Lobby-Vorwurf
Heftiger Streit um EU-Geld für Umweltorganisationen
Die EU-Kommission fördert Projekte unter anderem beim Klimaschutz. Kritiker werfen den unterstützten Organisationen vor, das Geld für Lobbyarbeit zu nutzen - die wehren sich.

© dpa/Jean-Francois Badias
Im Europaparlament ist ein heftiger Streit über die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen ausgebrochen.
Von Knut Krohn
Lobbyisten haben einen schlechten Ruf. Dabei erfüllen sie in einer Demokratie einen durchaus sinnvollen Dienst. Denn Politiker müssen vor einer komplexen Entscheidung möglichst viele Fakten und Meinungen abwägen. Konzerne und Interessenverbände versorgen die Volksvertreter im Vorfeld deshalb mit Informationen – natürlich mit dem Ziel, die Entscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. In Verruf gerät Lobbyismus, wenn er nicht transparent agiert. Wenn etwa ein internationaler Chemiekonzern bei renommierten Wissenschaftlern ein millionenschweres Gefälligkeitsgutachten in Auftrag gibt und der Geldgeber verschwiegen wird.
Die EU liegt im Fokus der Lobbyisten
Im Fokus der Lobbyisten steht die EU, weil dort besonders viele weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Im Moment tobt im Europaparlament ein erbitterter Streit, denn es wurde eine selbst für Brüsseler Verhältnisse überraschende Art der politischen Beeinflussung öffentlich. Der Vorwurf lautet: die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission, das ist vergleichbar mit einem deutschen Ministerium, soll verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGO) für Lobbyaktivitäten gegenüber anderen EU-Institutionen bezahlt haben. Besonders brisant ist der Vorwurf, dass die NGO-Vertreter gezielt gegen die politische Zielsetzung der EU-Kommission opponieren sollten. So sei etwa Geld für Lobbyarbeit gegen das im Dezember abgeschlossene Freihandelsabkommen der Union mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten geflossen.
Überraschend ist die große Schärfe, mit der die Auseinandersetzung zwischen den Abgeordneten geführt wird. Geschuldet ist dies der neuen Zusammensetzung des Europaparlaments, dessen politisches Gewicht sich deutlich nach rechts verschoben hat. Die Fraktionen links der Mitte befürchten, dass zivilgesellschaftliche Errungenschaften und auch der Klimaschutz in den kommenden Jahren zurückgedreht werden könnten. Genährt wird ihre Angst durch die inzwischen ziemlich offene Zusammenarbeit der konservativen EVP-Fraktion, zu der auch CDU/CSU zählen, mit Teilen der extrem-rechten EKR-Fraktion.
Schwere Vorwürfe unter den Parteien im Parlament
„Die Angriffe der EVP zielen darauf ab, das zivilgesellschaftliche Engagement in der EU zu schwächen“, schießt der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund gegen die Konservativen und legt dann nach: „Solche Kampagnen gegen NGOs kennen wir sonst vor allem aus Ungarn.“ Damit bezieht er sich auf die seit Jahren andauernde Demontage des Rechtsstaates in Budapest.
Daniel Caspary, Vorsitzender der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, weist solche Vorwürfe weit von sich und kontert, dass es nicht sein könne, „dass die Kommission NGOs und Netzwerken Geld überweist, um Rat und Parlament gezielt zu beeinflussen und zu lobbyieren“. Das sei nicht nur völlig intransparent, sondern „widerspricht auch der Gewaltenteilung“. Sein Fazit: „Es handelt sich hier um einen beispiellosen Skandal und einen klaren Missbrauch von Steuergeldern.“
Die NGOs weisen die Vorwürfe zurück
Vertreter mehrerer NGOs weisen Vorwürfe zurück, wonach Geld aus dem sogenannten Life-Programm der EU verwendet wurde, um für die Kommission Lobbyarbeit zu leisten. Nicholas Aiossa, EU-Direktor von Transparency International, betonte in Brüssel, es gebe keine Hinweise auf Regelverstöße oder einen Missbrauch. Auch er spricht von einer Kampagne der Konservativen gegen die NGOs. Die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier keilt zurück und bezeichnet diesen Vorwurf als „Unsinn“. Man habe Verträge einsehen können, wonach Abgeordnete, Beamte der Mitgliedstaaten und Kommissionsdienststellen beeinflusst werden sollten. Unter anderem seien politisch motivierte Klagen und Aktionen mitfinanziert worden.
Der Europaabgeordnete Daniel Freund verweist in diesem Streit immer wieder auf eine besondere Rolle der NGOs im Brüsseler Entscheidungsprozess. „Eine starke zivilgesellschaftliche Stimme ist in Brüssel unerlässlich, gerade um den Einfluss der Öl- und Gaslobby auszugleichen“, unterstreicht der Grünen-Politiker. Die großen Konzerne hätten ganz andere Möglichkeiten der Lobbyarbeit, als die NGOs. Sein CDU-Kollege Caspary widerspricht dieser Sicht vehement. „Die Gefahr, dass in Brüssel auf einmal nur noch Wirtschaftsinteressen gehört werden, sehe ich nicht“, sagt der Europaparlamentarier. Im Gegenteil, er nehme die NGOs in Brüssel als „sehr einflussreich wahr, oft viel einflussreicher als Wirtschaftsverbände“. Der Haushaltskontrollausschuss wird in den kommenden Wochen nun weitere Förderverträge untersuchen. Daniel Freund betont, dass dann nicht nur die NGO-Verträge ganz genau unter die Lupe genommen würden.