Sozialbeiträge auf Kapitalerträge?
Habecks Vorschlag – und die Frage, wer am Ende mehr zahlen müsste
Die FDP warnt vorm „Habeck-Klau“, die Grünen halten das für großen Quatsch. Was hat Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck tatsächlich vorgeschlagen? Und was steckt hinter der Idee, Kapitalerträge sozialversicherungspflichtig zu machen?
Von Tobias Peter
Sollen auch Einkünfte aus Kapitalerträgen für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen herangezogen werden? Das hat Wirtschaftsminister und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck vorgeschlagen – und damit heftige Kritik ausgelöst. Worum geht es genau? Das Wichtigste zur Debatte in Fragen und Antworten.
Was hat Habeck gesagt?
Es sind im Wesentlichen sechs Worte, die für große Aufregung gesorgt haben. „Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen.“ So hat es Habeck in einem ARD-Interview gesagt. Er kritisierte, dass Kapitalerträge bisher von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Arbeitslöhne würden also stärker belastet als Kapitalerträge. Wenn auch diese einbezogen würden, sei dies ein Schritt hin zu mehr Solidarität.
Wen würde das treffen?
Das ist die große Frage – Habeck hat hier einen Vorschlag in den Raum gestellt, ohne dass es Details gäbe. An der Frage der möglichen Auswirkungen hat sich nun die Debatte entzündet. So hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) gewarnt, belastet werde vor allem die Mittelschicht. „Millionäre und Milliardäre würde dies nicht treffen, da die Krankenversicherungsbeiträge eben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind“, sagte der Vorstandsvorsitzende der SdK, Daniel Bauer, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Grünen selbst wiederum betonen, der Kleinsparer, der privat fürs Alter vorsorge, werde nicht belastet.
Auf wen zielt Habecks Vorschlag laut seiner eigenen Partei?
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hat im Interview mit dem Deutschlandfunk gesagt, es gehe um die Menschen, die eine Million Euro auf dem Konto liegen hätten und von den Erträgen leben könnten. Hintergrund ist die Idee, die Finanzierung der Krankenversicherung generell auf eine breitere Grundlage zu stellen. „Auf dem Weg hin zu einer Bürgerversicherung werden wir neben den gesetzlich Krankenversicherten auch die Privatversicherten in den solidarischen Finanzausgleich des Gesundheitssystems einbeziehen“, heißt es im Wahlprogramm der Grünen. Dort wird zudem ausgeführt: „Die Beitragsbemessung werden wir reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems heranziehen.“ Damit, so die Grünen, würden auch Löhne und Gehälter vor höheren Beitragsabgaben geschützt. Klar ist aber: Das, was die Grünen hier präsentieren, ist eher ein grober Grundgedanke. Die Übersetzung in die Realität würde viele Fallstricke beinhalten.
Was sagen andere Parteien?
Am schärfsten ist der Widerspruch vom früheren Partner in der Ampelkoalition, der FDP. Deren Chef Christian Lindner hat vor einem „Abkassieren der Mittelschicht“ gewarnt. Der frühere Justizminister Marco Buschmann sprach vom „großen Habeck-Klau“. CSU-Chef Markus Söder warf den Grünen vor, sie wollten nicht nur Steuern erhöhen, sondern jetzt auch noch an weitere Erträge der Menschen ran. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte, es sei besser, Privatversicherte an der Solidarität zu beteiligen. Für die Grundsatzidee, Beiträge zur Krankenversicherung auch auf Kapitalerträge zu erheben, gab es aber auch Unterstützung, etwa vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Auch der Arbeitnehmerflügel der CDU, die CDA, zeigte sich grundsätzlich offen dafür, langfristig über Reformen zur Finanzierung der Sozialversicherung nachzudenken.
Warum wird über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung debattiert?
Die Beiträge steigen – und es droht, auch künftig so weiterzugehen. Das ist angesichts der Alterung der Gesellschaft und des medizinischen Fortschritts auch wenig überraschend. Die Frage nach zusätzlichem Geld und anderen Finanzierungswegen wird sich also in den kommenden Jahren voraussichtlich immer wieder stellen. Gesundheitsminister Lauterbach hat allerdings auch gesagt: „Das deutsche Gesundheitswesen ist das teuerste in Europa, weil es in vielen Bereichen nicht effizient ist.“ Die Frage wird also, jetzt und in Zukunft auch sein, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, damit Geld nicht im System versackt.