Gute Apfelernte trotz Wetterkapriolen im Raum Backnang

Die Apfelbauern im Raum Backnang sehen trotz Frost, Nässe und Trockenheit im Jahresverlauf mit Zuversicht der Ernte entgegen. Während der Hochphase der Ernte sind 56-Stunden-Wochen etwa im Strümpfelbacher Betrieb Obstbau Körner ganz normal.

Ute und Martin Körner leeren die Pflückkisten vorsichtig in die Großkisten aus. Noch haben sie die Ruhe weg und genießen die ersten Pflückdurchgänge. Das ändert sich nächste Woche, wenn die Haupterntezeit beginnt und die Erntehelfer eintreffen. Foto: Dietmar van der Linden

© Dietmar van der Linden

Ute und Martin Körner leeren die Pflückkisten vorsichtig in die Großkisten aus. Noch haben sie die Ruhe weg und genießen die ersten Pflückdurchgänge. Das ändert sich nächste Woche, wenn die Haupterntezeit beginnt und die Erntehelfer eintreffen. Foto: Dietmar van der Linden

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Apfelernte nimmt auch im Raum Backnang allmählich Fahrt auf. Und obwohl dies für die Obstbauern die stressigste Phase des gesamten Jahres einläutet, ist Martin Körner bislang völlig tiefenentspannt. Die wenigen Äpfel seiner Frühsorten pflücken er und seine Frau Ute noch alleine. Doch lange geht dies nicht mehr so ruhig zu. Sobald die Haupternte einsetzt, beschäftigt der Strümpfelbacher Obstbauer bis zu zwölf Mitarbeiter, die dann an sechs Tagen pro Woche jeweils bis zu neun Stunden am Schwitzen sind.

Gestern war es noch nicht so weit. Körner steht mit seiner Frau in einer Parzelle südlich von Strümpfelbach und erntet prächtige Exemplare der Sorte Delbarestivale. Es handelt sich um den „ersten vernünftigen Frühapfel, der auch lagerbar ist“, erklärt der 61-Jährige. Mindestens drei Erntedurchgänge sind nötig. Bei jeder Runde bricht Körner nur diejenigen Früchte aus, die schon eine rote Stelle aufweisen und somit anzeigen, dass sie das richtige Reifestadium haben. Klar, Körner könnte auch mit seinem Refraktometer den Zuckergehalt oder mit dem Penetrometer die Festigkeit des Fruchtfleischs messen oder mit Kaliumjodit testen, wie sehr das Fruchtfleisch reagiert und die Stärke bereits in Zucker umgewandelt wurde. Aber all dies braucht der erfahrene Obstbauer nicht, er weiß auch so, für welche Äpfel jetzt der richtige Erntezeitpunkt gekommen ist. Die anderen bleiben noch hängen. Körner wünscht sich einen richtigen Altweibersommer mit schönen Tagen und kühlen Nächten. So etwa sechs bis sieben Grad Celsius in der Nacht, „das würde rote Bäckchen bringen“.

Die Pflücker können die Kisten blind befüllen und müssen sich nicht bücken

Für die Ernte ist der Betrieb perfekt ausgerüstet. Auf einem Erntezug, der von einem Schmalspurschlepper gezogen wird, stehen vier Großkisten, die jeweils 300 Kilogramm Äpfel aufnehmen können. Diese Kisten können im Kühlhaus oder Lager zehnfach übereinandergestapelt werden. Rechts und links hängen oben in den Großkisten viel kleinere Pflückkisten. Hier legen die Erntehelfer die Früchte vorsichtig ab. Das hat viele Vorteile. Die Pflücker können die Kisten blind befüllen und müssen sich nicht bücken. Und jeder Apfel wird sanft abgelegt, sodass keine Druckstellen entstehen. Ist eine Kiste voll, so wird sie nicht etwa ausgekippt, sondern an der tiefsten Stelle der Großkiste entleert, indem der Boden gelöst und die Kiste angehoben wird.

Doch in der perfekt gepflegten Anlage wachsen die Spindelbäume über drei Meter hoch. Um die oberen Äpfel bequem pflücken zu können, hat Körner zwei selbstfahrende Bühnen. Sie rollen mit Sensoren ausgestattet von alleine durch die schier endlosen Gassen, während sich die Besatzung voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren kann. Das ist nötig, müssen in den etwa zwei Monaten während der Haupternte doch auf 14 Hektar Fläche etwa 40.000 Bäume abgeerntet werden, in der Regel mit drei Durchläufen.

Damit dies klappt, müssen die Mitarbeiter perfekt mitspielen. Die Arbeitskräfte, die meist aus Polen oder Rumänien extra für die Ernte anreisen und zwölf Euro Mindestlohn bekommen, wollen ausgelastet sein. Verschiebt sich die Ernte, etwa wegen Regen, so kann er seine Mitarbeiter zwei, drei Tage mit anderen Arbeiten versorgen. Dann aber wird es eng. Weshalb der Geschäftsmann sagt: „Die Arbeit bereitet mir keinen Stress, aber der Leerlauf.“ Wenns aber richtig läuft, dann beschwert sich keiner, bestätigt Körner. Dann sind die zwei Arbeitsbühnen und drei Erntezüge ständig im Einsatz. „56 Stunden – das ist bei uns in dieser Zeit eine normale Arbeitswoche.“

„Der Ertrag ist über alle Sorten hinweg sehr schön“

Im Seehof sieht der Nebenerwerbslandwirt Dietmar Kraus in diesem Jahr die Trockenheit als das größte Problem an. Er hat etwa 70 Kubikmeter Wasser zu seiner Apfelplantage bei Strümpfelbach gefahren, das hat geholfen: „Der Ertrag ist über alle Sorten hinweg sehr schön. Die Äpfel sind zwar noch etwas klein, aber sie haben auch noch etwas Zeit zum Wachsen.“

Die Trockenheit hat Körner weniger Arbeit bereitet, seine Anlagen sind fast komplett mit einer Tropfbewässerung ausgestattet. Wo nicht, da war auch er gefordert und musste Wasser fahren. Doch das hatte sich Mitte Juli erledigt. „Vom 10. Juli bis heute hatten wir hier 177 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Das war hochnotwendig, aber jetzt reichts.“ Hätte er einen Wunsch frei, so würde er sich alle 14 Tage einmal 20 Liter Regen wünschen, „am besten nachts, dann können wir tagsüber pflücken“, bemerkt er mit einem verschmitzten Lächeln.

Während Körner trotz allen Witterungskapriolen von einer durchschnittlichen Ernte ausgeht, rechnet Lukas Adrion mit einer mittelmäßigen. Der Biobauer aus Mittelschöntal erinnert daran, dass das Frühjahr sehr regnerisch war und somit – was den Wasserhaushalt im Boden angeht – gute Verhältnisse vorgeherrscht hätten. Allerdings war dadurch auch der Blütenansatz nur mittelmäßig. Die Bäume auf seinen acht Hektar großen Apfelplantagen sind zwar vom Frost verschont geblieben, aber die kühle und regnerische Witterung hat die Blüte beeinträchtigt. Auch Adrion hat seine frühen Sorten bereits geerntet, so wie etwa Summercrisp, einen Apfel, der nur wenige Wochen lang lagerbar ist. Aktuell pflücken er und seine Mitarbeiter die Sorte Santana.

Körner spricht vom Traumberuf Obstbauer, er verweist aber auch auf Aspekte, die er nicht beeinflussen kann. „Als Obstbauer lernt man Demut. Auch wenn ich überall Hagelnetze gespannt habe, es liegt vieles nicht in meiner Hand, meine Werkstatt liegt halt doch in der freien Natur.“

Bundesweit wird mit einer Apfelernte von 889.000 Tonnen gerechnet

Qualität und Qualität Die Qualität der Apfelernte ist insgesamt als durchschnittlich einzuschätzen. Im Tafelobstanbau variieren die Erntemengen je nach Sorte und Lage. Dort, wo es durch die Spätfröste (zwei Frostnächte im April) Schäden gegeben hat, sind die Erträge geringer, insgesamt kann die Menge als durchschnittlich bis leicht unterdurchschnittlich beurteilt werden. Im Streuobstbau ist dagegen von einem unterdurchschnittlichen Ertrag auszugehen. Ursache ist neben dem Frost die Alternanz der Obstbäume; auf ein Jahr mit hohen Erträgen folgt ein Jahr mit geringen Erträgen.

Erntestart Die Ernte im Tafelobstanbau hat mit den Frühsorten wie Delbarestivale bereits begonnen. Aktuell steht die Ernte von Elstar und der Birnensorte Williams Christ an. Der Start der Haupternte mit Gala und Rubinette wird gegen Anfang September liegen und die Ernte sich dann mit den späteren Sorten wie Fuji oder Braeburn bis Mitte Oktober hinziehen.

Wetterauswirkungen Zwei Frostnächte im April haben sorten- und lagenweise zu Schäden geführt. Die zahlreichen Niederschläge im Frühjahr haben zu einem hohen Infektionsdruck in Bezug auf Apfelschorf geführt. Nach der extremen Trockenperiode von Mitte Mai bis Ende Juli waren die zahlreichen Niederschläge im August förderlich für das Wachstum und die Reife. Die Blüte hat sich aufgrund der Witterung länger hingezogen und es gab einen geringeren Bienenflug, was sich negativ auf den Ertrag ausgewirkt haben kann. Wegen der aktuellen Hitzeperiode besteht die Gefahr von Sonnenbrand, schlechterer Ausfärbung und Ertragseinbußen.

Ernte Trotz niedrigerer Erwartung bleiben Äpfel das mit Abstand am meisten geerntete Baumobst in Deutschland. Die Obstbaubetriebe erwarten eine Apfelernte von rund 889000 Tonnen. Wie das Statistische Bundesamt nach einer Schätzung vom Juli mitteilt, werden damit in diesem Jahr voraussichtlich 182.000 Tonnen weniger Äpfel geerntet (-17 Prozent) als im ertragreichen Vorjahr. Gegenüber dem zehnjährigen Durchschnitt wird die diesjährige Apfelernte nach ersten Prognosen um 92.000 Tonnen (9,4 Prozent) niedriger ausfallen. Äpfel werden bundesweit auf einer Fläche von 33.000 Hektar erzeugt. Die wichtigsten Anbaugebiete liegen in Baden-Württemberg (Bodenseeregion), Niedersachsen (Altes Land) und in Sachsen.

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Erstellt:
23. August 2023, 06:00 Uhr

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