Gefälschte Quittungen
Griechenland belohnt Amateur-Steuerfahnder
Belohnung für griechische Verbraucher, die dem Fiskus helfen, gefälschte Quittungen aufzuspüren: Wer mit einer speziellen Handy-App dazu beiträgt, einen Steuersünder zu ermitteln, soll künftig eine Prämie bekommen.
Von Gerd Höhler
Etwa 5000 Steuerfahnder beschäftigt die griechische Finanzbehörde AADE – offiziell. Tatsächlich sind es über 255 000. So viele Griechinnen und Griechen haben bisher die Anwendung „Appodixi“ auf ihr Smartphone heruntergeladen. Das Wort ist eine Kombination aus App und Apodixi, was auf Griechisch Quittung bedeutet. „Appodixi“ soll dem Fiskus helfen, gefälschte Quittungen aufzuspüren und so Steuerhinterzieher dingfest zu machen.
Steuerhinterziehung ist in Griechenland ein lang andauerndes Problem. Sie gilt als eine der Ursachen der griechischen Staatsschuldenkrise, die das Land in den 2010er Jahren an den Abgrund des Staatsbankrotts führte. Eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) der Universität Linz prognostiziert den Umfang der Schattenwirtschaft in Griechenland in diesem Jahr auf 21,9 Prozent des offiziell ermittelten Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Für Deutschland setzt das IAW 11,3 Prozent an, für Österreich 7,8 Prozent und für die Schweiz 7,1 Prozent.
Besonders groß ist in Griechenland die sogenannte Mehrwertsteuerlücke. Darunter versteht man die Differenz zwischen der fälligen und der tatsächlich an den Fiskus abgeführten Mehrwertsteuer.
Viele Händler, Handwerker und andere Dienstleister berechnen dem Kunden zwar die Mehrwertsteuer, führen sie aber nicht an den Fiskus ab, sondern stecken sie in die eigene Tasche. Die Steuer beträgt in Griechenland immerhin bis zu 24 Prozent. Ein Bericht der EU-Kommission veranschlagt die Mehrwertsteuerlücke in Griechenland auf 17,8 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei knapp fünf Prozent.
Bei der Mehrwertsteuer ist für den griechischen Fiskus noch viel zu holen: Der hinterzogene Betrag beläuft sich nach EU-Schätzungen auf jährlich rund 3,5 Milliarden Euro. Vor allem diese Lücke hofft Finanzminister Kostis Hatzidakis dank der Handy-App so weit wie möglich zu schließen.
Die Anwendung funktioniert denkbar einfach. In Griechenland müssen alle Kassen und Kartenterminals über das Internet oder Mobilfunk mit dem Datensystem der zentralen Finanzbehörde verbunden sein. Jede Quittung hat einen QR-Code, der automatisch generiert wird und alle Details der Transaktion enthält. Die App ermöglicht es dem Kunden, mit seiner Smartphone-Kamera den QR-Code zu scannen. Er bekommt dann sofort eine Rückmeldung, ob die Quittung gültig ist und die Kasse oder das Kartenterminal mit dem Finanzamt vernetzt ist.
Interessant für Urlauber: Die App gibt es neben der griechischen auch in einer englischen Version.
Der Anwendung verdanken die Steuerfahnder einen ihrer größten Erfolge der jüngsten Zeit: Aufgrund des anonymen Hinweises eines Verbrauchers, dem beim Scan einer Quittung eine Diskrepanz aufgefallen war, stießen die Beamten auf Unregelmäßigkeiten bei einem chinesischen Händler im nordgriechischen Komotini. Dann entdeckte ein Prüfer bei einem chinesischen Geschäft im mittelgriechischen Larisa dieselben Auffälligkeiten. Steuerfahndung und Polizei bildeten daraufhin gemeinsam die Sonderkommission „Chartinos Drakos“ (Papierdrache).
In monatelangen Ermittlungen stießen die Fahnder auf einen landesweiten Ring von 287 Einzelhandelsunternehmen, die mit einer betrügerischen Software und manipulierten Registrierkassen ihre Umsätze verschleierten. Den Finanzbehörden meldeten die Firmen nur ein Zehntel der tatsächlich eingenommenen Beträge. Alle Unternehmen gehören chinesischen Geschäftsleuten. Ermittlungen ergaben: Die Betrugs-Software stammte von einer ebenfalls chinesisch kontrollierten Firma in der Slowakei.
Die App ist aus Sicht des Fiskus ein voller Erfolg: Bisher meldeten Kunden 174 924 gefälschte Quittungen. Um noch mehr Verbraucher als Amateur-Steuerfahnder zu gewinnen, will die Finanzbehörde jetzt Belohnungen aussetzen: Wer dazu beiträgt, einen Steuersünder zu ermitteln, bekommt eine Prämie von 100 bis 3000 Euro. Die Höhe richtet sich nach der Schwere des Verstoßes. Die ersten Prämien sollen im September ausgezahlt werden.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Prämie kann nur kassieren, wer bei der Meldung des Verstoßes seine Identität offenbart. Das scheuen aber die meisten. Von den bisher eingegangenen 175 000 Anzeigen waren 95 000 anonym. Offenbar fürchten viele die Rache der Steuersünder. Im Finanzministerium arbeitet man deshalb jetzt an einer Regelung, die auch jenen, die unter Angabe ihres Namens eine Meldung machen, volle Anonymität sichern soll.