Grüne Gönner und schwarzer Frust

Die Landes-CDU muss sich im Umfrage-Tief neu aufstellen – bloß wie? Und mit wem?

Daran muss man sich noch ein bisschen gewöhnen. Daran, dass sich die Grünen Sorgen um die CDU machen. Zumindest in Baden-Württemberg. Und zuallermeist in Person ihres Ministerpräsidenten. Warum auch nicht? Winfried Kretschmann hat es sich kommod gemacht und mit Thomas Strobl einen schwarzen Beisitzer, der das landesväterliche Regieren nach Möglichkeit nicht allzu schwierig werden­­ lässt. Kein Wunder also, dass der Grüne Kretschmann­ seiner CDU (wenn man das so sagen darf) gern bessere Umfragewerte im Land wünscht als jene bitteren 23 Prozent, die ihr für den Moment die jüngste Forsa-Umfrage bescheinigt. Getreu dem alten Kölschen Motto, das ins Hochdeutsche übersetzt heißt: Man muss auch gönnen können.

Dass die CDU darüber nicht richtig froh wird, ist klar. 23 Prozent – das ist in einem Stammland wie Baden-Württemberg die Vorstufe der politischen Insolvenz, das Ende von einstmals stolzen Direktmandaten (ohnehin sind es nur noch 22 von 70), das Ende vom Einzug in die Villa Reitzenstein, das Ende politischer Meinungsführerschaft. Wie tief der Sturz bei der Landtagswahl in zwei Jahren sein könnte, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Selbst der umstrittene wie wenig populäre Ministerpräsident Stefan Mappus hatte bei seiner Abwahl 2011 noch 39 Prozent in die CDU-Scheuer eingefahren. Wobei erfolgsgewohnte Christdemokraten damals dachten: Schlimmer geht’s nimmer. Sie haben sich getäuscht.

Mehr denn je ist die Landes-CDU darauf angewiesen, von Winfried Kretschmann nett behandelt zu werden. Wenn sie sich markig durchsetzen kann, ist ihr Erfolg meist mehr ein gewährter als ein erkämpfter. Wie zuletzt im unsteten Dieselringen um die Ver­meidung von Euro-5-Fahrverboten in Stuttgart. Keiner beherrscht den Fabelwettlauf zwischen dem grünen Igel und dem schwarzen Angsthasen besser als Kretschmann. Ganz einem Satz von Hannah Arendt folgend: „Weisheit ist eine Tugend des Alters, und sie kommt wohl nur zu denen, die in ihrer Jugend weder weise waren noch besonnen.“

Einer wie Thomas Strobl steht da auf verlorenem Posten. Gerade mal fünf Prozent der Baden-Württemberger würden sich bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten für den CDU-Vormann entscheiden. Treffer, versenkt! Selbst eine rechnerisch mögliche Deutschland-Koalition von CDU, SPD und FDP, die mit dem neuen SPD-Chef Andreas Stoch zumindest im Ansatz wieder denkbar ist, ließe sich mit Strobl an der Spitze nicht vermitteln und stieße bei einem Großteil der Wähler auf pures Unverständnis. Kretschmanns­ Plus und Strobls Minus – addiert setzt das die CDU schachmatt. Dass auch die Grünen angesichts der Neun-Prozent-Genossen die CDU zum Regieren brauchen – geschenkt.

Und so kreisen in den CDU-Köpfen schwere Gedanken, was bis 2021 zu tun ist. Drei Wochen vor den Kommunalwahlen am 26. Mai wird die Partei einen neuen Vorsitzenden wählen. Strobls Kandidatur scheint sicher. Seine Wiederwahl auch. Einen Eklat vor diesem neben der Europawahl am selben Tag wichtigen Urnengang werden sich die Christdemokraten nicht zumuten wollen. Was erlaubt, an der Aussagekraft eines wie auch immer gedeuteten Vertrauensbeweises zu zweifeln. Wartet die CDU dann ab, was Strobl macht? Drängt sie ihn in einen zeitlichen Übergang? Lenkt sie die Aufmerksamkeit auf eine von wenigen Alternativen, etwa auf Kultusministerin Susanne Eisenmann? Noch hat man sich nicht sortiert. Eines aber muss die Landes-CDU wissen: Mit einem anderen Kölner Spruch, wonach es noch immer gut gegangen ist, wird sie keinen Blumentopf gewinnen.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de

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Erstellt:
7. Februar 2019, 03:14 Uhr

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