Grünen-Chefin
Grünen-Chefin zum Finanzpaket: „Das machen wir nicht mit“
Stimmen die Grünen dem Finanzpaket von Union und SPD noch zu? Vorerst jedenfalls sperrt sich die Partei. Wieso die Grünen plötzlich so anders auftreten, erklärt die Parteivorsitzende Franziska Brantner im Interview.

© dpa/Michael Kappeler
Die Grünen-Chefin hält es für unverantwortlich, den Plänen von Union und SPD zuzustimmen.
Von Rebekka Wiese
Die Grünen machen immer mit? Das schienen Union und SPD zu erwarten, als sie ihr Finanzpaket vorlegten. Doch die Grünen erklärten am Montag, dass sie den Plänen erst einmal nicht zustimmen werden. Parteichefin Franziska Brantner wirft Union und SPD vor, mit dem zusätzlichen Geld ihre Wahlversprechen finanzieren zu wollen. Stattdessen mahnt sie eine andere Reform an. Im Interview spricht sie darüber, worüber nun verhandelt wird – und ob sie noch an eine Einigung glaubt.
Frau Brantner, Ihr Auftritt am Montag – Ihr klares Nein zu den Grundgesetzänderungen zur Schuldenbremse, wie Union und SPD sie vorschlagen – hat ein kleines politisches Beben ausgelöst. Warum haben Sie es darauf angelegt?
Es geht uns in diesen Zeiten wirklich um das Land. Staatspolitische Verantwortung heißt für uns, kluge Lösungen für unser Land und Europa zu finden. Das bedeutet Investitionen in die Zukunftsfähigkeit, um unser Land sicherer zu machen, seine Infrastruktur zu sanieren und dabei den Klimaschutz und eine innovative Wirtschaft im Fokus zu behalten. Dafür sind alle demokratischen Parteien verantwortlich. Was nicht geht, sind Wahlversprechen von Union und SPD wie Steuersenkungen auf Pump zu finanzieren. Das machen wir nicht mit.
Man kann aber auch den gegenteiligen Eindruck haben: dass die Grünen jetzt einige ihrer Interessen durchsetzen wollen. Sind die Grünen jetzt nicht mehr so staatstragend, wie man sie bis vor Kurzem noch erlebt hat?
Im Gegenteil, genau aus unserer staatstragenden Überzeugung heraus können wir eben nicht sagen: Wir ändern jetzt das Grundgesetz, damit die neue Koalition Steuersenkungen für Reiche auf Kosten zukünftiger Generationen per Schulden finanziert. Es ist doch offensichtlich, dass CDU, CSU und SPD die letzten Tage nicht seriös gearbeitet haben. Das ist doch das Problem.
Gleichzeitig enthält der Vorschlag von Union und SPD vieles, was Ihre Partei in den vergangenen Jahren gefordert hat. Wollen Sie wirklich gegen höhere Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur stimmen, für die Sie immer geworben haben?
Wir waren und sind die Partei, die am stärksten für die Ukraine und unsere europäische und deutsche Sicherheit eintritt. CDU, CSU und SPD behaupten, dass sie die Verteidigungsausgaben wegen der Ukraine von der Schuldenbremse ausnehmen wollen – aber ihre Pläne sehen nicht einen zusätzlichen Cent mehr für die Ukraine vor. Wir sind auch der Meinung, dass Sicherheit heute mehr ist als Panzer, es geht zum Beispiel auch um Cybersicherheit. Hier sehen wir Nachbesserungsbedarf. In der Summe ist der Vorschlag von CDU, CSU und SPD nicht im Interesse des Landes. Als sie ihre Einigung zum Finanzpaket vorgelegt haben, haben wir uns gewundert, wieso nicht genauer festgelegt ist, wofür die 500 Milliarden Euro im Sondervermögen eigentlich ausgegeben werden dürfen und dass keine Zusätzlichkeit vorgesehen ist. Inzwischen wissen wir, dass dieses Geld über Eck in die Parteiklientel investiert werden soll, nicht in das Land.
Sie fordern einiges von Union und SPD. Unter anderem, dass auch Ausgaben für den Bevölkerungsschutz oder für Geheimdienste von der Schuldenbremse ausgenommen werden können. Ihnen ist auch wichtig, dass Klimaschutz stärker berücksichtigt wird. Wo sind Ihre roten Linien?
Bei der Verteidigung sehen wir kritisch, dass alles über ein Prozent in Zukunft nicht mehr auf die Schulden angerechnet werden soll, also auf Dauer unsere Verteidigung mit Schulden finanziert werden soll. Da frage ich mich schon, wer das je zurückzahlen soll. Außerdem brauchen wir eine nachhaltige, ehrliche Reform der Schuldenbremse. Es ist breiter Konsens bis hin zur Deutschen Bundesbank, die Schuldenbremse zu überarbeiten. Da führt kein Weg dran vorbei. Was das Klima angeht, ist es zwar nicht überraschend, aber doch erschreckend, dass CDU, CSU und SPD nicht erklären, wie sie Klimaneutralität erreichen wollen und von den 500 Milliarden nichts fürs Klima vorgesehen ist. Hier erwarte ich, dass die angehende Koalition konkrete Maßnahmen vorschlägt.
Spätestens nächste Woche muss eine Einigung gefunden sein. Glauben Sie, dass das noch gelingt?
Wir sind dazu bereit. Wir gehen weiterhin konstruktiv in diese Gespräche. Aber wer glaubt, dass die Angelegenheit mit ein paar Sympathiebekundungen von CDU/CSU und SPD uns gegenüber vom Tisch ist, der irrt. Uns geht es um die Sache.
Von einer Einigung hängt viel ab, womöglich die Sicherheit des Landes. Was passiert, wenn die Gespräche scheitern – spüren Sie da keine Verantwortung?
Doch. Deswegen haben wir ja am Montag einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich auf die Verteidigungsfrage konzentriert. Sollten wir uns mit CDU, CSU und SPD nicht noch in dieser Wahlperiode auf ein Sondervermögen für die Infrastruktur, eine Schuldenerleichterung für die Länder und eine zukunftsgerichtete Reform der Schuldenbremse verständigen, könnten wir trotzdem gemeinsam den Entwurf beschließen, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten.
Es gibt viel Kritik an dem Vorgehen von Union und SPD, kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestags jetzt noch so weitreichende Schritte zu beschließen. Das trifft nun auch die Grünen: Ihre Partei wurde bei der Bundestagswahl abgewählt – und bestimmt jetzt auf den letzten Metern noch mit. Sehen Sie das selbst nicht kritisch?
In dieser Frage ändert sich an unserer Rolle im neuen Bundestag nicht viel. In jedem Fall braucht man unsere Zustimmung für eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das ist ja im Grundgesetz so angelegt. Von daher sehe ich nicht, wieso man uns in diesem Punkt kritisieren sollte.
Schalten die Grünen wieder zurück in die Fundamentalopposition, die sie vor langer Zeit mal waren?
Wir sind eine konstruktive, aber kritische und durchaus herausfordernde Oppositionskraft. Offensichtlich braucht es eine vernünftige Opposition, die nicht zulässt, dass CDU, CSU und SPD mit Schulden ihre Probleme zukleistern, statt Probleme zu lösen und die daran erinnert, dass für unsere Sicherheit und Freiheit auch der Klimaschutz wichtig ist. Und natürlich tragen wir auch in der Opposition Verantwortung für dieses Land, wir sind ja schließlich die Grünen.
Zur Person
ParteichefinFranziska Brantner, Jahrgang 1979, ist Bundesvorsitzende der Grünen, sie führt die Partei seit vergangenem Herbst zusammen mit Felix Banaszak. Brantner stammt aus Lörrach und studierte Politikwissenschaften in Paris und New York, sie wurde an der Universität Mannheim promoviert.
Grünen-AbgeordneteVon 2009 bis 2013 saß sie für die Grünen im Europaparlament. Danach zog sie als Abgeordnete in den Bundestag ein, ihr Wahlkreis liegt in Heidelberg. Seit Dezember 2021 ist sie außerdem Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.