Gewalttäter muss für unbestimmte Zeit in Psychiatrie
Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen 47-Jährigen wegen schwerer Körperverletzung in Backnang und Schorndorf. Das Gericht sieht in dem Mann eine Gefahr für die Allgemeinheit.
Von Heike Rommel
Backnang/Schorndorf. Im Stuttgarter Landgericht ist das Urteil über den Gewalttäter, der grundlos Behördenmitarbeiter und Passanten in Backnang und Schorndorf verletzt hat, gefallen: Der 47-Jährige wird auf unbestimmte Zeit im Maßregelvollzug untergebracht. Es könnte durchaus auch sein, dass der Mann lebenslänglich in dieser besonderen Art der Psychiatrie untergebracht werden muss. Zumindest schloss dies Richter Ulrich Tormählen von der achten Strafkammer bei der Urteilsbegründung nicht aus. Gestützt hat die Kammer ihr Urteil auf ein Gutachten von Korbinian Golla aus der psychiatrischen Klinik Weissenau/ Ravensburg für Straftäter, wo der Angeschuldigte nach der Untersuchungshaft bereits vorläufig untergebracht war und jetzt endgültig bleiben muss. „Er wehrt sich gegen vermeintliche Angriffe“, erklärte die Kammer die Gefährlichkeit des Mannes, der grundlos ihm unbekannte Menschen geschlagen und getreten hat.
Die Anklage von Staatsanwalt Daniel Winkelmann sah das Gericht nach der Beweisaufnahme in vollem Umfang bestätigt. Dass der Mann am 24. März 2023 gegen 10 Uhr einen Mitarbeiter des Jobcenters Schorndorf durch die Tür auf den Unterarm geschlagen und einen weiteren Mitarbeiter geohrfeigt hat, wäre noch kein Fall für das Landgericht gewesen. Auch nicht, dass er ihm nicht bekannte Menschen, die am 11. September 2023 einfach nur Mittagspause auf einer Parkbank am Brunnen vor der Backnanger Kreissparkasse machten, an den Haaren gepackt und mit Fäusten geschlagen hat. Doch binnen drei Monaten steigerten sich die Gewalttaten des psychisch kranken 47-Jährigen immer weiter. Am 28. August biss er einen 43-jährigen Praktikanten, der an der Information des Schorndorfer Rathauses saß, in den Hals. Die Bisswunde musste nicht genäht werden, aber der Praktikant hätte sich dadurch mit einer lebensbedrohlichen Krankheit infizieren können und musste deshalb ins Krankenhaus, wo er eine Infusion erhielt.
An einem 59-jährigen Backnanger Bauhofmitarbeiter, der am 6. September 2023 gegen 7.30 Uhr im Bereich der dortigen Bleichwiese mit Fäusten geschlagen und am Boden mit Füßen gegen den Kopf und ins Gesicht getreten wurde, manifestierte sich eine der schlimmsten Auswirkungen einer bis dahin unbehandelten paranoiden Schizophrenie: „Kontrollwahn.“
Nach Tritten gegen den Kopf musste ein Opfer operiert werden
Der Bauhofmitarbeiter sollte seinen Ausweis zeigen und wusste überhaupt nicht, weshalb. „Arschloch, Ausweis zeigen“, kam die auch noch beleidigende Ansage wie aus dem Nichts. Der Bauhofmitarbeiter wollte zu einem 16-jährigen Praktikanten und gleich mit der Arbeit Schluss machen, um diesen zu schützen, als er auf der Flucht vor dem Gewalttäter einen seiner Arbeitsschuhe verlor und stürzte. Tritte gegen den Kopf und ins Gesicht. Zwei Stunden Operation eines Augenhöhlenbruchs. Wegen Zahnverletzungen nichts Festes mehr zu sich nehmen können: So ging es dem Bauhofmitarbeiter, der bis heute wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in psychologischer Behandlung ist. Der Mann vom Bauhof konnte nicht ahnen, dass der Angreifer hochgradig psychisch krank ist. Unrechts- und Krankheitseinsicht konnte das Gericht bei dem 47-jährigen Verurteilten mit kosovarischen Wurzeln, der seit sieben Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Ehefrau und seinen drei Kindern hat, keine bemerken. „Ich bin nicht krank“, sagte der 47-Jährige bis zum Schluss. „Ich bin nicht gefährlich.“ Anders klangen die Zeugenaussagen der Geschädigten, die sich teilweise bis heute nicht mehr angstfrei auf öffentlichen Plätzen aufhalten können. Anders klang auch der Sachverständige aus der forensischen Psychiatrie, als er anmerkte, wenn der Bauhofmitarbeiter von den Fußtritten gegen den Kopf und ins Gesicht eine Gehirnblutung erlitten hätte, wäre er heute vielleicht nicht mehr am Leben.