Fossilien-Funde in Asien

„Großschädeliger“ wird zur neuen Menschenart erklärt

In Asien gefundene Fossilen von Frühmenschen passen zu keiner bekannten Art. Deshalb haben Paläoanthropologen die asiatischen Vertreter der Gattung Homo nun neu geordnet und eine neue Spezies ergänzt: Homo juluensis umfasst mehrere Frühmenschen-Fossilien aus der Zeit vor 300.000 bis 50.000 Jahren.

Künstlerische Rekonstruktion des Homo juluensis.

© Imago/Laozhang/Dreamstime

Künstlerische Rekonstruktion des Homo juluensis.

Von Markus Brauer

Die Ursprünge der Menschheit sind rätselhaft und verworren. Ab der Zeit vor zwei Millionen Jahren entwickelten sich in Afrika, der Wiege der Menschheit, gleich mehrere Vor- und Frühmenschenarten.

Einige wurden zu unseren Vorfahren: wie der Homo habilis und der Homo erectus. Andere starben ohne Nachfahren aus: wie der Homo naledi, der Paranthropus boisei oder einige Australopithecus-Arten. Gleich mehrere Frühmenschenarten erblickten parallel das Licht der Welt: darunter Homo rudolfensis, Homo ergaster, Homo naledi und Homo erectus.

Homo erectus: Out of Africa

In Ostafrika entstand mit dem Homo erectus ein wichtiger Ast auf dem evolutionsgeschichtlichen Weg zum modernen Menschen. Dieser Frühmensch hatte ein kräftiges, größeres Skelett und einen massiven Schädelknochenbau.

Bereits vor 1,5 Millionen Jahren machten sich Gruppen des Homo Erectus auf und verließen Afrika. Über den Nahen Osten zogen diese kleinen Clans bis nach Südost- und Ostasien sowie nach Südeuropa, wo sie den Zweig des Homo heidelbergensis begründeten, der vor rund 700 000 Jahren in Mitteleuropa auftauchte.

Darüber hinaus gibt es jedoch weitere Fossilien, deren Zuordnung bis heute ungeklärt ist, weil ihre Merkmale in keine der etablierten Homininen-Arten passen.

Lücken und Ungereimtheiten der Evolutionsgeschichte

Dies gilt besonders für die Funde von Frühmenschen. „Es ist inzwischen offensichtlich, dass die morphologische Vielfalt unter den spätpleistozänen Homininen-Fossilien aus dem östlichen Asien größer ist, als wir erwartet haben“, stellen Christopher Bae von der University of Hawaii und Xiujie Wu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in einer Studie fest, die jetzt im Fachmagazin „Nature Communications“ erschienen ist.

A "provocative" new piece in Nature has proposed a whole new group of ancient humans – cousins of the Denisovans and Neanderthals – that once lived alongside Homo sapiens in eastern Asia more than 100,000 years ago.https://t.co/t3tC9jWGNR#fossils#paleontologypic.twitter.com/WDB4c8Cc0g — Earth Archives (@EarthArchivesHQ) December 4, 2024

Einige dieser asiatischen Frühmenschen sind inzwischen eigenen Spezies zugeordnet worden: wie der „Hobbitmensch“ Homo floresiensis von der indonesischen Insel Flores, der auf den Philippinen aufgefundene Homo luzonensis sowie der Homo longi in China sowie der Denisova-Mensch.

„Die Fossilfunde und unser Wissen über die Menschheitsentwicklung in Asien hinkt den Erkenntnissen aus Europa und Afrika deutlich hinterher“, schreiben Bae und Wu. „Jüngste Forschungen zeigen klar, dass es im späten Quartär Asiens zahlreiche Homininen-Stammeslinien in Asien gab.“

Neue Spezies mit großem Schädel

Nun ist ein weiterer asiatischer Frühmensch in der Ahnenreihe des Homo Sapiens aufgetaucht. Bei den Funden handelt es sich um 200.000 bis 130.000 Jahre alte Fossilien einer bisher unbekannten Menschenart, die im nordchinesischen Xujiayao entdeckt wurden.

„Was bei den Xujiayao-Homininen besonders heraussticht, ist ihr sehr großer Schädel, außerdem einige für ihr Alter erstaunlich primitive Merkmale der Zähne und des Schädels sowie Neandertaler-Merkmale“, berichtet Bae. Auch andere Charakteristika dieser Frühmenschen finden sich bei keiner anderen bisher bekannten Menschenart.

Homo juluensis: Frühmensch mit großem Schädel

Das Forscherteam um Bae hat daraufhin alle Frühmenschenfossilien aus Asien noch einmal vergleichend analysiert. Demzufolge gehören einige bisher nicht zugeordnete Frühmenschen zusammen mit den Xujiayao-Fossilien in eine eigene, neu zu schaffende Art.

„Diese Fossilien repräsentieren eine neue Form von großhirnigen Homininen, die im späten Quartär in weiten Teilen Ostasiens verbreitet waren“, erklärt der Paläoanthropologe. Bae und Wu tauften diese neue Menschenart Homo juluensis, nach dem chinesischen Begriff für „großer Schädel“.

“Homo juluensis”: scientists identify a possible new ancient human species https://t.co/GIgU3aLdGRpic.twitter.com/wsjz1op8T4 — News (@realusa_news) December 3, 2024

Sind Denisova-Mensch und Homo juluensis verwandt?

Zu der neuen Frühmenschenart Homo juluensis gehören laut Bae und Wu neben dem Xujiayao-Frühmenschen auch die im Jahr 2017 im chinesischen Xushan entdeckten Schädel eines nicht zugeordneten Frühmenschen und das 2015 in Taiwan entdeckte Unterkiefer-Fragment von Penghu.

„Wichtig ist auch, dass wir den rätselhaften Denisova-Menschen aufgrund der Zahn- und Kiefermerkmale dem Homo juluensis zuordnen“, schreiben die Paläoanthropologen.

Unterm Strich umfasst der neu erstellte Stammbaum der Gattung Homo in Asien nun sieben Arten: Neben dem Homo erectus, Homo neanderthalensis und Homo sapiens gab es demnach in der Zeit vor 300.000 bis 50.000 Jahren in dieser Weltgegend vier weitere Homo-Spezies, nämlich den Homo floresiensis, den homo luzonensis, den Homo longi und die neue Spezies Homo juluensis, die auch die Denisova-Menschen beinhaltet.

Kompliziertes Bild mit vielen Gruppen

„Diese Neuordnung ist wichtig, weil sie uns und anderen Forschern hilft, die komplexe Geschichte der menschlichen Entwicklung in Asien besser zu verstehen“, betont Bae. „Sie schließt einige Lücken in unserem Verständnis unserer frühen Verwandten.“

Aber auch andere Paläanthropologen halten eine neue Einteilung für einleuchtend. So kommentiert John Hawks von der University of Wisconsin-Madison und Mitentdecker des Homo naledi: „Meiner Meinung nach ist es eine gute Idee, die möglichen Gruppierungen und Unterschiede innerhalb der asiatischen Fossilfunde genauer zu untersuchen. Denn es ist ein kompliziertes Bild mit vielen Gruppen, die sich zu verschiedenen Zeiten und an verschieden Orten vermischt haben.“

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Erstellt:
4. Dezember 2024, 16:12 Uhr
Aktualisiert:
4. Dezember 2024, 20:02 Uhr

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