Gender Pricing und Gendermarketing
Gleiches Produkt, unterschiedlicher Preis – warum zahlen Frauen oft mehr?
Drogerieprodukte wie Duschgel, Rasierer oder Bodylotion sind für Frauen oft teurer als für Männer, obwohl sich die Inhaltsstoffe meist wenig bis gar nicht unterscheiden. Warum existiert dieses Gender Pricing? Und was kann man dagegen tun?
Von Lea Jansky
Rasierer, Bodylotion, Rasierschaum, Körperpflegeprodukte – wirft man im Drogeriemarkt in der Männer- und in der Frauenabteilung einen Blick auf diese Produkte unterscheiden sie sich häufig lediglich in ihrer Aufmachung und sind oftmals klischeehaft in pink oder blau dem Geschlecht zugeordnet. Der große Unterschied liegt im Preis. So zahlen Frauen meistens mehr als Männer für Produkte, die den gleichen Zweck erfüllen.
Diese geschlechtsspezifischen Preisunterschiede bei Produkten oder auch bei Dienstleistungen wie Haarschnitten beim Friseur oder Textilreinigungen von Hemden und Blusen nennt man „Gender Pricing“ oder auch „Pink Tax“ oder „Woman Tax“. Woher kommen diese Preisunterschiede? Sind diese teilweise vielleicht sogar gerechtfertigt oder lediglich zum Nachteil der Frauen?
Gender-Pricing hat mehrfach Nachteile für Frauen
Meist fallen die geschlechtsspezifischen Preisunterschiede bei ähnlichen, oft sogar gleichen Produkten auf den ersten Blick gar nicht auf. Vor allem Produkte aus dem Drogeriemarkt stehen häufig getrennt in Männer- und Frauenabteilungen und nicht nebeneinander im Regal, sodass kein direkter Preisvergleich stattfindet. Oftmals scheint der Preis auch im ersten Moment gleich zu sein – der Unterschied liegt dann jedoch in der Füllmenge von beispielsweise Körperpflegeprodukten, sodass Frauen weniger Menge für das gleiche Geld bekommen.
Die Preisunterschiede nach Geschlecht sind meist zum Nachteil von Frauen und tragen zur wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei. Denn Frauen sollen nicht nur mehr bezahlen, sondern verdienen gleichzeitig durchschnittlich auch weniger als Männer. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, verdienten Frauen im Jahr 2023 in Deutschland pro Stunde im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer, nämlich 20,84 Euro, was 4,46 Euro weniger als der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Männern (25,30 Euro) ist.
Gender Pricing ist jedoch nicht nur wirtschaftlich gesehen ein Nachteil für Frauen, wie die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg berichtet. Die Pink Tax verstärkt zudem auch Geschlechterstereotype. Angefangen bei den Farben pink und blau, die die Produkte häufig klischeehafterweise dem jeweiligen Geschlecht zuordnen. Auch das Wording der Produkte ist stereotypisch. Während eine Frauen-Bodylotion oft „Feuchtigkeit für sensible Haut“ spendet oder die Pflegedusche „zarte Haut durch Mandel-Öl“ verspricht, soll ein Männerduschgel schnell zu Power verhelfen oder ist extra für nach dem Sport.
Unternehmen betreiben gezielt Gendermarketing
Genau mit diesen Geschlechterstereotypen arbeiten viele Unternehmen, erklärt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sie profitieren davon, ihre Produkte mit Hilfe von Geschlechterklischees zu gestalten und Männer und Frauen konkret in zwei getrennte Zielgruppen aufzuteilen. Durch „Gendermarketing“ schreiben Unternehmen und Hersteller bei Ihren Produkten den Geschlechtern vermeintlich typische Eigenschaften und Bedürfnisse zu und steigern so durch Preisaufschläge – meist bei den weiblichen Produkten – ihre Umsätze.
Vor allem bei Kinderprodukten wird dieses Gendermarketing bereits angewandt. So gibt es pinke Einhörner und Schmetterlinge auf Tassen und T-Shirts für Mädchen und blaue Autos und Dinosaurier auf Pullovern und Fahrrädern für Jungs. Diese farbliche und Interessenspezifische Zuweisung ist jedoch gefährlich und sorgt dafür, dass persönliche Vorlieben und Persönlichkeitsmerkmale bei Kindern verloren gehen. Gleichzeitig werden dadurch stark das äußere Erscheinungsbild und die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Kindern geprägt. Gendermarketing lässt somit wenig Raum dafür, von bestimmten Zuschreibungen von Eigenschaften und Interessen abzuweichen. Dadurch werden schon früh die Bedürfnisse von Kindern geprägt.
Vor allem in der Drogeriewelt, in der es häufig große Preisunterschiede bei Pflegeprodukten gibt, wird der Grundstein früh gelegt, dass Frauen dem Klischee nacheifern, mehr Wert auf ihr Aussehen und Pflege zu achten und damit auch mehr Geld dafür auszugeben.
Legen Frauen wirklich mehr Wert auf Pflege und Aussehen?
Aber ist es wirklich so, dass Frauen bereit sind, mehr Geld für ihr Aussehen und Körperpflegeprodukte auszugeben? Neuromarketing-Experte Dr. Hans-Georg Häusel kann dies bestätigen. Er erklärt am Beispiel „Duschgel“: „Für Frauen ist das ein Schönheits- plus Hygiene-Produkt, für Männer nur ein Hygiene-Produkt. Zudem spielt für Männer Hygiene eine etwas geringere Rolle. Der emotionale Wert des Duschgels ist also für Frauen höher – damit also auch die Zahlungsbereitschaft und damit der Preis.“
Unternehmen nutzen also diese konkreten weiblichen Eigenschaften und Bedürfnisse aus und passen ihre Preise dementsprechend nach oben an. Doch Gender Pricing existiert auch in die andere Richtung. So legen Männer laut Häusel zwar weniger Wert auf Hygiene, dafür aber geben sie „mehr Geld für Produkte aus, die mit Macht und Status verknüpft sind (Uhren, Autos, Technik), Frauen gerne mehr für Produkte, die Schönheit versprechen (Kosmetik, Mode, Pflege).“ Dreht man somit das Beispiel „Duschgel“ um und fokussiert sich auf Autos, erklärt Wirtschaftspsychologe Häusel: „Für Frauen ist das Auto ein Fortbewegungsmittel , für Männer zusätzlich ein Status-/Macht-Fanal. Weil dieser Aspekt im männlich Zielschema sehr wichtig ist, bezahlen Männer für ein Kilogramm Auto viel mehr als Frauen.“
Sind höhere Preise gerechtfertigt?
Allein vom Produkt und den Inhaltsstoffen her seien Produkte wie das Duschgel bei Männern und Frauen oft ähnlich. Nach außen hin liege der Unterschied laut Dr. Hans-Georg Häusel jedoch in der „gesamten Produktaufmachung, sodass Mann und Frau nicht sehen, dass es in der Kernfunktion das gleiche oder ähnliche Produkt ist. Auch in der Werbung ist die Argumentation und Emotionalisierung unterschiedlich“.
Der wahre Wert eines Produkts hingegen basiere meist laut Häusel nur zu einem kleinen Teil auf den Herstellungskosten. Wichtig sei vielmehr die emotionale Bedeutung für die Käuferinnen und Käufer. Genau daher investierten Unternehmen je nach Produkt mehr, „von der Werbung bis zur Verpackung wird in das weibliche Duschgel mehr Geld reingesteckt, dieser Preis muss bezahlt werden. Zudem wird die dadurch erzeugte Illusion auch bezahlt. Ich schätze 20-30 Prozent des Preisunterschieds sind gerechtfertigt, 70-80 Prozent entstehen durch den emotionalen Mehrwert und die Illusion“, erklärt Wirtschaftspsychologe Häusel.
Sensibilisierung für das Thema
Über die Jahre wurde das Thema Gender Pricing immer präsenter. Die Verbraucherzentrale Hamburg führt seit 2015 daher Marktchecks durch und untersucht betroffene Produkte auf geschlechtsspezifische Preisunterschiede. Ein erster Erfolg: Die Preise für Einwegrasierer haben sich 2024 im Vergleich zu 2015 mittlerweile angeglichen. Beim Rasierschaum hingegen zahlen Frauen nach wie vor rund 80 Prozent mehr als Männer.
Um die Problematik von Gender Pricing bekannter zu machen, gibt es mittlerweile verschiedene Organisationen, die sich gegen die Woman Tax stark machen. So auch beispielsweise „Pinkstinks“, eine Initiative, die sich gegen starre Geschlechterrollen in Medien und Werbung einsetzt. Auch die Verbraucherzentrale Hamburg ruft dazu auf, Fälle von Gender Pricing zu melden.
Goldener Zaunpfahl als Mittel gegen dreistes Gendermarketing
Ein weiteres medienwirksames Mittel, um auf besondere Fälle des Gender Pricings und Gendermarketings aufmerksam zu machen ist der „Goldene Zaunpfahl“, ein Award für absurdes Gendermarketing. Diesen Award hat im Jahr 2024 ein ganz besonders dreistes Produkt gewonnen, das auf den ersten Blick nicht von Gendermarketing betroffen zu sein scheint.
So brachte der Pharmakonzern Sanofi im Sommer 2024 ein zunächst neu erscheinendes Produkt auf den Markt: „Buscopan Plus Pink“. Das Medikament sollte gegen Periodenschmerzen helfen und erschien in knallpinker Verpackung – der Inhalt und die Inhaltsstoffe waren jedoch identisch wie bei normalen „Buscopan Plus“ Tabletten. Nur der Preis machte einen Unterschied, weshalb die scheinbar neuen Tabletten mit 82 Cent pro Tablette 12 Cent teurer waren als die gewöhnlichen Buscopan-Tabletten. Auf Social Media teilten zahlreiche Nutzer den absurden Fall. Die erhöhte Aufmerksamkeit führte schließlich dazu, dass der Hersteller Sanofi die Preise letztendlich auf Grund der großen Kritik und Konfrontation anpasste.
Was kann man gegen Gender-Pricing tun?
Rein rechtlich sind geschlechtsspezifische Preisunterschiede bei ähnlichen Produkten nicht verboten. Gerichtlich vorgehen können Frauen gegen diese Ungerechtigkeit also nicht. Trotzdem können Frauen mit ihrer Kaufentscheidung einen Beitrag gegen das Gender Pricing leisten, indem sie Produkte genauer vergleichen und bei sehr ähnlichen Produkten einfach zum Männerprodukt greifen. Denn nur solange Unternehmen eine erhöhte Zahlungsbereitschaft bei bestimmten Produkten realisieren, werden die geschlechtsspezifischen Preisunterschiede auch aufrechterhalten.
Auch andere dafür zu sensibilisieren und über das Thema zu sprechen, kann gegen die Pink Tax helfen. Wirtschaftspsychologe Häusel ist jedoch wenig optimistisch, dass sich mit zunehmendem Bewusstsein etwas an der Problematik Gender Pricing ändern wird, „weil Konsumenten und Konsumentinnen in der Masse kaufen, was ihnen gefällt und der Verstand fast immer der Sklave der Emotionen ist.“