Archäologie in Deutschland

Gräberfeld und slawische Siedlung im Saalekreis entdeckt

Die fruchtbaren Böden in Sachsen-Anhalt bescheren den Archäologen reiche Funde. Bei Grabungen entlang der künftigen Gleichstromtrasse SuedOstLink sind alle Siedlungsepochen vertreten.

Schädel eines bestatteten kranken Kindes mit einem sogenannten Wasserkopf, den Archäologen bei der Ausgrabung einer rund 1000-jährigen slawischen Siedlung mit einem kompletten Gräberfeld entdeckt haben.

© dpa/Heiko Rebsch

Schädel eines bestatteten kranken Kindes mit einem sogenannten Wasserkopf, den Archäologen bei der Ausgrabung einer rund 1000-jährigen slawischen Siedlung mit einem kompletten Gräberfeld entdeckt haben.

Von Markus Brauer/dpa

Archäologen haben bei Wettin-Löbejün im Saalekreis (Sachsen-Anhalt) eine rund 1000 Jahre alte Siedlung mit komplettem Gräberfeld entdeckt. Die Grabungen laufen im Vorfeld des Netzausbaus der Gleichstromtrasse SuedOstLink.

60 Tote in zwei Reihen bestattet

„Auf dem kleinen Friedhof von nur 5 mal 30 Meter Grundfläche liegen 60 Bestattungen in zwei parallelen Reihen dicht an dicht beieinander. Die Nord-Süd ausgerichteten Toten wurden auf dem Rücken liegend mit Blick nach Osten, nach christlichem Ritus, ohne Beigaben beigesetzt“, sagt Projektleiterin und Archäologin Susanne Friederich auf der Grabungsfläche.

 

 

 

 

 

 

Lediglich Trachtgegenstände, wie Bronzeringe und Perlen, lagen in den Gräbern. Es handelt sich meist um Kopfnischengräber, wie sie im 10. bis 12. Jahrhundert verbreitet waren. Teilweise gab es auch Steinumfassungen an Kopf oder Beinen.

„Besonders auffällig ist eine quadratisch ausgehobene Grabstelle: ein Familiengrab mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern. Spuren von Eckpfosten und Holzbalken belegen eine komplexe Grabarchitektur“, erläutert Grabungsleiter Markus Fitzek.

Kind mit Wasserkopf unter den Verstorbenen

Ebenso außergewöhnlich ist die Bestattung eines kranken Kindes, das an einem Hydrocephalus – auch Wasserkopf genannt – litt. Bei dieser Krankheit sammelt sich übermäßig viel Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit im Schädelinneren an.

 

 

 

 

 

 

Bei Säuglingen mit noch unfesten Schädelknochen wird der Druck durch ballonartige Aufblähung des Schädels ausgeglichen. Im Brustbereich des Kindes fanden sich Perlen. Möglicherweise war der Schmuck ein Zeichen der Sorge der Gemeinschaft.

Slawische Siedlung

Zudem wurde auf 5000 Quadratmetern Fläche ein slawischer Siedlungsbereich freigelegt. Die Fläche umfasst ein Handwerksviertel mit Materialabbaugruben, die vorwiegend der Gewinnung von Raseneisenerz dienten. Ein Hochofen mit angesammeltem Roheisen auf der Ofensohle belegt die Verarbeitung vor Ort. Funde von Spinnwirteln weisen auf eine Textilherstellung hin. Für die Wasserversorgung dienten zwei unbefestigte Brunnengruben, die circa 1,50 Meter tief erhalten sind.

 

 

 

 

Den Spatenforschern zufolge gab es zwei Siedlungsphasen. In der früheren Phase wurde der Platz von einem vier Meter breiten Umfassungsgraben geschützt. Später, in der zweiten Phase, wurde dieser Schutz aufgegeben.

Die Siedlung bestand nun aus einzelnen Gehöften, die von kleineren, etwa 50 Zentimeter breiten Gräben umgeben waren. Zu den besonderen Funden aus dem Siedlungsbereich zählen eine Perle aus einem Gehöftgraben und ein Bronzearmreif aus dem Umfassungsgraben.

Projektkoordinator Christian Lau erläutert das komplexe Gesamtbild. „Etwa 25 Meter von der Siedlungsstelle entfernt befindet sich der zugehörige Friedhof. Auf dem Weg dorthin kamen die Einwohner an Pferdebestattungen vorbei.“

Besiedlung der fruchtbaren Region schon 7500 Jahren

Auf 170 Kilometern Länge durch Sachsen-Anhalt führt die Trasse durch Altsiedelland mit fruchtbaren Böden. Die gesamte Trasse ist rund 540 Kilometer lang. Seit der Sesshaftwerdung von Menschen in der Region vor etwa 7500 Jahren war die Qualität des Bodens der ausschlaggebende Faktor bei der Wahl von Siedlungsorten. Dies führt dazu, dass die Dichte archäologischer Befunde in der Region sehr hoch ist.

Bislang wurden am SuedOstLink in Sachsen-Anhalt durch alle Zeiten hinweg insgesamt 300 Fundstellen von Siedlungs- und Bestattungsplätzen identifiziert.

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Erstellt:
1. August 2024, 15:50 Uhr
Aktualisiert:
1. August 2024, 19:04 Uhr

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