Grüne beantragen offiziell Parteiausschluss von Boris Palmer
dpa/lsw Stuttgart/Tübingen. Jetzt geht es dann doch Schlag auf Schlag. Seit mehr als sechs Monaten wartet Palmer auf einen offiziellen Antrag seiner Partei auf Parteiausschluss. Zuletzt wollte er diesen noch verhindern.
Der Landesvorstand der Grünen in Baden-Württemberg hat nun offiziell den Parteiausschluss des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer beantragt. Der 33-seitige Antrag sei der zuständigen Kreisschiedskommission der Grünen in Tübingen und Palmers Anwalt zugestellt worden, teilte eine Sprecherin der Südwest-Grünen am Montag in Stuttgart mit. Die Kommission müsse nun über den Zeitplan des Verfahrens entscheiden. Die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand erklärten: „Durch seine seit Jahren auftretenden Provokationen hat Boris Palmer vorsätzlich und erheblich gegen die Grundsätze sowie die Ordnung unserer Partei verstoßen.“
Laut den Grünen geht es nicht um Einzelfälle. „Wir haben es mit einer jahrelangen Vorgeschichte und einer langen Liste von kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen zu tun. Boris Palmer nutzt vor allem die Themen der Einwanderungs-, Flüchtlings-, und Menschenrechtspolitik dazu, sich Äußerung um Äußerung weiter von der Linie unserer Partei zu entfernen.“ Detzer und Hildenbrand erklärten weiter: „Er hat unserer Partei mit seinen populistischen und destruktiven Äußerungen schweren Schaden zugefügt. Für jemanden, der mit Rassismus kokettiert und Ressentiments schürt, ist bei uns kein Platz.“
Palmers Anwalt Rezzo Schlauch sagte auf Anfrage: „Wir werden uns mit allen Mitteln wehren.“ Dass die Partei vor nichts zurückschrecke und Dinge sogar an den Haaren herbeiziehe, zeige sich daran, dass Palmer auch vorgeworfen werde, das Buch von Sahra Wagenknecht (Linke) für gut zu befinden, erklärte Schlauch. Dass in dem Antrag der Grünen von einem Parteiausschluss oder hilfsweise einem Ruhen der Parteimitgliedschaft von Palmer für zwei Jahre die Rede sei, zeige, dass man sich des Hauptantrags nicht 100-prozentig sicher sei.
Ein Parteitag der Grünen in Baden-Württemberg hatte Anfang Mai beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren gegen Palmer anzustrengen. Anlass für diesen Beschluss war ein Facebook-Beitrag Palmers über den früheren deutschen Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, in dem der OB das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmer beteuerte dagegen, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen.
Schlauch hatte erst in der vergangenen Woche von der Landesschiedskommission in Baden-Württemberg verlangt, förmlich festzustellen, dass die Partei gegen Palmer „keinen Rechtsanspruch auf Ausschluss aus der Partei hat“. Er schickte dem Gremium einen sogenannten Negativen Feststellungsantrag zu. Nach Auskunft von Schlauch kann damit ein behaupteter Rechtsanspruch - in diesem Fall das Recht auf Parteiausschluss - zurückgewiesen werden. Der frühere Bundestagsfraktionschef der Grünen vermutete, dass die Grünen das Verfahren verzögerten, um es zeitlich möglichst weit in die OB-Kandidaten-Nominierungsphase der Grünen in Tübingen hineinzuziehen.
Denn auch die Grünen in Tübingen sind im Clinch mit Palmer. Sie hatten unlängst beschlossen, den nächsten Kandidaten zur OB-Wahl in einer Urwahl zu bestimmen. Daraufhin hatte die derzeitige Ortsvorsteherin im Tübinger Stadtteil Weilheim, Ulrike Baumgärtner, ihren Hut in den Ring geworfen. Im April sollen die Mitglieder des Stadtverbands darüber entscheiden, wer für die Partei in der Universitätsstadt antreten wird. Eine Nominierungsveranstaltung wie bei den beiden vergangenen Wahlen, als Palmer der einzige Kandidat war, wird es somit nicht geben. Bis zum 28. Februar dauert die Bewerbungsphase, im März sollen sich die Kandidaten auf einem Podium vorstellen. Palmer hat sich noch nicht klar über eine mögliche Kandidatur geäußert. Die OB-Wahlen in Tübingen sind im Herbst 2022.
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