Gymnasiallehrer fordern Schulschließung bis Osterferien
dpa/lsw Stuttgart. Das Coronavirus infiziert immer mehr Bereiche des Lebens im Südwesten. Die Wirtschaft leidet. Immer mehr Einrichtungen sagen Veranstaltungen ab. Das Elsass ist offizielles Risikogebiet. Lehrer fordern geschlossene Schulen im ganzen Land bis Ostern.
Die Gymnasiallehrer im Südwesten fordern wegen des Coronavirus eine präventive Schließung aller Schulen bis zu den Osterferien. „Wenn nicht sofort drastische Maßnahmen zur Eindämmung eingeleitet werden, könnten in drei Wochen in Baden-Württemberg Zehntausende infiziert sein“, teilte der Philologenverband am Mittwoch mit. Die Gesundheitsämter handelten völlig uneinheitlich. Außerdem könnten die Schulen nicht wirksam überprüfen, ob Schüler in den Faschingsferien in Risikogebieten waren - etwa im Ski-Urlaub in Südtirol. Alle Schulen müssten bis zum 3. April geschlossen werden.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) spricht sich weiterhin gegen pauschale Schulschließungen aus. „Dass der Philologenverband nun den Ausnahmezustand ausruft, halte ich für unverantwortlich“, teilte sie mit. „Unser Kurs ist, dass wir weiterhin besonnen, lageorientiert und auf Basis der Einschätzung der Gesundheitsämter vor Ort agieren.“
Nach Bayern und vielen weiteren Bundesländern hat auch Baden-Württemberg Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) hatte am Dienstag eine Verordnung angekündigt, die am Mittwoch veröffentlicht werden sollte. Die Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 infizierten Patienten im Südwesten stieg bis Dienstagabend auf 277.
Einschränkungen und Absagen machen der Wirtschaft in Baden-Württemberg schwer zu schaffen. Nach Einschätzung des Regierungspräsidiums Freiburg sind besonders Unternehmen im deutsch-französischen Grenzgebiet betroffen. Da das Elsass am Mittwoch vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft wurde, müsse nun mit weiteren Auswirkungen gerechnet werden, sagte ein Sprecherin der Behörde in Freiburg. Pendler aus dem Elsass, die in Deutschland arbeiten, sollten zunächst nach Möglichkeit für 14 Tage zu Hause zu bleiben. Dies gelte auch für Menschen, die zum Einkaufen oder für Freizeitaktivitäten über die Grenze nach Deutschland kommen.
Auch die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe berichtete von Anfragen besorgter Unternehmen wegen der Situation im Elsass. Die höchste Pendlerzahl im Bereich Mittlerer Oberrhein hat der Kreis Rastatt mit 5100. Ein Sprecher der Handwerkskammer Karlsruhe sagte, es gebe vermehrt Nachfragen wegen der Virus-Auswirkungen ganz allgemein - es gehe um arbeitsrechtliche Fragestellungen wie Verdienstausfall oder Lohnfortzahlung.
Unternehmen, die mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen haben, können auf Rückendeckung aus der Politik setzen. Die Fraktionen im Landtag waren sich in einer aktuellen Debatte weitgehend einig, dass nun schnelle und unkomplizierte Hilfe für die Wirtschaft gefragt ist - unter anderem mit Geld aus Haushaltsrücklagen. Wie genau die Hilfen und auch die langfristige Wirtschaftspolitik aussehen sollen, war dagegen umstritten.
Das Hilfspaket, das die Bundesregierung angekündigt hat und das unter anderem den Zugang zur Kurzarbeit erleichtern soll, stieß auf Zustimmung, geht vielen im Land aber nicht weit genug. Zur Debatte stehen auch Liquiditätshilfen, Steuerstundungen, Bürgschaften, Überbrückungskredite und Investitionsprogramme der öffentlichen Hand. Mögliche Steuersenkungen für Unternehmen stießen auf heftigen Widerspruch der SPD.
Der Landtag hat alle Einladungen für Besuchergruppen und Veranstaltungen im Haus bis 17. April abgesagt. „Gesundheit hat oberste Priorität“, begründete Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) die Entscheidung. Plenar- und Ausschusssitzungen fänden weiter statt - nur ohne Besucher.
Die Stadt Bad Herrenalb (Kreis Calw) hat für die Monate März und April alle städtischen Veranstaltungen abgesagt. Das Verkehrsministerium hat nachgeordnete Behörden zur Vermeidung von Versorgungsengpässen darum gebeten, auf eine Kontrolle des Sonn- und Feiertagsfahrverbots bis 5. April zu verzichten.
Die nach Veranstalterangaben größte Regionalmesse Deutschlands, der Mannheimer Maimarkt vom 25. April bis 5. Mai, wird den aktuellen Planungen zufolge nicht stattfinden. Der „Mannheimer Morgen“ berichtete darüber. Im vergangenen Jahr hatte die Messe 334 000 Besucher angelockt. Zuletzt war die bis ins 17. Jahrhundert zurückgehende Verbraucherschau im Zweiten Weltkrieg ausgefallen.
Auch die Messe Friedrichshafen spürt die Auswirkungen durch das Corona-Virus massiv. Mit der Verbraucherschau „IBO“ und der Luftfahrtmesse „Aero“ wurden bereits zwei große Veranstaltungen mit Zehntausenden Besuchern verschoben, dazu kamen mehrere kleinere Schauen. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden ist, könne man derzeit noch nicht beziffern, sagte ein Sprecher.
Deutschlands größter Freizeitpark, der Europa-Park in Rust nahe der Grenze zu Frankreich, werde seine diesjährige Sommersaison wie geplant am 28. März starten, sagte eine Sprecherin. Einzelne Wartebereiche würden umgestaltet, um Menschen eine größere Distanz zueinander zu ermöglichen. Zudem seien erste Großveranstaltungen in dem Park abgesagt worden, unter anderem die für Anfang April geplante Verleihung des Radio-Regenbogen-Awards. Die ganzjährig betriebene Wasserwelt „Rulantica“ bleibe unverändert geöffnet.
Es habe seit dem Coronavirus keine nennenswerten Besucherrückgänge gegeben, sagte die Sprecherin. Mit Blick auf das Personal werde neu geplant. Rund die Hälfte der Beschäftigten in dem Wasserpark komme aus Frankreich. Über geänderte Dienstpläne und den Einsatz anderer Mitarbeiter würden mögliche personelle Ausfälle ausgeglichen.