Herr Putin faselt wieder
Das russische Staatsoberhaupt bietet Verhandlungen an – und will sich einen Teil der Ukraine einverleiben.
Von Eidos Import
„Wir müssen Putin zwingen, Frieden zu suchen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Ramstein, als er weitere Waffen forderte. Dabei will der Herr Putin doch Frieden – das beteuerte er ja eben erst während eines Wirtschaftsforums im russischen Wladiwostok. Mal wieder. Also keinen Frieden, wie Sie ihn wohl verstehen: kein Sterben mehr, keine Bomben, Gespräche darüber, wie man auf Augenhöhe miteinander umgehen und sich respektieren will. Nein, der Herr Putin will bestimmen, was im Detail geschieht und es dann Frieden nennen.
Für die Ukraine sähe das so aus: Sie verliert etwa ein Sechstel ihres Gebiets – vor allem die Region Donbass, in der Geologen eines der weltweit reichsten Vorkommen seltener Erden vermuten. Das sind die Rohstoffe, ohne die kein Elektroauto fährt, kein Handy funktioniert. Über die besetzte Krim soll bis zu 15 Jahre lang verhandelt werden. Fällt sie an Russland, verlöre die Ukraine fast 20 Prozent ihres Landes. Das soll künftig laut Putin weder der Nato noch der Europäischen Union angehören. Bei der Verteidigung des eigenen Landes soll die dann neutrale Ukraine nicht auf eigene Streitkräfte vertrauen, sondern auf die Sicherheitsgarantie, die unter anderem Russland übernimmt.
All das hätte Putin allerdings schon Ende März 2022 haben können, als noch nicht Hunderttausende Ukrainer und Russen für den „Spezialoperation“ genannten Krieg des russischen Diktators mit ihrem Leben bezahlten. Krankenhäuser und Elektrizitätswerke noch nicht zerstört, Schulen und Kindergärten noch nicht in Grund und Boden gebombt waren. Damals war die Ukraine bereit, das sogenannte Istanbuler Kommuniqué zu unterschreiben, um das Sterben zu stoppen.
Doch dann kamen Butscha und die vielen anderen Städte und Dörfer, aus denen ukrainische Soldaten im Sommer 2022 die russischen Besatzer vertrieben. Dann kamen die dort von der russischen Soldateska auf ihren Fahrrädern erschossene Alten, neben sich noch die Einkaufstüten. Die in Wäldern und Kellern verscharrten Frauen und Männer, die Hände noch gefesselt, als sie nach der Folter massakriert wurden. Die verschleppten Kinder.
Auch wenn der Westen und gerade Deutschland die Ukraine meist zu spät und unzureichend unterstützen: Die Entscheidung in diesem Frühsommer, dem geschundenen Land den Einsatz der gelieferten Waffensysteme auch auf russischem Territorium zu erlauben, band den Verteidigern die Hände los, die bislang auf ihrem Rücken fixiert waren. Die Ukraine greift jetzt Flughäfen in Russland an, von denen aus Bomber und Drohnen starten, um Kiew, Lwiw und Charkiw zu zerstören. Die Ukraine schießt russische Raffinerien in Brand – die wirtschaftlichen Folgen dürften für Russland schlimmer sein, als alle von der EU verhängten und allenfalls halbherzig durchgesetzten Sanktionen.
Mehr als eine geschätzte halbe Million toter russischer Soldaten mehren den Unmut einer Bevölkerung, für die von Sankt Petersburg bis Rostow Sirenen schrillen, um vor Luftangriffen zu warnen. Das FBI demaskierte gerade die russische Einflussnahme auf Deutschland: Desinformation, die AfD unterstützen – um Nato und die Unterstützung für die Ukraine zu schädigen.
Seit Monaten faselt der Herr Putin deshalb vom „Frieden“. Einem Alkoholiker gleich, der lallend schwört, er müsse endlich mit dem Saufen aufhören. Dabei könnte der Krieg binnen Tagen, ja Stunden zu Ende sein: Putin müsste nur seine Soldaten aus dem Land zurückziehen, in das er am 24. Februar 2014, also an diesem Samstag vor genau 3848 Tagen, eingefallen ist. In das er den Krieg, das Sterben gebracht hat. Manchmal ist Politik so einfach.