Go-Ahead macht mit alten Zügen weiter
Ersatzkonzept für die Murrbahn bis Ende April verlängert – Betreiber will „sehr stabilen Zugverkehr“ sicherstellen
Mit den schönen neuen Fahrzeugen im modernen Landesdesign wird es vorerst noch nichts. Das Bahnunternehmen Go-Ahead hat angekündigt, sein Ersatzkonzept für die Murrbahnlinie RE90 bis Ende April zu verlängern. Sprich: Gefahren wird weiterhin mit altem Zugmaterial. Dabei sollten die neuen Triebwagen bereits seit Monatsanfang rollen.
Von Armin Fechter
BACKNANG. In einer Pressemitteilung des Unternehmens liest sich das so: „Go-Ahead verlängert das Ersatzkonzept für die RE90 bis Ende April. Die Partner-Verkehrsunternehmen bedienen damit weiterhin den Murrbahnverkehr mit ihren Fahrzeugen im Auftrag von GoAhead. Damit fahren die Fahrgäste zwar zwei weitere Monate in ,Alt‘-Fahrzeugen, dies gewährleistet ihnen jedoch gleichzeitig einen sehr stabilen Zugverkehr. Go-Ahead zeigt sich sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit und der Betriebsqualität der Subunternehmen.“
Demgegenüber hatte Go-Ahead im Vorfeld des Betriebsstarts bei einer Pressekonferenz Anfang Dezember in Crailsheim erklärt, die neuen Flirt-3-XL-Fahrzeuge würden ab März auf der Murrbahn zum Einsatz kommen. „Zweieinhalb Monate reichen aus“, sagte der damalige kaufmännische Geschäftsleiter von Go-Ahead Baden-Württemberg, Hans-Peter Sienknecht. Er bezog sich damit auf den anstehenden Testbetrieb mit dem fabrikneu ausgelieferten Wagenmaterial. Und er fügte an, die Wahrscheinlichkeit sei „sehr hoch“, dass die neuen Expresszüge ab 1. März fahren. Große Erwartungen knüpfte er damals daran, dass die Erkenntnisse, die auf den seit Juni vergangenen Jahres von Go-Ahead betriebenen Strecken gewonnen wurden, in die neuen Züge einfließen könnten.
Im Testbetrieb zeigen sich offenbar größere technische Probleme
Einen Monat nach der Betriebsaufnahme mit dem Ersatzkonzept, Mitte Januar also, zeigte sich Go-Ahead-Pressesprecher Erik Bethkenhagen immer noch ziemlich optimistisch: Die Fahrzeuge der Firma Stadler befänden sich gerade in einer intensiven Testphase. Es sei geplant, sie nach und nach in den Betrieb zu integrieren. Wann genau die Fahrzeuge dann zum Einsatz kommen, vermochte er jedoch nicht zu sagen.
Nun aber zeigt sich, dass die komfortablen neuen Wagen doch nicht für einen stabilen Betrieb zur Verfügung stehen. Offenbar gibt es mit den Stadler-Erzeugnissen noch gravierende technische Probleme, die vor Ort nicht so leicht gelöst werden können. Das Unternehmen hält sich diesbezüglich aber bedeckt und erklärt nur: „Es stehen auf der Murrbahn noch verschiedene Schulungsmaßnahmen an, wie Streckenkunde und Fahrzeugschulungen der Triebfahrzeugführer für die neuen FlirtXL.“
Aus dem Verkehrsministerium in Stuttgart verlautet darüber hinaus auf Nachfrage aber, man habe „leider schlechte Erfahrungen mit der Zuverlässigkeit der neuen Züge machen müssen“. Die Erprobung und die Personalschulung auf den neuen Fahrzeugen sollte den Regelverkehr jedoch nicht gefährden und daher nach und nach erfolgen, ebenso wie eine Erprobung der neuen Züge von Stadler im Regelverkehr.
Das Ministerium hat daher die Entscheidung, den Betrieb vorerst mit den alten Fahrzeugen weiterzuführen, begrüßt. Das Ersatzkonzept sei bislang die stabilste Linie bei Go-Ahead gewesen: „Das sollte nicht durch eine Umstellung auf die Neufahrzeuge gefährdet werden, die hinsichtlich der neuen Stadler-Züge in den vergangenen Wochen immer wieder Probleme nach sich gezogen hat.“
Die aktuelle Entscheidung von Go-Ahead sei mit dem Ministerium abgestimmt, fügt die Pressestelle an: „Uns ist bewusst, dass die derzeit dort eingesetzten Fahrzeuge keinen modernen Standard bieten und nicht barrierefrei sind. Ein weitgehend stabiler Betrieb mit den Altfahrzeugen erscheint uns im Moment aber besser als das Risiko gehäufter Ausfälle und Kapazitätseinschränkungen.“
Go-Ahead verweist jedenfalls auf die bisherige Bilanz des Ersatzkonzepts. Dafür hat man sich drei Subunternehmen ins Boot geholt. Es handelt sich dabei um die WFL Wedler Franz Logistik aus Potsdam, um die TRI Train Rental International, Eckental-Eschenau, und um die Centralbahn AG aus der Schweiz. Diese sind mit fünf Zuggarnituren auf der Strecke unterwegs. Deren Pünktlichkeit hat sich im Zeitraum vom 16. Dezember bis zum 9. Februar – neuere Einzelauswertungen liegen laut Pressesprecherin Daniela Birnbaum nicht vor – sukzessive verbessert. So fuhren zuletzt an die 40 Prozent der Züge im grünen Bereich, anfangs waren es nur etwa 25 Prozent gewesen. Bei über 80 Prozent lagen die Verspätungen am Ende unter vier Minuten, über 90 Prozent waren weniger als sechs Minuten verspätet – pünktliche Züge jeweils mit eingerechnet.
Zudem wurden im selben Zeitraum in zwei Kalenderwochen keine Ausfälle verzeichnet; wenn es zu Ausfällen kam, machten diese weniger als zwei Prozent der Kilometerleistung aus, die nach dem Verkehrsvertrag zu erbringen ist. Die höchste Ausfallquote musste Go-Ahead dabei in der Kalenderwoche drei, also Mitte Januar, verzeichnen, als 470 Kilometer nicht gefahren wurden – was einer Quote von 1,7 Prozent entspricht. Insgesamt sind pro Jahr im Netz 3a rund 1,38 Millionen Zugkilometer zu leisten. Pro Woche sind das über 25000 Kilometer.
Außer der Murrbahn hat Go-Ahead auch die Remsbahn, die Filsbahn und zusammen mit Abellio die Frankenbahn übernommen. Wegen zahlreicher Mängel kommt dort immer wieder Kritik auf. Unter anderem geht es um ausgefallene oder überfüllte Züge und häufige technische Störungen. Das Verkehrsministerium hat daher für Mittwoch, 11. März, um 19.30 Uhr zu einem Bürgerdialog in die Städtische Musikschule in Neckarsulm eingeladen. Verkehrsminister Winfried Hermann und die Chefs der privaten Bahnbetreiber wollen sich dabei auf Initiative der örtlichen Abgeordneten den Bürgerfragen stellen. Denn, so heißt es in der Einladung: „Die Verkehrsleistungen entsprechen leider nicht den Anforderungen des Landes Baden-Württemberg. Insbesondere bei den bereitgestellten Zugkapazitäten und bei der Qualität des zur Verfügung stehenden Zugmaterials werden die bestellten Vorgaben nicht erfüllt. Für die Pendlerinnen und Pendler ist dies eine schwierige Situation, die auch aus Sicht des Verkehrsministeriums nicht hinnehmbar ist.“
Go-Ahead hat zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2019 den Betrieb der Murrbahn zwischen Stuttgart und Nürnberg übernommen. Der Fahrplan des Netzes 3a sieht einen Zweistundentakt auf der Strecke Stuttgart–Schwäbisch Hall-Hessental– Crailsheim–Ansbach vor, was zwischen Stuttgart und Gaildorf-West gemeinsam mit den Zügen des Netzes 3b der DB Regio ein halbstündliches Angebot ergibt. Am Abend verkehrt ein zusätzliches Zugpaar zwischen Crailsheim und Nürnberg.
Seit 1. März haben sich laut Go-Ahead einige Abfahrts- und Ankunftszeiten in geringem Umfang geändert. Der aktualisierte Murrbahn-Fahrplan ist über die Onlinemedien abrufbar sowie als Web-Pdf verfügbar auf www.go-ahead-bw.de/unterwegs-mit-go-ahead/fahrplaene.html.