Neuer Rekord im Weltall
Gigantische Materiestrahlen im Kosmos entdeckt
Die Dimension ist gewaltig: Mehr als 20 Millionen Lichtjahre weit schleudert ein Schwarzes Loch Materiestrahlen ins All hinaus. Die Entdeckung könnte helfen, ein kosmisches Rätsel zu lösen.
Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer
Es ist ein neuer Rekord im Kosmos: Über die gewaltige Strecke von 23 Millionen Lichtjahren hinweg schleudert ein Schwarzes Loch Materie in zwei gebündelten Strahlen ins All hinaus. Und beeinflusst damit vermutlich die Entstehung von Galaxien in der Umgebung viel stärker als bislang angenommen. Das berichtet ein Forscherteam im Fachblatt „Nature“.
Der bisherige Rekord für solche Jets genannten Materiestrahlen lag bei 16 Millionen Lichtjahren.
An international research team led by @Caltech has discovered the biggest pair of black hole jets ever recorded in space. Dr Roland Timmerman of @DurhamPhysics calibrated the high-resolution @LOFAR data to aid the discovery. Read more https://t.co/qr7SNI6Lbw#DUresearchpic.twitter.com/0lqsv2WAtb — Durham University (@durham_uni) September 18, 2024
Starke Magnetfelder um Schwarzes Loch aufgespürt
Nahezu alle Galaxien enthalten in ihrer Mitte gewaltige Schwarze Löcher mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse der Sonne. „Wir wissen heute, dass sich Galaxien und Schwarze Löcher gemeinsam entwickeln“, erläutert George Djorgovski vom Caltech, dem California Institute of Technology in Pasadena (US-Bundesstaat Kalifornien).
„Entscheidend ist dabei, dass die Jets große Mengen an Energie nach außen transportieren und damit das Wachstum von Galaxien in der Umgebung beeinflussen. Die neue Entdeckung zeigt uns, dass dieser Einfluss viel weiter hinausreicht als bislang angenommen.“
Die großen Schwarzen Löcher ziehen mit ihrer starken Anziehungskraft Gas aus der Umgebung an und nehmen so immer weiter an Masse zu. Doch ein Teil des Gases fällt nicht in die Schwarzen Löcher hinein, sondern wird durch Magnetfelder abgelenkt und an den magnetischen Polen in zwei gebündelten Materiestrahlen wieder ins All hinauskatapultiert.
Wie Schwarze Löcher einen Jet starten
Bis vor wenigen Jahren gingen Astronomen davon aus, dass diese Jets typischerweise einige Hunderttausend Lichtjahre lang sein können. Nur wenige Ausnahmen reichten ein paar Millionen Lichtjahre weit ins All hinaus.
Das änderte sich im Jahr 2018: Bei der Untersuchung von großräumigen kosmischen Strukturen mit der Antennenanlage LOFAR in Europa stieß ein Forscherteam auf zahlreiche Materiestrahlen im Bereich von Millionen Lichtjahren. „Wir waren überrascht“, erklärt Martijn Oei vom Caltech. „Denn wir dachten, so lange Jets sind selten.“
Längster Materiestrahl nach Riesen aus Mythologie benannt
Inzwischen hat LOFAR über 8000 Paare von Jets, die von Schwarzen Löchern ausgehen, aufgespürt. „Porphyrion“ haben die Forscher die längsten dieser Materiestrahlen getauft, nach einem Riesen der griechischen Mythologie.
Die nun entdeckten Jets sind etwa zehn Mal so lang wie der Abstand der Milchstraße vom Andromeda-Nebel, der nächsten großen Galaxie.
Um den Ursprung der „Porphyrion“-Strahlen aufzuspüren, führten Oei, Djorgovski und ihre Kollegen weitere Beobachtungen mit mehreren großen Teleskopen durch. Schließlich fanden sie im Zentrum der beiden Jets eine gewaltige Galaxie, die etwa zehn Mal so groß wie unsere Milchstraße und 7,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist.
The world, it seems, is soon to see the first picture of a black hole. Astronomers across the globe will hold "six major press conferences" simultaneously to announce the first results of the Event Horizon Telescope https://t.co/9HjFpTgsGY by @marlowehoodpic.twitter.com/sq2T9DA8to — AFP News Agency (@AFP) April 6, 2019
Gewaltige Materiestrahlen entstanden schon vor langer Zeit
„Bislang dachten wir, die besonders großen Jets seien ein Phänomen im heutigen Kosmos“, erläutert Oei. Doch „Porphyrion“ zeige, dass es solche gewaltigen Materiestrahlen bereits vor langer Zeit gegeben habe.
Damit hätten die Jets auch Auswirkungen auf die kosmische Entwicklung gehabt. „Jeder Ort im Universum“, so Oei, „könnte zu irgendeinem Zeitpunkt durch die Aktivität von Schwarzen Löchern beeinflusst worden sein.“
Nur die Spitze eines Eisbergs
Die Entdeckungen von LOFAR sind vermutlich nur die Spitze eines Eisbergs. „LOFAR hat erst 15 Prozent des Himmels abgesucht. Und diese Jets sind schwierig zu finden“, betont Oei. „Wir glauben daher, dass es noch viel mehr dieser Giganten da draußen gibt.“
Die Entdeckung der gewaltigen Jets könnte auch dazu beitragen, ein kosmisches Rätsel zu lösen: nämlich, woher die Magnetfelder von Sternen und Planeten ursprünglich stammen. Möglicherweise, sagt Oei, stammen sie von den großen Schwarzen Löchern und die Jets haben sie in die Weiten des Kosmos hinausgetragen.
Info: Schwarze Löcher
Black whole Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass der Begriff Schwarzes Loch allgemein eingeführt wurde. Der US-Physiker John Archibald Wheeler suchte im Jahr 1967 bei einer Konferenz ein Ersatzwort für den englischen Zungenbrecher Gravitationally completely collapsed object. Kurzerhand nahm er den Vorschlag eines Zuhörers auf, der solche Phänomene Black whole nannte. Wie sie sich das eigentlich Unsichtbare vorstellen müssen, wissen Forscher inzwischen sehr genau: als einen grellen hellen Ring rund um einen schwarzen Kreis. Der Ring stellt Gas und Staub dar, die von dem schwarzen Loch extrem beschleunigt und schließlich verschlungen werden.
Kosmische Allesfresser Schwarze Löcher sind die schwärzesten Körper, die wir kennen. In ihnen soll sich ein Großteil der dunklen Materie verbergen. Diese seltsame Materieform leuchtet nicht, sie absorbiert auch kein Licht. Mit normaler Materie tritt sie praktisch nur über ihre Schwerkraft in Wechselwirkung, über die dieser überwiegende Teil der Galaxis bemerkbar wird. Indirekte Methoden belegen zweifelsfrei die Existenz dieser kosmischen „Allesfresser“.
Orte kosmischer Extreme Schwarze Löcher sind Orte kosmischer Extreme. Die Materie ist in ihnen so stark zusammengepresst, dass nichts ihrer enorm hohen Anziehungskraft entkommt. Die Fluchtgeschwindigkeit im Inneren eines schwarzen Lochs liegt über der Lichtgeschwindigkeit. Daher dringt nicht einmal das Licht selbst nach außen.
Unsichtbares sichtbar machen Schwarze Löcher sind also quasi unsichtbar. Wie lassen sich Schwarze Löcher dann beobachten? Zwar sind sie selbst unsichtbar, verraten sich jedoch über die Materie, die sie verschlucken. Wegen der extrem starken Schwerebeschleunigung heizt sich Materie, die in ein Schwarzes Loch fällt, auf Millionen Grad Celsius auf und gibt Energie als Röntgenstrahlung ab. Dieses charakteristische Leuchten können dann Röntgenteleskope registrieren.
Ereignishorizont Viele Schwarze Löcher verleiben sich neue Materie ein. Diese Materie fällt aber nicht auf direktem Weg ins Schwarze Loch. Stattdessen sammelt sie sich auf einer immer schneller rotierenden Scheibe – ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fließt. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe wird die Materie durch gegenseitige Reibung Millionen Grad heiß und leuchtet dadurch hell auf, bevor sie im Schlund des Schwerkraftmonsters für immer verschwindet. Die Innenseite dieses Rings markiert den sogenannten Ereignishorizont, der dem Projekt seinen Namen gab. Er ist der Ort im Umkreis eines Schwarzen Lochs, von dem aus noch Licht entkommen kann. Man fotografiert also nur den strahlend hellen Ring um das Schwarze Loch.