Was die Schifffahrtsgerichte im Südwesten machen

dpa/lsw Karlsruhe. Havarien, Fahrfehler oder besoffene Kapitäne: Wenn auf den Binnengewässern in Baden-Württemberg etwas gründlich schief läuft, landet es womöglich vor einem der Schifffahrtsgerichte im Land. Manche der Themen verstehen sicher auch Landratten.

Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Wer haftet beim Zusammenstoß zweier Segelboote auf dem Bodensee? Wer im Fall eines Unfalls beim Segeltraining? Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn ein Traktor von einer Fähre in den Neckar rutscht oder Schiff auf Anweisung eines Rheinlotsen auf Grund läuft? Die Schifffahrtsgerichte in Baden-Württemberg befassen sich mit unterschiedlichsten juristischen Fragen rund um die Schifffahrt.

Das Schifffahrtsobergericht beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe etwa hat Ende vergangenen Jahres seine frühere Rechtsprechung geändert und entschieden, dass der im Straßenverkehr allgemein anerkannte Grenzwert von 1,1 Promille für eine alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit beim Führen von Kraftfahrzeugen auch für die motorisierte Schifffahrt anzuwenden sei. Der Mann, den die Wasserschutzpolizei am Steuer eines Sportbootes mit 1,26 Promille im Blut erwischt hatte, muss 30 Tagessätze zu je 100 Euro, also insgesamt 3000 Euro, zahlen.

In einem anderen Fall wurden 400 Euro fällig, weil der Angeklagte mit seinem Segelboot „Unsinkbar II“ die Fahrrinne des Neckars gekreuzt hatte und dabei in den Kurs eines 86 Meter langen Tankmotorschiffs geraten war. Dieses hatte nach Gerichtsangaben daraufhin ein „Manöver des letzten Augenblicks“ eingeleitet, also seine Geschwindigkeit so schnell wie möglich reduziert. Das wäre aus Sicht des Gerichts zwar nicht nötig gewesen, eine Kollision hätte es laut einem nautischen Sachverständigen nicht gegeben. Nichtsdestotrotz habe er gegen die Binnenschifffahrtsstraßenordnung verstoßen.

Für juristische Streitigkeiten auf schiffbaren Binnengewässern sind Schifffahrtsgerichte zuständig. Solche gibt es in Baden-Württemberg bei Amtsgerichten in Konstanz (für den baden-württembergischen Teil des Bodensees und den Rhein zwischen Bodensee und Basel), in Kehl (Rhein zwischen Basel und Karlsruhe) und in Mannheim (für Rhein von Karlsruhe bis zur badisch-hessischen Grenze sowie für den Neckar und die zu Baden-Württemberg gehörende Mainstrecke bei Wertheim).

Wer gegen die Entscheidungen vorgehen will, kann sich an das Rheinschifffahrtsobergericht beim OLG Karlsruhe wenden, das auch für das Rheinschifffahrtsgericht im rheinland-pfälzischen Mainz zuständig ist. Das Schifffahrtsobergericht beim Karlsruher OLG ist zudem Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der Schifffahrtsgerichte in Konstanz, Kehl, Mannheim und ebenfalls Mainz.

Rheinschifffahrtsgerichte gibt es den Angaben zufolge neben Kehl, Mannheim und Mainz in Sankt Goar (Rheinland-Pfalz) und Duisburg-Ruhrort (Nordrhein-Westfalen). In Frankreich gebe es eines in Straßburg sowie in den Niederlanden vier und in der Schweiz zwei.

Grundlage für die Arbeit der Gerichte ist einem OLG-Sprecher zufolge unter anderem ein internationales Übereinkommen zwischen den Anliegerstaaten des Rheins, „das vermutlich zu den ältesten heute noch in Kraft befindlichen völkerrechtlichen Abkommen zählt“. Für den Rhein ab Basel regele die revidierte Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 („Mannheimer Akte“) gerichtliche Zuständigkeiten und das Verfahren. „Nationale gesetzliche Regelungen der Bundesrepublik Deutschland kommen nur zur Anwendung, soweit das Abkommen dies zulässt“, erklärte der Sprecher.

© dpa-infocom, dpa:210831-99-32042/3

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Erstellt:
31. August 2021, 07:11 Uhr

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