Grenzen desRechts auf Mobilität

Zögerliche Politiker und Raser sind schuld: Fahrverbote sind da – Tempolimits werden folgen

Wo zwei Wissenschaftler sind, da werden auch zwei Meinungen vertreten. In dieser Woche zum Beispiel stritten sich Ärzte über die Grenzwerte für Stickoxide, waren sich Verkehrswissenschaftler uneins über ein Tempolimit, und die Juristen beim Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutierten kontrovers über die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten. Und je nach politischer Couleur ziehen sich die Politiker ihre Argumente aus dem weiten wissenschaftlichen Feld.

Der Bürger staunt und blickt verdrossen auf das Geschehen. Dabei gehört der Diskurs unter Forschern zum Wissenschaftsbetrieb, er ist Motor des Fortschritts und der Innovation. Auf der anderen Seite obliegt es Wissenschaftlern sowie Politikern, eine Gesamtschau der Fakten zu ziehen, sie müssen alle Aspekte berücksichtigen, die zu Maßnahmen und Eingriffen in die Freiheitsrechte des Bürgers führen.

Das erste Stichwort ist das Fahrverbot: Hier haben die Verkehrsrechtsexperten deutlich gemacht, wie massiv der staatliche Eingriff durch dies in ein Grundrecht ist. Von Enteignung war die Rede, von einem staatlichen Versagen, denn die Behörden hätten jahrelang zugeschaut, wie Grenzwerte nicht eingehalten worden seien. Ihr Nichtstun habe dazu geführt, dass es zur Krise gekommen sei: von Gerichten verhängte Fahrverbote, gegen die manche Anwälte jetzt die betroffenen Dieselfahrer zum Klagen aufrufen. Da schließt sich der Kreis, die Juristen bestimmen den Lauf der Politik, wenn die selbst die Dinge nicht regelt. Entscheidende Hinweise für das Stuttgarter Dieselfahrverbot sind aber auch vom Verkehrsgerichtstag gekommen: Fahrverbote seien fortlaufend auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sagen die Experten. Sobald die Grenzwerte wieder unterschritten sind, müssen die Autos wieder fahren dürfen.

Das Recht auf Mobilität aber wird immer weiter ausgehöhlt. Erstens durch die Dauerstaus, zweitens durch Fahrverbote. Zur Debatte gestellt ist neuerdings auch ein generelles Tempolimit auf Autobahnen – lange Zeit ein Tabu in der deutschen Politik und in den Medien. Inzwischen mehren sich die Rufe nach einer solchen Geschwindigkeitsbeschränkung, und dass sie jetzt auch aus Kreisen der Polizei kommen, verleiht ihnen neues Gewicht.

Da ist zum einen der Klimaschutzaspekt, der offenbar nicht allzu bedeutsam ist. Da ist aber auch die noch ungeklärte Frage nach der Verkehrssicherheit. „Verrückte“ Raser auf der linken Spur sind schuld, dass es zu hohen Unterschieden der Geschwindigkeiten kommt.

Jedes Jahr gibt es in Deutschland rund 3300 Verkehrstote, die Landstraßen gelten als neuralgische Punkte, die Autobahnen als verhältnismäßig sicher. Aber wie relativ ist das? Laut Schätzungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft sterben jedes Jahr durch Raserei auf Autobahnen rund 80 Menschen. Wie ist das abzuwägen gegen andere Interessen der Bürger, des Staates, der Wirtschaft, dem Recht auf Mobilität? Eine Studie über die Gefährlichkeit der freien Fahrt auf Autobahnen wäre gut, es gibt sie nicht. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann hat sie vor Jahren durchführen wollen, wurde aber vom Bund ausgebremst.

Es muss keiner ein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen eine Frage der Zeit ist. Spätestens mit dem autonomen Fahren wird der Regulierungsbedarf zunehmen, die Freude am Fahren wird damit ohnehin abgeschafft. Wer die freie Fahrt noch länger erhalten will, sollte energisch gegen Raser vorgehen und Fakten benennen, wie gering das Risiko auf Autobahnen wirklich ist.

Christoph.Link@stzn.de

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Erstellt:
29. Januar 2019, 11:21 Uhr

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