Hart in der Sache, verbindlich im Ton

Vom 1. April an gilt das Fahrverbot auch für Stuttgarter – Großer Andrang bei Telefonaktion

Stuttgart „Das Fahrverbot macht mir körperliche Schmerzen. Tag für Tag“, sagt eine Leserin aus Stuttgart-Degerloch, für die ihre kleine Degerlocher Welt nicht mehr in Ordnung ist, seit die Landesregierung ihr untersagt, ihren alten, aber „pfennigguten“ Audi innerhalb Stuttgarts oder von ihrer Straße aus Stuttgart hinauszubewegen. Und dieses Unbehagen wird mit jedem Tag größer, an dem das Fahrverbot für Stuttgarter Euro-4-Dieselfahrer näher rückt. Am 1. April ist es so weit.

So wie diese Dame empfinden offensichtlich viele Anruferinnen und Anrufer, die sich an der Telefonaktion unserer Zeitung zum Thema Fahrverbot beteiligen. Eigentlich wollte sie ihre Kritik beim Verkehrsminister Winfried Hermann anbringen, sagt die Anruferin. Da dessen Telefon jedoch keine Sekunde stillsteht, sucht sie das Gespräch mit den Vertretern der Redaktion, die Hermann und die städtische Expertin für Ausnahmegenehmigungen, Gisa Gaietto, anschließend damit konfrontieren.

Etwa mit dem Fall einer Dame aus Leinfelden-Echterdingen. Ihre Freundin arbeite in einer Behinderteneinrichtung in Birkach, bekomme aber keine Ausnahmegenehmigung für die Fahrt zur Arbeit, erzählt sie. Ihre Kollegin wiederum, die in derselben Situation stecke, habe eine bekommen. Sie fragt, ob da mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen worden sei. Oder mit dem Fall einer 74-jährigen Leserin aus Jettingen bei Herrenberg. Ihr geht es um die wöchentliche Grabpflege. Sie habe ihrer Schwester schon gesagt, dass „wir die Gräber unserer Eltern in Vaihingen aufgeben müssen, wenn wir keine Ausnahmegenehmigung bekommen“, sagt sie am Telefon. Ohnehin fahre sie nur noch 5000 Kilometer im Jahr mit ihrer Mercedes-B-Klasse. Sie versteht nicht, warum sie den elf Jahre alten Wagen nicht weiternutzen dürfe, bis sie demnächst ohnehin ihren Führerschein abgebe.

Andere Senioren befürchten, dass ihre erwachsenen Kinder sie nicht mehr besuchen könnten. Dazu zählt eine Dame aus Riedenberg. Ihr Sohn arbeite als Fotograf im Wendland und habe ab und zu auch Aufträge in Stuttgart, berichtet sie. Dann wohne er bei ihr. Seinen Mercedes Sprinter könne er jedoch unmöglich vor der Stadtgrenze parken, da in ihm die teure Fotoausrüstung lagere. Daher brauche er eine Ausnahmegenehmigung für sein Fahrzeug. Jeder Fall ist anders gelagert. Diese Erfahrungen machen Hermann, Gaietto und ihre Mitarbeiter täglich. Und doch gibt es Betroffenheitsmuster, die sich ähneln. Auch an diesem Nachmittag im Pressehaus. Viele Anrufer wohnen in Randlagen und haben kein Verständnis dafür, dass sie ihr Auto dort nicht mehr bewegen dürfen.

Der Spielraum für Ausnahmegenehmigungen, so zeigt sich, ist begrenzt. Hermann weist gleichzeitig darauf hin, dass Ausnahmen dazu führen, dass Regeln inkonsistent werden – etwa wenn Pendler Park-and-ride-Parkhäuser ansteuern, Anwohner mit Euro-4-Dieseln jedoch nicht fahren dürfen. Eine schwierige Diskussion, wie Hermann einräumt. Für die Situation macht der Minister die Bundesregierung verantwortlich, die verhindert habe, dass eine Blaue Plakette eingeführt wird, die, so vermutet Hermann, bei den Autofahrern eher Akzeptanz gefunden hätte.

Auffällig ist der sachliche Ton, der an diesem Nachmittag herrscht. Keine ungebührliche Wortwahl am Telefon trotz verbreiteten Frusts, stattdessen präzise vorgetragene Fragen und begründete Kritik, die auf interessierte Ohren stieß.

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Erstellt:
28. März 2019, 03:04 Uhr

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