Krankheit zwingt Gernot Gruber zum Aufhören

Wegen eines Erschöpfungssyndroms gibt der Backnanger SPD-Abgeordnete sein Mandat im Oktober ab. 13 Jahre lang hat er sich mit hohem Engagement für seinen Wahlkreis eingesetzt und sich parteiübergreifend große Anerkennung erworben.

Mit seiner hohen Präsenz im Wahlkreis hat Gernot Gruber viele Sympathien gewonnen, jetzt spielt seine Gesundheit nicht mehr mit.

© Alexander Becher

Mit seiner hohen Präsenz im Wahlkreis hat Gernot Gruber viele Sympathien gewonnen, jetzt spielt seine Gesundheit nicht mehr mit.

Von Kornelius Fritz

Backnang. Seine Arbeitstage begannen oft schon um 5 Uhr morgens und endeten erst am späten Abend. Auch an den Wochenenden eilte er von Termin zu Termin und Urlaub nahm er nur selten. Jetzt ist sein Akku leer: Nach 13 Jahren im Landtag gibt Gernot Gruber sein Mandat ab. Zum 1. Oktober wird der SPD-Abgeordnete die Geschäfte an die Backnanger Stadträtin Simone Kirschbaum (siehe Infotext) übergeben.

Es ist keine Entscheidung aus freien Stücken. Gruber hätte gerne weitergemacht, selbst eine erneute Kandidatur bei der Landtagswahl 2026 hatte der 61-Jährige nicht ausgeschlossen. Doch sein Körper spielt nicht mehr mit. Ende 2023 wurde bei Gernot Gruber ein Erschöpfungssyndrom diagnostiziert. „Ich dachte zunächst, ich sei nur etwas ausgepowert von der vielen Arbeit“, erzählt der Abgeordnete. Doch auch eine berufliche Auszeit und ein vierwöchiger Klinikaufenthalt brachten keine Besserung. Nach wie vor fühlt sich Gernot Gruber erschöpft und hat Konzentrationsprobleme. Auch seine große Leidenschaft, das Laufen, kann er zurzeit nicht ausüben. „Ich schaffe nur noch zwei oder drei Kilometer in ganz langsamem Tempo.“

Eine körperliche Ursache, die seine Beschwerden erklären würde, ist bis heute nicht gefunden worden. „Inzwischen fehlt mir der Optimismus, dass ich schnell wieder auf die Füße komme“, sagt Gruber. So zieht er nun einen Schlussstrich und gibt nach dem Ausscheiden aus dem Kreistag auch sein Landtagsmandat ab. Das Amt mit halber Kraft auszuüben, wäre für ihn nicht infrage gekommen.

Der Wahlkreis stand für ihn an erster Stelle

Sein Abschied wird parteiübergreifend von vielen bedauert. Zum Beispiel von seinem Landtagskollegen Ralf Nentwich (Bündnis 90/Die Grünen), der gestern erklärte: „Gernot Gruber ist für mich ein äußerst geschätzter Kollege, mit dem ich stets hervorragend zusammengearbeitet habe.“ Dank seiner empathischen Art und seines großen persönlichen Engagements konnte der Diplom-Mathematiker auch immer mit Stimmen von Wählern rechnen, die nicht zur klassischen SPD-Klientel gehören. So erzielte er bei den Landtagswahlen, bei denen es bisher nur eine Stimme gab, stets überdurchschnittliche Ergebnisse. Bei der Wahl 2021 kam er zuletzt auf 19 Prozent und übertraf das Landesergebnis seiner Partei damit um stolze acht Prozentpunkte.

Dafür sah sich Gernot Gruber immer vor allem seinem Wahlkreis verpflichtet und weniger den Oberen seiner Partei. Wenn er von einer Sache überzeugt war, dann stimmte er im Landtag auch manchmal gegen die Fraktionslinie ab. Zum Beispiel als es um die Reform des Wahlrechts ging. Dass es nun auch auf Landesebene Listen geben wird, auf denen die Parteien ihren Wunschkandidaten einen Platz im Parlament sichern können, findet der Abgeordnete nicht gut. Honoriert werde im künftigen Wahlsystem nicht mehr das Engagement vor Ort, sondern das Strippenziehen in der Partei, kritisierte Gruber.

Ein politisches Comeback ist nicht ausgeschlossen

Das Klüngeln in Hinterzimmern ist seine Sache nie gewesen. Stattdessen kümmerte er sich lieber um die Probleme vor Ort. Etwa beim Thema Nahverkehr: Wenn sich Zugausfälle und Verspätungen mal wieder häuften, schrieb er Briefe an den Verkehrsminister oder an die Deutsche Bahn, fragte nach Gründen und erinnerte an gemachte Versprechungen. „Hartnäckigkeit gilt ja als Kerneigenschaft der Mathematiker“, sagt er schmunzelnd. Die bekam auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu spüren. Als dieser eine Solaroffensive ankündigte, erinnerte ihn Gruber daran, dass zum damaligen Zeitpunkt lediglich auf zwei Prozent der landeseigenen Gebäude eine Fotovoltaikanlage installiert war. Später hakte er immer wieder nach. „Damit habe ich etwas in Bewegung gesetzt“, sagt er.

Wie es für ihn persönlich weitergeht, weiß Gernot Gruber noch nicht: „Ich habe keine konkreten Pläne.“ Durch das Übergangsgeld für ehemalige Abgeordnete und eine Betriebsrente von der Allianz, wo er vor dem Wechsel in die Politik tätig war, ist er finanziell fürs Erste abgesichert. Falls es seine Kräfte zulassen, kann er sich ein ehrenamtliches Engagement vorstellen, zum Beispiel im Sport, dem er als Leichtathlet seit seiner Jugend verbunden ist. Auch eine Rückkehr in die Politik auf kommunaler Ebene schließt er nicht gänzlich aus. „Das Wichtigste ist jetzt aber, dass ich gesundheitlich wieder auf die Beine komme.“

Kommentar
Hoher Preis für den Dauereinsatz

Von Kornelius Fritz

Über den früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher kursierte folgender Witz: Über dem Atlantik treffen sich zwei Flugzeuge. Im einen sitzt Genscher, im anderen auch. Ähnliches hätte man sich auch über Gernot Gruber erzählen können, nur dass es in seinem Fall keine Flugzeuge, sondern wohl eher S-Bahnen gewesen wären.

Der SPD-Politiker war in seinem Wahlkreis so präsent wie kein Zweiter. Kein Fest, kein Empfang und kein Ehrungsabend, bei dem man ihn nicht traf. Zudem war er stolz darauf, dass er im Landtag so gut wie keine Sitzung verpasste. Und nebenbei kümmerte er sich auch noch um die kleinen Probleme und Beschwerden, die aus der Bürgerschaft an ihn herangetragen wurden. Mancher hat sich schon damals gefragt, wie er das alles schafft und wann er eigentlich schläft. Die ersten E-Mails verschickte er nämlich oft schon morgens um 5.30 Uhr.

Für Gernot Gruber war das alles selbstverständlich, weil es ihm wichtig war, für die Menschen da zu sein, die ihn gewählt hatten. Seine hohe Präsenz und seine Bürgernähe waren auch ein Grund für seine große Beliebtheit und seine sehr guten Wahlergebnisse. Leider hat Gruber dabei zu selten an sich gedacht und muss nun einen hohen Preis für seinen Dauereinsatz bezahlen. Die Frage, ob Politiker wirklich immer im Dienst sein müssen und nicht auch ein Recht auf Freizeit und Ausgleich haben, wird in unserer Gesellschaft nur selten diskutiert. Gernot Grubers Erkrankung zeigt aber, dass das dringend nötig wäre.

k.fritz@bkz.de

Simone Kirschbaum rückt nach

Nachfolge Das Landtagsmandat von Gernot Gruber übernimmt zum 1. Oktober Simone Kirschbaum. Sie stand bei der Wahl 2021 als sogenannte Ersatzbewerberin mit auf dem Stimmzettel. Die 50-Jährige ist von Beruf freiberufliche Hebamme und Trauerbegleiterin. Seit 2019 ist sie Mitglied der SPD-Fraktion im Backnanger Gemeinderat und wurde kürzlich wiedergewählt. Neben ihrer politischen Arbeit engagiert sich die zweifache Mutter auch
im Theater des Kultur- und Heimatvereins Rietenau und in der Theaterwerkstatt der Matthäusgemeinde Backnang.

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Erstellt:
19. Juni 2024, 10:30 Uhr

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