müssen Asylbewerber nicht in ein EU-Mitgliedsland zurück, wenn ihnen dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Dies sieht die deutsche Rechtsprechung in Griechenland gegeben. Mehrere Oberverwaltungsgerichte haben festgestellt, dass den Rückkehrern in Griechenland und auch in Italien entsprechende Umstände drohten. „Migranten werden dort derart schlecht versorgt, dass nicht mal Brot, Bett und Seife gesichert sind“, sagte auch Gentges. „Und in solche Zustände dürfen wir niemanden zurückschicken, diese Rechtsprechung finde ich nachvollziehbar.“

Eigentlich ist nach EU-Recht meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, den der Schutzsuchende zuerst erreicht hat. Flüchtlinge dürfen aber nach ihrer Anerkennung auch in andere Mitgliedsländer reisen, sich dort allerdings nicht niederlassen oder länger als 90 Tage pro Halbjahr aufhalten. Bei der Sekundärmigration reisen sie daher legal ein, mit Reisedokumenten, die ihnen zum Beispiel die griechischen Behörden nach Anerkennung ihrer Asylanträge ausgestellt haben. In Deutschland beantragen sie dann aber erneut Asyl - in der Hoffnung auf Zuwendungen und ein dauerhaftes Bleiberecht.

Deutschland gilt wegen seiner guten Sozialleistungen als besonders beliebtes Ziel. In Griechenland hingegen gibt es keine Grundsicherung wie das deutsche Hartz IV. Außerdem haben Migranten nur geringe Chancen auf einen Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Nach Auffassung von Gentges muss sich die EU deshalb stärker und mit mehr Druck dafür einsetzen, dass Migranten menschenwürdig versorgt werden. „Das ist ein Armutszeugnis für ein Land in der EU. Da müsste eindeutig mehr Druck ausgeübt werden“, sagte die Ministerin der dpa. „Die Europäische Union muss das Gespräch mit den betroffenen Staaten suchen.“ Griechenland sei durch seine geografische Lage an der EU-Außengrenze allerdings auch überfordert, räumte sie ein. Es müsse daher ebenso wie Italien durch die Staatengemeinschaft unterstützt werden.

Die FDP teilt die Forderung nach mehr Druck auf Länder wie Griechenland in dieser Sache. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, teilte am Sonntag mit: „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass wir diese Menschen nicht zurück nach Griechenland bringen dürfen, weil dort nach unserer Rechtsauffassung eine weitere menschenwürdige Behandlung nicht gegeben sei.“ Von einem EU-Staat dürfe man wohl auch EU-Standards erwarten. Diese Begründungsmöglichkeit müsse schnellstmöglich beseitigt werden, notfalls mit einer Mischung aus Unterstützung und deutlichem Druck, teilte der FDP-Politiker mit.

© dpa-infocom, dpa:220102-99-563685/3

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Erstellt:
2. Januar 2022, 07:54 Uhr

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