Hauptsache dramatisch
Die Debatte über Fahrverbote wirft ein Schlaglicht auf die Tricks der Umweltbürokratie
Wer als Journalist der Pressestelle des baden-württembergischen Umweltministeriums eine kritische Frage zu einem umweltpolitischen Vorhaben stellt, der kann dort schon mal auf totales Unverständnis stoßen. „Ich verstehe die Frage nicht“, so ein Sprecher, „Sie sind doch auch für Umweltschutz, oder?“ Mit dieser Masche ist die Umweltbürokratie bisher sehr gut gefahren: Wir sind die Guten, lautet ihr Motto, Zweifel an unserem Tun sind nicht erlaubt.
Peinlich nur, dass in der Debatte über Fahrverbote nun auch anderes ans Licht kommt: Grenzwerte, die aus der Luft gegriffen sind. Tote, die es nur auf dem Papier gibt. Merke: Nicht nur die Autoindustrie ist trickreich und erfinderisch, wenn es um ihre Interessen geht. Auch die Umweltbürokratie ist mit allen Wassern gewaschen. Die einen wollen Autos verkaufen, die anderen buhlen um Steuergeld und Personalstellen. Die Umweltbürokratie ist diesbezüglich nicht schlimmer als andere Verwaltungszweige, die stets ihre eigene Existenz mit im Blick haben. Aber sie ist eben auch nicht besser.
Der Bürger darf sich oft zu Recht verkohlt fühlen: Die sogenannte Energiewende ist viel teurer als in Aussicht gestellt. Der Nutzen fürs Klima geht gegen null, die versprochenen neuen Jobs sind oft in China. Auf die Fahrverbote in Stuttgart und anderswo könnte man verzichten, weil die Lungenforscher selbst nicht so genau wissen, ab welchem Wert es konkret gesundheitsschädlich wird. Für die Theoretiker unter den Forschern macht das zwar keinen Unterschied: Schließlich sei das Stickoxid in der Luft irgendwie und auf jeden Fall nicht gut. Zigtausende Bürger hätten es aber gern zu Recht konkreter. Sie haben erst vor wenigen Jahren und in gutem Glauben einen Diesel gekauft – und werden nun zwangsenteignet, weil ein Lobbyverband namens Deutsche Umwelthilfe einen juristischen Kniff gefunden hat, die Einhaltung frei gegriffener Grenzwerte durchzusetzen. Für einen solchen Eingriff bräuchte es aber einen wirklich guten Grund – und nicht bloß medizinische Mutmaßungen.
Feinstaubtote, Stickoxidtote – dass das Umweltbundesamt seit Jahren und noch immer mit diesen Begriffen operiert, ist eigentlich ein handfester Behördenskandal. Auf Nachfrage gibt man dort zwar die missverstandene Unschuld: die Begriffe seien in erster Linie von statistischer Bedeutung. Tatsächlich dürfte man ganz genau wissen, was mit solchen Begriffen bewirkt wird: Angst und Panikmache. Angst kann übrigens auch krank machen. Hat jemand schon die Angst-Toten gezählt?
Die Dramatisierung ist gewollt. Wenn man sich die immer länger werdende Liste von Stoffen anschaut, die „möglicherweise gesundheitsgefährdend“ oder „potenziell krebserregend“ sind, könnte man fast schon philosophisch werden: Das ganze Leben ist demnach lebensgefährlich. Dasselbe Muster findet sich auch bei anderen Themen: Plastikmüll, der viele Meerestiere qualvoll verenden lässt, kommt in aller Regel nicht aus Europa in die Meere, sondern über Flüsse in Asien oder Afrika. Trotzdem ist die Hysterie in Europa am größten. Das sogenannte Insektensterben ist überhaupt noch nicht bewiesen. Viele zitierte Studien sind nicht repräsentativ und stehen ebenfalls im Verdacht der Effekthascherei.
Weitere 36 Millionen Euro an Steuergeldern hat die Umweltbürokratie allein im Land in Sachen Insektensterben für sich herausschlagen können. Mit dem Geld soll unter anderem erst mal überprüft werden, ob das Problem überhaupt existiert. Wenn die Studie da ist, lohnt es sich sicher, dem Umweltministerium kritische Fragen zu stellen. Kritische Fragen lohnen sich immer.
rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de