Grundsteuer: Endspurt für alle Grundstückseigentümer

Die Frist für die Grundsteuererklärung läuft bald ab. Viele warten mit der Abgabe bis auf den letzten Drücker. Die Mitarbeiter des Backnanger Finanzamts und die Steuerberater werden mit Rückfragen überhäuft. Die Erklärung: In fünf Minuten erledigt oder ein Bürokratiemonster?

Jeder Grundstücksbesitzer ist aufgefordert, die neue Erklärung bis Ende Oktober auszufüllen, am besten online. Foto: Werner Kuhnle

Jeder Grundstücksbesitzer ist aufgefordert, die neue Erklärung bis Ende Oktober auszufüllen, am besten online. Foto: Werner Kuhnle

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Uhr tickt. Am 31. Oktober 2022 endet die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung, die nach einer Grundsteuerreform für alle Grundstücksbesitzer verpflichtend ist. Aber obwohl alle Bürger mit Grundvermögen schon vor Monaten angeschrieben worden sind, hat laut Finanzministerium Baden-Württemberg bislang erst ein Viertel der Betroffenen die Erklärung abgegeben. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Einige Steuerpflichtige haben diesen zusätzlichen (elektronischen) Papierkram schlichtweg verdrängt, zumal im Sommer das elektronische Meldeportal Elster angesichts des ersten Ansturms in die Knie ging. Viele Bürger waren auch willens, sind aber beim Ausfüllen gescheitert. Die Probleme beginnen schon bei der Registrierung und gehen dann weiter, dass abgefragte Fakten nicht jedem zur Verfügung stehen. Jetzt aber drängt so langsam die Zeit.

Alle jene, die Antworten geben könnten wie etwa Mitarbeiter des Finanzamts oder Steuerberater, bestätigen einen immensen Ansturm. So etwa Stefan Heber, der stellvertretende Leiter des Finanzamts Backnang. Immerhin, der Zusammenbruch des Portals Elster ist schon seit Längerem behoben. Der Andrang ist immer noch hoch, aber nun hat sich die EDV der Finanzverwaltung darauf eingestellt. Trotzdem werden die Mitarbeiter des Finanzamts immer noch mit Anfragen überflutet. Die häufigsten Fragen drehen sich weiterhin um die Registrierung oder die Bodenrichtwerte, die von den Gemeinden bereitgestellt werden müssen. Die Flut an Anfragen bestätigt Tim Stein von der Backnanger Steuerberatungskanzlei Kümmerlen und Partner: „Wir haben etliche Mandanten, vor allem die älteren, die mit dem ganzen Themenfeld wie elektronische Registrierung bei Elster einfach überfordert sind, oder solche, die sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen möchten.“ Es gebe zwar Steuerpflichtige, die sich mit der Materie auseinandersetzen und sich selbst durchtüfteln, aber das sei eher die Minderheit. Die Beratung läuft sowohl telefonisch als auch vor Ort. Oft bekommen die Mandanten eine Checkliste mit, welche Daten sie brauchen. „Viele bringen ihre gesammelten Werke mit und wir suchen dann mit ihnen gemeinsam die nötigen Angaben heraus.“ Die Kanzlei ist derzeit völlig ausgelastet, aber wie alle anderen geht Stein auch davon aus, dass es für die Abgabe einen Aufschub geben wird: „Es ist ja am Anfang vonseiten der Finanzbehörde nicht alles optimal gelaufen.“

Die Unsicherheit ist bei vielen Steuerpflichtigen mit Händen zu greifen

Die Kritik ist weiterhin groß. „Die Mandanten müssen Fakten aus alten Unterlagen heraussuchen und Angaben machen, die jahrzehntelang keinen interessiert haben.“ Das größte Problem stellen wohl Eigentumswohnungen dar. Hier stellt sich oft die Frage, wie groß der jeweilige Miteigentumsanteil ist. „Diesen Wert müssen viele erst einmal suchen“, berichtet Stein.

Volker Riechert ist derzeit ein gefragter Mann. Der Dozent reist kreuz und quer durch die Lande und möchte in seinen Kursen die Bürger so weit bringen, dass sie ihre Steuererklärung selbst ausfüllen können. Er bestätigt: Die Unsicherheit ist mit Händen zu greifen. Ich könnte an jedem Tag sechs Kurse geben.“ Riechert hat ebenso die Erfahrung gemacht, dass alle die Abgabe auf den letzten Drücker machen wollen, „aber dieser Termin rückt jetzt näher“. Während manch einer den baden-württembergischen Sonderweg bei die Grundsteuerreform kritisiert hat – er sei ungerecht, weil er sich nur auf die Grundstücksgröße bezieht –, verteidigt Riechert diese Lösung ausdrücklich. „Der Sonderweg ist extrem gut, weil er unbürokratisch ist.“

In anderen Bundesländern müssen deutlich Angaben gemacht werden

Konkret heißt dies, dass im einfachsten Fall nur fünf Angaben zum Grundstück wie etwa Größe, Lage oder Flurstücknummer notwendig sind. In anderen Bundesländern müssen deutlich detailliertere Angaben etwa zum Baujahr des Gebäudes oder zur Wohnfläche gemacht werden, was manch einen vor Probleme stellt, wenn er etwa keine Baupläne hat. Riechert: „Ich habe Herrn Kretschmann und seinen Kumpanen in meinen Kursen schon oft gedankt. Alles, was pauschal verrechnet wird, ist natürlich nicht so gerecht, wie wenn alles ganz genau erfasst wird. Aber man muss den Mittelweg finden. Und der Grundsteuerbetrag ist nicht so viel, dass man daran zugrunde geht. Die Einfachheit, die ich gut finde, geht zulasten der Gerechtigkeit, aber das nehme ich in Kauf.“

Nun gut, wenn die Erklärung so einfach ist, warum haben dann so viele Probleme damit? Riechert räumt ein, dass es Beispiele gibt, bei denen er eine Erklärung in fünf Minuten abhaken kann. Aber er gibt zweierlei zu bedenken. Erstens: Das funktioniert nur, wenn es sich um ein unkompliziertes Grundstück und einfache Eigentumsverhältnisse handelt. Und zweitens: Es gelingt ihm auch nur deshalb, weil er die 30-seitige Anleitung zur Grundsteuererklärung intensiv studiert hat, er spricht von 30 Stunden. „Leute, die schon mit Elster Erfahrung haben und nur ein ,einfaches‘ Haus besitzen, die haben wenig Probleme.“

Erst bei der Plausibilitätsprüfung wird klar, die Felder sind keine Pflichtfelder

Ärgerlich ist, dass viele Felder keine Pflichtfelder sind, dies aber nirgends steht. Wer sie überspringt, dem wird erst am Ende bei der Plausibilitätsprüfung angezeigt: kein Fehler. Eines dieser Nichtpflichtfelder ist die Steuernummer. Heber beklagt, dass viele Rückfragen beim Finanzamt dazu Arbeitskraft binden: „Etliche wollten eine Steuernummer beantragen, obwohl sie keine brauchen, zum Beispiel Rentner. Für die Grundsteuererklärung benötigen wir nur die Angaben, die jeder auf seinem Anforderungsschreiben erhalten hat, also das Aktenzeichen und die Steueridentifikationsnummer. Wenn man keine Steuernummer hat, dann hat man keine“, so Heber.

Eine der häufigsten Fragen lautet, ob all jene, die mit der Software der Finanzverwaltung nicht klarkommen, die Erklärung auf Papier abgeben dürfen. Die Antwort ist eindeutig: Ja, sie dürfen. Heber formuliert es so: „Derjenige, der kein Computerwissen oder keinen Computer daheim hat, von dem kann niemand die elektronische Abgabe erwarten.“ Für diesen zunehmend geringeren Personenkreis gibt es Papierformulare. Heber will jedoch keine Empfehlung in diese Richtung abgeben: „Wer Elster kann, soll Elster machen.“ Andernfalls müssen die Formulare erst gescannt und umständlich ins elektronische System übertragen werden, viel Mehrarbeit für die Finanzbehörde.

Sehr viele setzen auch auf die Lohnsteuerhilfevereine, bei denen sie üblicherweise ihre Einkommensteuererklärung machen. Doch all diese werden enttäuscht, denn die Vereine dürfen in diesem Fall nicht helfen. Für Martina Reichert-Stettner vom Backnanger Verein Lohnsteuerhilfe ist dies ein Ärgernis. Ihr Verein darf nur bei bestimmten Bereichen des Einkommensteuergesetzes beraten, nicht aber bei anderen Gesetzen, zu denen zum Beispiel die neue Grundsteuer gehört, dafür fehlt ihm die sogenannte Beratungsbefugnis. Insofern betrachtet sie es auch als unglücklich, wenn auf dem Infoblatt des Finanzamts steht, dass sich Bürger bei Fragen an ihren „steuerlichen Berater“ wenden sollen. Mindestens 1000 Anfragen gab es bereits beim Backnanger Verein. Des einen Freud, des anderen Leid. Riechert freut sich: „Deswegen sind die Kurse auch so begehrt. Sobald die Bürger von Kursen wie dem meinen erfahren, werden die Veranstalter regelrecht geflutet.“

Grundsteuerreform

Reform Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Reform der Grundsteuer innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist ist der Bundesgesetzgeber seiner Verantwortung gerecht geworden, die Grundsteuer als bedeutende Einnahmequelle für die Städte und Gemeinden zu erhalten. Städte und Gemeinden können weiterhin auf diese wichtige Einnahme bauen, um Schulen zu sanieren, Straßen und Spielplätze zu bauen sowie Feuerwehr und Krankenhäuser vorzuhalten.

Grundbesitz Der Grundbesitz wird unterteilt in bebaute Grundstücke und landwirtschaftliche Flächen. Aktuell geht es nur um bebauten Grundstücke, die Äcker und Wiesen folgen erst noch. Steuerpflichtig ist, wem das Grundstück am 1. Januar 2022 gehört hat. Wurde es inzwischen verkauft, ist dennoch der Altbesitzer zuständig. Der Backnanger Notar Sebastian Frömel weiß, wie genervt alle sind. Bei jedem zweiten Kaufvertrag fragt der Verkäufer: „Gell, des mit der Grundsteuer macht doch jetzt der Käufer?“

Tipps Das etwa acht Minuten lange Erklärvideo des Stuttgarter Finanzministeriums ist sehr anschaulich und gut verständlich. Das Video ist unter www.grundsteuer-bw.de abrufbar. Auf dieser Seite gibt es zudem „Ausfüllhilfen Elster“ mit Anleitungen zu den häufigsten Fragen. Sehr hilfreich ist auch die Seite Boris-BW, sie ist das zentrale Bodenrichtwertinformationssystem der Gutachterausschüsse in Baden-Württemberg. Die Adresse lautet www.gutachterausschuesse-bw.de/borisbw.

Vortrag Am Montag, 10. Oktober, veranstaltet die VHS Murrhardt den Kurs Grundsteuererklärung. Diplom-Kaufmann Volker Riechert zeigt den Teilnehmern, wie auf elektronischem Weg über „Mein Elster“ die Grundsteuererklärungen zu fertigen sind. Damit werden die Teilnehmer auf das Prozedere vorbereitet. Riechert ist Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirt. Der Kurs kostet 65 Euro. Anmeldung: https://vhs-murrhardt.de, E-Mail an info@vhs-murrhardt.de oder Telefon 07192/9358-11.

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Erstellt:
7. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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