Haus von „unauffälligen Leuten“ durchsucht
Bei Razzien in Süddeutschland findet Polizei zahlreiche Waffen und stellt in Sachsenweiler auch gestern noch Beweismittel sicher.
Von Florian Muhl
BACKNANG Ein Dutzend Polizeibeamte, fast alle in Zivil, stehen gestern Morgen vor dem Einfamilienhaus in der Straße Am Dresselbach in Backnang-Sachsenweiler. Die kleine Gruppe verschwindet in den Wohnräumen mit Koffern und Klapptischen. Bereits einen Tag zuvor hatte die Polizei mit einem Sondereinsatzkommando das Haus im Rahmen einer groß angelegten Razzia in Süddeutschland durchsucht (wir berichteten). Rund 400 Beamte hatten 17 Wohnungen und ein Waldstück in München sowie den Landkreisen Augsburg, Biberach an der Riß, Esslingen, Günzburg, Kempten, Sigmaringen, Tübingen, Ostallgäu sowie Ostalb- und eben im Rems-Murr-Kreis durchkämmt.
Im Rahmen der Durchsuchungen beschlagnahmten die Ermittler unter anderem Computer, eine Vielzahl an Waffen, Munition, Uniformteile, Fahrzeuge und verfassungsfeindliche Symbole. Die Einsatzkräfte fanden überdies Granaten, für deren Begutachtung Sprengstoffexperten angefordert wurden. Sachverständige sollen nun klären, ob die sichergestellten Waffen echt sind oder ob es sich um sogenannte Anscheinswaffen handelt. Die Tatverdächtigen kamen vorerst wieder auf freien Fuß.
Auch in Sachsenweiler ist die Polizei mit Lastern und Transportern vorgefahren. Was die Beamten im Haus gefunden und mitgenommen haben, sagt das zuständige Polizeipräsidium in Ulm nicht. Fest steht aber, dass zumindest ein Kübelwagen, der auf dem Anwesen in der Straße Am Dresselbach stand, konfisziert worden ist. Dabei handelt es sich um einen Geländewagen, der bei der Wehrmacht zu Tausenden im Einsatz war.
Wer ist dieser Mann, dessen Haus von der Polizei auf den Kopf gestellt wird? Handelt es sich um einen harmlosen Waffennarren oder um einen rechtsorientierten Terroristen? Oder keins von beiden? Stadtrat Jörg Bauer, der im westlichen Teil von Sachsenweiler wohnt, weiß nichts Genaues über das Geschehen, das sich im östlichen Teil abgespielt hat. Von Nachbarn habe er gehört, dass das Haus schon vor längerer Zeit von Asiaten gekauft worden sei. Vielleicht ist das auch nur ein Gerücht, weil der Hausherr offensichtlich mit Thailänderinnen liiert ist beziehungsweise war.
Teilortsanwalt Hans Löffler, der in der Nähe zum betreffenden Ort wohnt, kennt auch keine genauen Hintergründe, wie er auf Anfrage mitteilt. Er kann nur so viel sagen: „Es waren unauffällige Leute.“ Im Umfeld des Mannes aus Sachsenweiler soll bereits in der ersten Jahreshälfte eine Waffe aus dem Ersten Weltkrieg gefunden und der Polizei übergeben worden sein, sagt jemand, der namentlich nicht genannt werden will. Damals habe es auch den Hinweis gegeben, dass der Mann eine Menge Munition, Waffen und sogar Panzer zum Teil zu Hause, aber zum größeren Teil im Raum Berglen/ Rudersberg lagern würde. Ob diese Hinweise auch zu der Razzia geführt haben, ist unklar.
Zum Fund und Sachstand hält sich die Polizei äußerst bedeckt. Man stehe erst am Anfang der Ermittlungen, heißt es. Es gibt auch keine Angaben darüber, ob überhaupt schussfähige Waffen unter den zahlreichen Gewehren und Pistolen waren, die gefunden worden seien. Nur so viel: Hintergrund der ganzen Aktion ist ein bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart geführtes Ermittlungsverfahren gegen derzeit 19 Beschuldigte unter anderem wegen dem Verdacht des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
„Ausgangspunkt der Ermittlungen war ein Hinweis, wonach sich bewaffnete Personen in Wehrmachtsuniformen in einem Gebäude im Landkreis Biberach getroffen haben sollen“, teilt das Polizeipräsidium Ulm mit. Die daraufhin mit Hochdruck geführten Ermittlungen der Kriminalpolizei Ulm ergaben einen Verdacht gegen weitere Personen. Demnach sollen die Tatverdächtigen, bei denen es sich um Männer und Frauen zwischen 27 und 77 Jahren handelt, mit Wehrmachtsuniformen und mit Waffen ausgestattet in einem Waldstück zusammengekommen sein und unter anderem Kriegsszenarien nachgestellt haben. Ersten Ermittlungen zufolge sollen die Tatverdächtigen weder behördliche Genehmigungen zum Veranstalten dieser Treffen noch zum Führen der Waffen gehabt haben. Es besteht zudem der Verdacht, dass die Männer und Frauen auch Waffen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, benutzten und Kleidung trugen, auf der verfassungsfeindliche Symbole angebracht sind.
Als harten Schlag gegen extremistische Bestrebungen hatte Thomas Strobl die Razzien bezeichnet. „Die Hintergründe dieser Handlungen werden genauestens durch die Strafverfolgungsbehörden durchleuchtet“, so der Innenminister.