Herde wegen Böllern in Panik – drei Tiere müssen sterben

Weil an Silvester neben einem Kuhstall in Erdmannhausen Feuerwerk gezündet wird, springen die Tiere wild umher. Das hat tragische Folgen. Der Landwirt ist geschockt und macht auf ein Problem aufmerksam.

Horst Stegmaier und seine Tiere haben eine schlimme Silvesternacht hinter sich. Foto: Werner Kuhnle

Horst Stegmaier und seine Tiere haben eine schlimme Silvesternacht hinter sich. Foto: Werner Kuhnle

Von Andreas Hennings

Erdmannnhausen. Silvesterfeuerwerk und Tiere, diese Kombination verträgt sich in den seltensten Fällen. Besonders Tragisches spielte sich an diesem Jahreswechsel in Erdmannhausen ab, wo Kühe in einem Stall aufgrund der Böllerei in Panik gerieten. Zwei der Tiere brachen sich ein Bein, ein weiteres das Becken. Alle drei mussten am nächsten Morgen von ihrem Leid erlöst und getötet werden.

Die Kühe waren nach Mitternacht „planlos und wild durcheinandergesprungen“, berichtet Landwirt Horst Stegmaier. Er bekam die Panik mit, musste aber tatenlos zusehen. „Da kann man nichts machen. In so einer Ausnahmesituation rennen die einen sonst um.“ Die Verletzungen entstanden mutmaßlich, als die Tiere ausrutschten oder sich gegenseitig umrannten. „So was passiert dann schnell“, so Stegmaier. Das ganze Ausmaß wurde am nächsten Morgen offensichtlich, als drei der Kühe nicht mehr aufstehen konnten. Bei ihnen musste der Bolzenschuss angesetzt werden. „Es ist ein trauriger Anblick, jetzt die drei toten Kühe nebeneinanderliegen zu sehen“, sagt Stegmaier am Montagvormittag. Wenige Stunden bevor die Tiere, die jeweils rund ein Jahr alt waren, von der Abdeckerei abgeholt wurden.

Geschlachtet werden konnten die toten Tiere nicht, da sich der Schmerz, den sie ertragen mussten, auf den Fleischgeschmack auswirkt. Auch eine Versicherung greift in einem solchen Fall nicht, auf dem Schaden von rund 3000 Euro, welche die drei Tiere insgesamt wert gewesen sind, bleibt der Landwirt sitzen. Er hatte gegen 22 Uhr extra noch wie jedes Jahr zu Silvester das Licht im Stall angeschaltet, damit die Tiere nicht zusätzlich noch das helle Silvesterleuchten wahrnehmen.

Hof befindet sich neben Aussichtspunkt

Für den Landwirt ist der Start ins Jahr gelaufen. Was ihn besonders ärgert: Er war in der Nacht auf den angrenzenden Feldweg gelaufen, um die Böllernden zu sensibilisieren und zu bitten, etwas weiter weg zu gehen. Etwa zur Halle auf der Schray, die 100 Meter entfernt ist. Mit mäßigem Erfolg. „Da wird man blöd angemacht. Das ist jedes Jahr gleich. Da heißt es dann, da kommt der ewig Gestrige“, sagt Stegmaier enttäuscht. Unter anderem ein Familienvater, der gerade seine Batterie aufbaute, habe Unverständnis gezeigt, erst seine Frau habe die Familie zum Fortgehen bewegt. Andere hätten direkt Verständnis gehabt. „Dann kommen aber meist direkt schon die Nächsten.“

Die Krux: Der betroffene Hof befindet sich am Schrayweg, der an Silvester besonders gefragt ist, da er am Ortsrand eine Aussicht Richtung Stuttgart bietet. Dabei wird auch selbst geschossen. So schlimm wie diesmal kam es Horst Stegmaier aber noch nicht vor. „In einer Silvesternacht hatten wir aufgrund der Stresssituation aber mal drei verfrühte Kalbungen.“ Dass Tiere getötet werden mussten, war jetzt zum ersten Mal der Fall. „Und im Hof landeten Raketen. Zum Glück hat nicht das Stroh Feuer gefangen, mit dem wir wegen der kalten Tage im Dezember die Halle abgedichtet haben.“

Auch die Polizei, die Horst Stegmaier in der Nacht verständigt hatte, konnte nicht helfen. Da das Böllern nicht verboten ist, waren den Polizisten die Hände gebunden. Sie verwiesen auf die Möglichkeit, bei der Gemeinde fürs nächste Silvester eine Feuerwerksverbotszone zu beantragen.

Gegen die hätte auch Yannick Fodor nichts einzuwenden. Er hält im Winter mitten in Erdmannhausen Kühe und Pferde. Auch er ist schockiert von den Ausmaßen der Silvesternacht. „Schon gegen 20.30 Uhr hat jemand Böller direkt ans Stallfenster geworfen. Da bin selbst ich zusammengezuckt. Als ich rausging, habe ich niemanden mehr gesehen, aber die Rückstände lagen am Fenster.“

Yannick Fodor machte ebenfalls das Licht im Stall an, gab den Tieren zur Beruhigung Futter. „Sobald aber der Feuergeruch in den Stall zieht, hilft nichts mehr. Da werden die Tiere unruhig.“ Ältere Tiere kämen meist besser mit der Situation klar. Gerade jüngere würden aber am nächsten Tag beim Melken um sich treten. „Das kann ein paar Tage dauern, bis alles normal ist“, berichtet Yannick Fodor. Als er am Neujahrstag morgens gegen 6 Uhr molk, waren noch immer vereinzelte Böller zu hören. „Die Tiere schrecken dann bei jedem einzelnen zusammen.“

Auf dem Rathaus hat man sich kurz nach dem Vorfall schon Gedanken über Änderungen gemacht. „Wir werden auf jeden Fall was tun“, kündigt Bürgermeister Marcus Kohler an, der mit den drei toten Tieren von einer „Tragödie“ spricht. Eine Allgemeinverfügung mit einem Verbot sieht er aber nicht als erste Lösung an. Ein Ansatz sei, Positivzonen für Feuerwerk auszuweisen. Bereiche, in deren Nähe weder Wald noch Landwirtschaft sind. Am Schrayweg sind Schilder angedacht, um zu informieren und zu sensibilisieren. „Ein reines Verbot könnte hier dazu führen, dass wir dasselbe Problem an anderer Stelle bekommen“, befürchtet Kohler.

Im Feuerwerksverbot ist bislang kein Tierschutz verankert

Gesetzeslage Nur an Silvester und Neujahr darf Feuerwerk gezündet werden. Zu anderen Zeiten muss mindestens zwei Wochen vorher eine Erlaubnis der örtlichen Behörden eingeholt werden. Gemeinden können den Zeitraum fürs Abbrennen der Böller weiter begrenzen, etwa zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens, oder das Abbrennen von Feuerwerk komplett verbieten. Grundsätzlich ist es verboten, Feuerwerk „in unmittelbarer Nähe“ von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen, von Reet- oder Fachwerkhäusern sowie bei großen Menschenansammlungen abzubrennen.

Rücksicht Die Bundestierärztekammer (BTK) macht immer wieder darauf aufmerksam, dass Tiere unter dem Feuerwerk leiden. „Leider kommt es jedes Jahr zu verletzten oder toten Tieren in Verbindung mit dem Silvesterfeuerwerk. Verbieten können wir es den Menschen jedoch nicht“, teilt Sprecherin Katharina Klube mit. Der BTK bleibt nichts anderes übrig, als um Rücksicht zu bitten: „Alle, sollten an die Tiere denken, für die das Knallen der absolute Horror ist.“ Angst und Panik könnten bei empfindlichen Tieren gar zum Tod führen.

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Erstellt:
4. Januar 2023, 15:33 Uhr

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