Hoffnung für chronisch Kranke
Haben Forscher die Ursache von Morbus Crohn entdeckt?
Die Auslöser der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn waren bisher erst in Teilen bekannt. Jetzt könnten Forscher aus München die grundlegende Ursache gefunden haben.
Von Markus Brauer
Die Namen der Erkrankungen klingen seltsam: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Nach Angaben der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) leiden in Deutschland rund 320 000 Menschen unter diesen beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Die Neuerkrankungsrate liegt bei etwa 5 pro 100 000 Einwohnern pro Jahr. Die Erkrankungshäufigkeit ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen.
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn
Bei der Colitis ulcerosa treten die Entzündungen als kleinere und größere Geschwüre im Dickdarm auf. Beim Morbus Crohn ist meistens der letzte Teil des Dünndarms, des Dickdarms und der Darmwand betroffen, aber auch andere Teile des Verdauungstrakts. Der Magen-Darm-Trakt ist dadurch chronisch entzündet. Betroffene leiden typischerweise unter Durchfall, Bauchschmerzen und Fieber.
Gegen die Symptome erhalten sie entzündungshemmende Medikamente, eine Heilung ist jedoch nicht möglich. Häufig sind auch Gelenkbeschwerden, Augenleiden und krankhafte Veränderungen der Haut. Morbus-Crohn-Patienten haben auch ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken.
Langwierige Suche nach Ursache der Beschwerden
Wie die Entzündung der Darmwand zustande kommt, ist nicht vollständig geklärt. Die Ursachen der Erkrankung sind bisher nicht bekannt. Forscher wissen bisher nur, dass genetische und Umweltfaktoren beteiligt sind. Seit einigen Jahren ist zudem bekannt, dass sich bei Entzündungserkrankungen die Zusammensetzung der Mikroben im Darm verändert.
Das gilt auch für Morbus Crohn. Wissenschaftler vermuten, dass diese Veränderungen der Darmflora die Verdauungsbeschwerden und Entzündungen verursachen.
Welche Rolle spielen Darmflora und Darmepithel?
Doch wie kommt es zu dem veränderten Mikrobiom? Das hat ein Forscherteam um Elisabeth Urbauer von der Technischen Universität München (TUM) jetzt genauer untersucht. Die Experten sind vor allem der Frage nachgegangen, wie die Darmflora mit dem Darmepithel zusammenhängt.
Zur Info: Diese Zellschicht ist ein Teil der Darmwand und kleidet die Innenseite des Darms Darms aus. Zugleich nimmt sie Nährstoffe aus der Nahrung auf und wehrt Krankheitserreger ab. Das Darmepithel spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Wasser, Elektrolyten und Nährstoffen.
Kraftwerke der Darmzellen im Fokus
Welchen Einfluss haben die Mitochondrien auf die Funktion des Darmepithels? Die kleinen Zellorganellen bilden ein Netzwerk im Organismus und gelten als Kraftwerke und Energieversorger der Zellen. In ihnen sind Erbgut und Proteine in Komplexen organisiert – den mitochondrialen Nukleoiden. Bei Patienten mit chronischen Darmentzündungen wie Morbus Crohn arbeiten die Mitochondrien der Zellen der Darmschleimhaut nicht optimal.
Bei Experimenten mit Mitochondrien von Mäusezellen entdeckten die Wissenschaftler, dass durch defekte Mitochondrien ähnliche Gewebeschäden im Darmepithel auftreten wie bei Morbus Crohn. Zudem waren in den Darmzellen der Nager ähnliche Stressgene aktiv wie sie für manche Stadien der Krankheit typisch sind.
Liegt die Ursache für Morbus Crohn in den Mitochondrien?
Dies bestätigt die Vermutung, dass bei Morbus Crohn die Mitochondrien der Darmzellen nicht richtig funktionieren, resümieren die Mediziner.
Auch die Zusammensetzung der Mikroorganismen war bei den behandelten Mäusezellen anders als bei gesunden Tieren. Insbesondere breiteten sich mehr Bakterien der Gattung Bacteroides aus. Demnach könnten Störungen in den Mitochondrien Gewebeschäden im Darm und Änderungen im Mikrobiom auslösen.
Hoffnung auf neue Medikamente gegen Morbus Crohn
Die Studie könnte Ansätze für neue Therapien bei Morbus Crohn bedeuten. „Die große Hoffnung ist, dass man Wirkstoffe findet, die die Funktionalität gestörter Mitochondrien wiederherstellen, sie also sozusagen reparieren, und so die Darmschädigung als Auslöser für chronische Entzündungsprozesse begrenzt,“erklärt Seniorautor Dirk Haller von der TUM.
Und der Mediziner betont: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Arzneien, die auf die mitochondrialen Stoffwechselwege einwirken oder die Verbindungen zwischen Mikrobiom und Mitochondrien angehen, ein Schlüsselelement zu einer besseren Behandlung sein könnten.“