Gericht: Haenel hat Patent von Heckler & Koch verletzt
dpa Düsseldorf. Heckler & Koch gegen Haenel vor Gericht - wieder einmal. In der hart geführten juristischen Auseinandersetzung ziehen beide Seiten alle Register. Nun erzielt die Schwarzwälder Waffenschmiede einen Erfolg. Bis der Streit entschieden ist, wird es aber noch dauern.
Ein Schuss vor den Bug: Im Dauerclinch mit seinem Rivalen Heckler & Koch (HK) hat der Waffenhersteller C.G. Haenel eine Niederlage einstecken müssen. Das Düsseldorfer Landgericht entschied am Dienstag, dass die Thüringer Firma bei einem Sturmgewehr-Modell ein Patent von HK verletzt habe. Die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung sah das Gericht als begründet an. Das Urteil bezieht sich auf die Halbautomatik-Version des Gewehrs und nicht auf die Vollautomatik, die Haenel der Bundeswehr verkaufen will.
Haenel wollte das Urteil zunächst nicht kommentieren. Ein Sprecher von Heckler & Koch sagte, man werde sich erst äußern, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Das dürfte noch dauern: Es gilt als wahrscheinlich, dass Haenel in Berufung geht - dann würde der Streit vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht fortgesetzt.
Das nun entschiedene Verfahren vor dem LG Düsseldorf ist ein Seitenstrang in der juristischen Auseinandersetzung zwischen Heckler & Koch und Haenel. Beide Firmen wollen unbedingt einen Großauftrag des Bundes über 120 000 Sturmgewehre haben. Vor gut einem Jahr hatte Haenel hierfür bereits den Zuschlag bekommen, bekam ihn später aber wegen möglicher Patentverletzungen wieder entzogen. Inzwischen sieht es so aus, als ob der Wettbewerber HK das Rennen macht. Allerdings ist nicht klar, ob der Bund den Auftrag überhaupt noch vergibt oder einen Rückzieher macht. Haenel hat den Großauftrag noch nicht ganz abgeschrieben und setzt darauf, dass die Firma wieder zum Vergabeverfahren zugelassen wird.
Das Düsseldorfer Landgerichtsurteil ist zwar ein Erfolg für die Schwarzwälder Waffenschmiede HK, ein Totalschaden für den Wettbewerber aus dem Thüringer Wald ist es aber nicht. Zum einen wurden die geltend gemachten Ansprüche wegen Verjährung eingeschränkt. Zum anderen hatte HK gehofft, dass sich das Urteil nicht nur auf das Halbautomatik-Gewehr CR223, sondern auch auf die Vollautomatik-Version MK556 bezieht - wäre das der Fall gewesen, so wäre das für Haenel ein weiterer herber Rückschlag gewesen im Rennen um den Bundeswehr-Großauftrag.
Beide Gewehre sind fast identisch, beim MK556 gibt es aber noch eine Dauerfeuer-Funktion. Nach dem Verständnis von HK ging es in dem Düsseldorfer Patentstreit auch um gleichartig ausgebildete Waffen, also auch um das MK556. Das Urteil bezieht sich laut Auskunft einer Gerichtssprecherin aber ausschließlich auf die Halbautomatik.
Das Patent betrifft unter anderem winzige Öffnungen im Gewehr, die einen raschen Wasserabfluss und eine schnelle Schussbereitschaft ermöglichen sollen, wenn Soldaten durch einen Fluss waten oder am Meeresufer landen - das nennt man in der Branche „over the beach“.
Haenel hat eingeräumt, die strittigen Bohrungen bis 2018 in der Halbautomatik verwendet zu haben - und zwar ohne von dem Patent gewusst zu haben. Als man davon Kenntnis erhalten habe, habe man auf ein Bauteil mit nur einer Bohrung zurückgegriffen, hatte Firmenchef Olaf Sauer im Oktober gesagt. Die vollautomatische Variante des Sturmgewehrs, die Haenel beim Bundeswehr-Vergabeverfahren eingereicht hat, habe hingegen nie drei Bohrungen gehabt.
Die Anwälte beider Seiten werden das Urteil nun genau studieren. Sollte es nach dem absehbaren Weg durch die Instanzen irgendwann rechtskräftig werden, müsste Haenel die Kunden, die das umstrittene Gewehr gekauft haben, anschreiben und die Verträge rückabwickeln. Wer das ist und welche Lieferungen betroffen wären, ist noch unklar.
Öffentlich bekannt ist zum Beispiel, dass die Polizei Sachsen im vergangenen Jahr das CR223 als Dienstgewehr bestellt hat und das Gewehr schon vorher genutzt hat. Sollte das Sturmgewehr ab 2018 wegen der von Haenel vorgenommenen Änderungen aber gar nicht mehr betroffen sein von dem Urteil, wäre das Ausmaß der Rückrufe begrenzt - die Bestellung von 2020 wäre dann nicht gemeint.
In einem anderen Strang des erbitterten Rechtsstreits klagt Haenel vor dem Bundespatentgericht in München auf Nichtigkeit des Patents. Würde das Patent gelöscht, könnte es auch keine Patentverletzung gegeben haben, so die Logik der Thüringer Waffenschmiede. In dem Düsseldorfer Verfahren wäre es möglich gewesen, dass die zuständige Kammer den Münchner Beschluss abwartet - dieser kommt aber wohl erst 2023. Mit dem Urteil vom Dienstag entschied sich die zuständige Kammer mit ihrer Vorsitzenden Bérénice Thom dagegen, das eigene Verfahren auf die lange Bank zu schieben.
Heckler & Koch gehört zu den großen Herstellern von Handfeuerwaffen - neben Sturmgewehren verkauft das Unternehmen auch Pistolen, Maschinenpistolen und Granatwerfer. Die Firma mit Sitz in Oberndorf am Neckar südwestlich von Stuttgart hat gut 1000 Beschäftigte. C.G.Haenel ist deutlich kleiner: Zusammen mit seinem Mutterkonzern, dem Jagdwaffenhersteller Merkel, hat die Firma rund 130 Beschäftigte - beide Unternehmen arbeiten eng verzahnt und nutzen dasselbe Werk. Merkel gehört zum staatlichen Rüstungskonzern Caracal aus Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sowohl HK als auch Haenel konnten ihren Umsatz zuletzt deutlich steigern.
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