„Hier geht es gerecht zu“

Vesperkirche serviert ihren Gästen im Winter ein warmes Essen – Noch wichtiger ist aber die Gemeinschaft

Beim Essen zusammenkommen, Gespräche führen, sich austauschen: Die Backnanger Vesperkirche im katholischen Gemeindehaus St. Johannes sorgt den Winter über jeden Montag für ihre Gäste. Das hilft vor allem Menschen mit wenig Geld, aber auch vielen, die schlicht nicht allein essen wollen.

Maria Aires, Peter Erwin, Floriyana Jovanovski, Hubert Janetzko, Klaus Stanzel und Gabriele Winter (von links) packen in der Vesperkirche ehrenamtlich mit an. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Maria Aires, Peter Erwin, Floriyana Jovanovski, Hubert Janetzko, Klaus Stanzel und Gabriele Winter (von links) packen in der Vesperkirche ehrenamtlich mit an. Fotos: A. Becher

Von Sarah Schwellinger

BACKNANG. Es ist 20 vor 12. Die Tür des Gemeindehauses St. Johannes geht auf, die ersten Gäste treten herein und finden sofort ihren Platz: „Wir kommen immer schon so früh, um uns einen Platz an unserem Stammtisch zu sichern“, sagt Sabine Keller, die jede Woche mit ihrer Truppe am gleichen Tisch sitzt. Sie ist eine von rund 60 Menschen, die an diesem Montag in die Vesperkirche kommen, um dort ihr Mittagessen einzunehmen. Doch geht es hier um weit mehr, erklärt Gabriele Winter. Sie ist die gute Seele der Vesperkirche. Seit zwölf Jahren, seit es die Vesperkirche gibt, hat die 73-Jährige die Organisation inne und koordiniert rund 30 Ehrenamtliche. Dazu kommen Ansprechpartner von der Erlacher Höhe, der Caritas und vom Jugendamt, die ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Besucher haben. „Es geht auch darum, sich austauschen zu können, Gespräche zu führen und Probleme zu lösen“, erklärt sie.

Seit morgens um 8 Uhr ist das Küchenteam der Vesperkirche dabei, das Essen vorzubereiten. Gaisburger Marsch steht auf dem Plan. Die Ehrenamtlichen schneiden Gemüse, das Fleisch köchelt seit etwa drei Stunden vor sich hin. In einer Nische in der Küche stehen die von Helfern gebackenen Kuchen. Floriyana Jovanovski gehört an diesem Tag zum Küchenteam. Sie ist von Beginn an dabei: „Solange wir helfen können, helfen wir.“ Sie unterstützt gerne, wo sie nur kann, möchte mit der ehrenamtlichen Tätigkeit etwas zurückgeben.

Im Saal füllen sich die Tische, hier ein „Hallo, schön, dass du da bist“, dort ein „Grüß Gott, wie geht’s?“. Man kennt sich, viele sind öfter hier, finden sich meist an den gleichen Tischen zusammen. Es sind Menschen jedes Alters, unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund. Gespräche kommen schnell in Gang, es geht um die Familie, Erlebnisse vom Wochenende und den VfB Stuttgart. Auch Keller kommt regelmäßig her. Sie schätzt an der Vesperkirche der katholischen Gemeinde, dass es gerecht zugeht: „Jeder wird gleich behandelt, jeder zahlt gleich, jeder bekommt dasselbe.“ Das warme Essen, das für Geringverdiener 1,50 Euro und für Normalverdiener 4,50 Euro kostet, wird jedem an seinen Platz serviert. „Da geht es darum, eine schöne Atmosphäre zu schaffen und den Gästen ein gutes Gefühl zu geben“, sagt Gabriele Winter. Wie viel er bezahlen möchte, darf jeder selbst entscheiden. „Kinder dürfen gratis mitessen“, erzählt Gabriele Winter und wer gar nichts hat, werde auch nicht zur Kasse gebeten. „Am Monatsende ist es bei unseren Besuchern mitunter eben sehr eng. Da muss man ein bisschen flexibel sein.“ Die Kalkulation geht trotzdem auf. Gabriele Winter erklärt: „Einen Großteil der Kosten decken wir über die Einnahmen. Der Rest wird durch Spenden finanziert.“

Für viele der Besucher ist das Miteinander mit das Wichtigste. Auch Sabine Keller schätzt es, im Gemeindehaus die sozialen Kontakte zu pflegen, freut sich schon immer auf das nächste Zusammentreffen. Auch Monika Hamm, die neben ihr sitzt, stimmt zu: „Man wird freundlich, fast mütterlich behandelt“, sagt sie lächelnd. Gabriele Winter kennt nahezu jeden und jeder kennt sie. „Wir wissen einen solchen Einsatz und ehrenamtliches Engagement sehr zu schätzen“, so Keller.

Die Atmosphäre ist familiär, fast wie in einem großen Esszimmer. Auf den Tischen liegt silber glänzendes Besteck auf weißen Servietten, in der Mitte stehen orangefarbene Röslein, zehn Stühle reihen sich um einen Tisch. „Es fällt auf, wenn einer von uns fehlt“, sagt Hamm und blickt in die Runde. Dann werde meist hinterhertelefoniert. Sie lacht.

Neben der Geselligkeit sind die Gäste auch vom Essen überzeugt. „Hier ist das Essen immer frisch gekocht“, bemerkt Keller. Das sei viel wert und außerdem sei es besonders lecker – besser, als bei anderen solchen Essensangeboten.

Um kurz vor halb eins versammelt sich das komplette Team in der Küche. Jetzt beginnt gleich das Mittagessen. Die ersten Teller werden angerichtet und auf große Tabletts platziert, während Gabriele Winter die Gäste begrüßt und das Tischgebet spricht.

Um Punkt 12.30 Uhr steht das Essen auf dem Tisch. Die Gespräche werden leiser, aber still wird es nicht. Man unterhält sich, man lacht. Wer möchte, bekommt Nachschlag. Darauf folgt noch ein Stückchen Kuchen. Um 14 Uhr ist Schluss. Für die meisten heißt es dann: „Bis nächsten Montag.“ Das Team der Ehrenamtlichen bleibt noch. Gabriele Winter schaut beim Abbauen und Aufräumen nach dem Rechten. „Da ist es schon gut, dass wir viele Helfer haben“, sagt sie. Ein paar mehr würden jedoch auch nicht schaden. „Bei der Organisation könnte ich Unterstützung gebrauchen – vor allem, wenn ich an die Zukunft denke“, sagt sie. Immerhin sei sie über 70. „Jüngere Hände würden hier sicher guttun.“ Auch wenn sie vorerst noch nicht vorhabe, sich von der Vesperkirche zu verabschieden.

„Hier geht es gerecht zu“

© Pressefotografie Alexander Beche

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Erstellt:
6. Februar 2019, 06:00 Uhr

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