Gerichte streiten um Wirecard-Klagewelle gegen EY

dpa Stuttgart/München. Ein Jahr nach der Pleite des Skandalkonzerns Wirecard streiten die Landgerichte München und Stuttgart um die Zuständigkeit für eine Welle mehrerer hundert Schadenersatzklagen. Das Landgericht Stuttgart hat an die 140 im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal stehende Klagen gegen den Wirtschaftsprüfer EY an das Landgericht München I verwiesen. In München sind damit etwa 400 Wirecard-Zivilklagen anhängig. Doch wollen die Münchner nicht allein auf diesem Berg von Verfahren sitzen bleiben.

Das mittlerweile entfernte Firmenschild von Wirecard an der Fassade der ehemaligen Konzernzentrale. Foto: Peter Kneffel/dpa/archivbild

Das mittlerweile entfernte Firmenschild von Wirecard an der Fassade der ehemaligen Konzernzentrale. Foto: Peter Kneffel/dpa/archivbild

Deswegen hat das dortige Landgericht in 21 Fällen „Gerichtsstandbestimmungsanträge“ beim Oberlandesgericht Stuttgart gestellt, wie das dortige OLG auf Anfrage mitteilte. Sollte das Oberlandesgericht zu Gunsten Münchens entscheiden, werden die dort beteiligten Kammern voraussichtlich bei weiteren Fällen die Übernahme verweigern. „Teilweise wird die in den vorgelegten Verfahren zu erwartende Entscheidung des OLG abgewartet, bevor über die Übernahme oder Nichtübernahme entschieden wird“, heißt es beim LG München I.

Am OLG werde jeder Fall gesondert geprüft, erklärte eine OLG-Sprecherin. „Die Entscheidung ist nur für das jeweilige Verfahren bindend.“ Über eine einstellige Zahl von Klagen gegen EY ist in München bereits entschieden, in diesen Fällen haben die Kläger verloren.

EY hatte die mutmaßlich gefälschten Wirecard-Bilanzen bis 2018 über Jahre testiert. Die Klagen stützen sich darauf, dass die EY-Prüfer dabei nicht sorgfältig gewesen seien und damit ihre Pflichten verletzt hätten. Der mittlerweile zerschlagene Wirecard-Konzern hatte am 25. Juni vergangenen Jahres nach dramatischen Wochen und Monaten Insolvenz angemeldet. Zunächst hatte der Zahldienstleister mehrfach die Vorlage der Jahresbilanz 2019 verschoben und schließlich am 18. Juni eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro angeblich auf südostasiatischen Treuhandkonten verbuchte Gelder nicht existierten. Unmittelbarer Auslöser war, dass EY das Testat für die Bilanz 2019 verweigerte.

Die Staatsanwaltschaft München geht von „bandenmäßigem Betrug“ aus, bei dem kreditgebende Banken und Investoren um über drei Milliarden Euro geprellt worden sein sollen. Demnach soll die Chefetage des früheren Dax-Konzerns spätestens 2015 begonnen haben, die Bilanzen mit erdichteten Scheinumsätzen zu fälschen. Vorwürfe gab es daher von Beginn an auch gegen EY. „Wir bei EY Deutschland bedauern sehr, dass der Betrug bei Wirecard nicht früher aufgedeckt wurde und werden entschieden handeln, damit sich ein Fall wie Wirecard nicht wiederholt“, erklärte ein Sprecher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

© dpa-infocom, dpa:210618-99-46885/2

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Erstellt:
18. Juni 2021, 12:34 Uhr

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