Honda, Nissan und Mitsubishi
Gigantische japanische Auto-Hochzeit
Japans Autobauer haben über Jahrzehnte von Technologieführerschaft profitiert. Beim Boom der E-Autoautos aber hinken sie hinterher. So sehr, dass nun die Konzerne Honda, Nissan und Mitsubishi über eine Fusion nachdenken.
Von Felix Lill
Toshihiro Mibe absolvierte am Mittwoch gerade sein Lauftraining in der Tokioter Innenstadt, als ihn eine Reporterin des japanischen Senders ANN abfing. Die wollte dringend wissen, ob etwas dran sei am Gerücht, dass der von Mibe geleitete Autokonzern Honda mit einem der größten Konkurrenten fusioniere. „Die Wahrscheinlichkeit besteht schon“, sagte der schnaufende Honda-Chef. „Aber dabei geht es ja nicht nur um Nissan, sondern auch um Mitsubishi.“
Man spreche gerade über diverse Möglichkeiten. „Aber entschieden ist noch nichts!“ Wobei Mibes Betonung, man führe zwar Gespräche, aber es sei noch nichts sicher, eine klare Botschaft sendet: Der Zusammenschluss, über den seit Mittwoch weltweit spekuliert wird, nimmt offenbar schon sehr konkrete Formen an. Eine Holdinggesellschaft soll Nissan, Honda und auch Mitsubishi unter einem Dach integrieren.
Eine solche Fusion wäre gigantisch
Eine solche Fusion wäre gigantisch. Allein Honda und Nissan haben im Jahr 2023 weltweit je knapp vier und 3,4 Millionen Autos verkauft. Diese zwei Konzerne würden gemeinsam den drittgrößten Autobauer der Welt bilden – hinter Toyota und Volkswagen. Mit dem etwas kleineren Mitsubishi würde den Abstand zum dann viertgrößten Autobauer Hyundai aus Südkorea ausgebaut. Aber warum das Ganze?
Bei Nissan sind die Profite gegenüber dem Vorjahr zuletzt um mehr als 90 Prozent gefallen. Das Management ist höchst alarmiert. Und die Konkurrenz aus dem Ausland, ob Tesla in den USA oder BYD aus China, verkauft wesentlich erfolgreicher im noch relativ kleinen, aber schnell wachsendenden Bereich der E-Autos.
Die „Financial Times“ veröffentlichte zuletzt einen Bericht, in dem Nissan-Manager sagen, der Konzern habe bis auf Weiteres nur noch ein Jahr zum Überleben, brauche dringend einen Investor.
Das Aufkommen von Elektromobilität ist aus Sicht etablierter Autobauer eine Herausforderung, die schon länger bekannt ist – die man in Japan aber eben lange Zeit auf eigene Weise lösen wollte. Über rund ein Jahrzehnt hat der japanische Staat die Entwicklung von Wasserstoffautos gefördert. Führend ist hier bis heute der weltweit größte Autobauer Toyota. Nur: Viel Geld verdient auch der nicht mit seinen Brennstoffzellenautos, deren Technologie über die vergangenen Jahre nicht mit Elektroautos Schritt halten konnte.
Denn indem sich die meisten Hersteller der Welt auf Batterieelektrik gestürzt haben, hat es hier Technologiesprünge gegeben, die bei der Brennstoffzelle auf sich warten lassen. Im vergangenen Jahr verkündete Toyota – einst Technologieführer in Sachen Hybridautos – dann eine Kehrtwende. Fortan sollen mit Hochdruck E-Autos entwickelt werden.
Japan mit neuer Strategie
Im Frühjahr 2024 dann kündigte auch Japans Regierung eine neue Strategie an: Künftig sollten die größten Autobauer des Landes zusammenarbeiten, um allesamt bei E-Antrieben aufzuholen. Honda, Nissan und Toyota sollten in diesem Rahmen bereits gemeinsame Softwareplattformen entwickeln und in den Bereichen generativer Künstlicher Intelligenz für Sicherheitsprüfungen und Maßnahmen gegen Cyberangriffe kooperieren.
Franz Waldenberger, Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien, erkennt in dieser Strategie zunächst einen typischen Vorgang: „In der Automobilindustrie gibt es ja schon immer Kooperation. Kooperation zwischen Unternehmen, zwischen Wettbewerbern, das ist ja dieses Coopetition-Modell.“ Industrieweite Initiativen zur Standardisierung und Entwicklung neuer Technologien seien nicht unüblich. „Derzeit gehe es dabei oft um Autonomes Fahren und die grüne Transformation.
Weshalb die sich nun andeutende Fusion eine neue Qualität hätte. Denn hier geht es nicht mehr nur um Coopetition – also Zusammenarbeit und Wettbewerb zugleich – sondern Verschmelzung.
Und bei Unternehmen, die über Jahrzehnte stolze Konkurrenten gewesen sind, könnte dies erstmal Reibungen verursachen. Die Markenidentitäten – und die Identifikation der Mitarbeitenden – gilt gerade bei Autobauern in Japan als groß.
Die Branche verändert sich
So sagte Sanshiro Fukao, Executive Fellow beim Itochu Research Institute, diese Woche gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender NHK: „Die Fusion ergibt inhaltlich Sinn. Überraschend ist aber, dass sie jetzt wohl so schnell kommt.“ Nissan und Honda steckten in einer sehr schwierigen Lage, vor allem natürlich wegen E-Autos aus China, wohin nun ein großer und weiter wachsender Marktanteil gehe.
„Hondas und Nissans Ingenieure arbeiten allerdings unterschiedlich und werden sich nicht gut integrieren lassen“, betont Fukao. „So eine Fusion zeigt insofern auch, wie ernst die Lage derzeit ist.“ Perspektivisch ist sie nämlich deutlich prekärer als die globalen Absatzzahlen momentan noch vermuten lassen.
Die Autoindustrie ist heute eine digitale Branche, die Rangliste verkaufter Wagen längst nicht mehr das wichtigste Maß für langfristigen Erfolg. E-Auto-Hersteller holen schnell auf.
Denn die Branche verändert sich. Das muss derzeit nicht nur die deutsche Autoindustrie schmerzvoll anerkennen, sondern auch die japanische.