Beziehungen zu Namibia

Geschmackloser Auftritt eines AfD-Mannes provoziert im Ausland

Das schwelende Aussöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia gilt seit Jahren als heikle Angelegenheit. Nun sorgt auch noch ein AfD-Landtagsabgeordneter für diplomatische Spannungen.

Das Denkmal in Windhuk erinnert  an den  Völkermord an den Herero und Nama durch deutschen Kolonialtruppen.

© Jürgen Bätz/dpa/Jürgen Bätz

Das Denkmal in Windhuk erinnert an den Völkermord an den Herero und Nama durch deutschen Kolonialtruppen.

Von Christian Putsch

Der deutsche Kolonialsoldat Wilhelm Eduard Richard Heldt gehörte Ende des 19. Jahrhunderts als Hauptmann der deutschen Schutztruppe zu den wichtigsten Drahtziehern bei der Eroberung des heutigen Namibias und der Errichtung eines rassistischen Unrechtregimes.

Kranzniederlegung für einen Mittäter

Der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Sven Tritschler dürfte sich der verhöhnenden Wirkung seines Handelns bewusst gewesen sein, als er Mitte Juli einen mit schwarz-rot-goldener Schleife versehenen Kranz am Grab des 1899 gestorbenen Heldt in der Stadt Swakopmund niederlegte. Die deutsche Schutztruppe hat den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts zu verantworten. Sie trieb damals gezielt die Auslöschung der Volksgruppen der Herero und Nama voran. 100 000 Menschen wurden ermordet.

Eigentlich sollte der Besuch einer fraktionsübergreifenden Delegation des Landtags die Verhandlungen Deutschlands für eine Aussöhnung mit Namibia flankieren, die seit Jahren immer wieder kurz vor dem Abschluss steht und dann doch wieder scheitert.

Tritschlers Aktion, die abseits des offiziellen Programms erfolgte, dürfte die wohl kalkulierte gegenteilige Wirkung haben. „Die Kranzniederlegung ist nicht nur eine Geschmacklosigkeit, sondern eine Provokation“, sagt der Historiker Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg. „Sie reiht sich ein in Versuche der AfD, eine Ehrenrettung der deutschen Kolonialgeschichte vorzunehmen.“

Wie Spiegel Online berichtet, hat sich der namibische Botschafter offiziell beschwert und um ein Gespräch im Auswärtigen Amt gebeten. Im Ministerium selbst habe man Tritschlers Aktion in Namibia „mit großer Irritation zur Kenntnis genommen“, schreibt die Nachrichtenseite. Die Versuche einer deutsch-namibischen Annäherung wurden also abermals torpediert.

Neue Visumspflicht für Deutsche

Da passt eine neuerliche ins Bild: Ab dem kommenden April fällt die Visumbefreiung für deutsche Staatsbürger in Namibia weg. Anstelle der kostenlosen Einreise müssen Besucher künftig bei der Ankunft 90 Dollar (83 Euro) zahlen. Für Familien mit zwei Kindern kommen also neben den ohnehin teureren Flügen annähernd 300 Euro zusätzliche Kosten hinzu.

Anlass war allerdings nicht die AfD-Provokation, sondern die Entscheidung Großbritanniens, die Visumbefreiung für Namibier aufzuheben. Zuletzt war dort die Zahl von Asylanträgen von Einreisenden aus dem völlig stabilen und friedlichen Namibia angestiegen. Für Einreisen in die EU brauchen Namibier schon immer ein ähnlich teures Schengenvisum. Bei der Retourkutsche für Großbritannien führte man daher nicht nur die Visumpflicht für Besucher aus Großbritannien ein, sondern gleich für über 30 weitere Länder, darunter Deutschland.

Emotional gesehen ist das ohne Frage nachvollziehbar. Zumal sich im Jahr 2022 sieben der zehn Länder mit der höchsten Visa-Ablehnungsquote im europäischen Schengen-Raum in Afrika befanden. Wirtschaftlich ist die Entscheidung weniger plausibel. Die Tourismusbranche, die sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, hat den Schaden. Die Regierung wird die geringeren Einnahmen aus dem Tourismus mit den zusätzlichen Visumsgebühren womöglich ausgleichen können. Die als Jobmotor geltende Branche selbst aber nicht.

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Erstellt:
26. Juli 2024, 16:34 Uhr

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