Hilfe für Wohnsitzlose in eiskalten Nächten
Der Kältebus des DRK Stuttgart ist wieder im Einsatz. Meist bis in die frühen Morgenstunden sind die Ehrenamtlichen im Winter unterwegs. Was sie dazu motiviert, erzählt Stefanie Hauke.
Von Jessica Müller
Stuttgart - Wer auf sie achtet stellt fest, es gibt mehr von ihnen, als man vermuten würde. Etwa 150 Menschen leben nach Angaben der Stuttgarter Stadtverwaltung dauerhaft auf der Straße. „Das ist mir früher gar nicht so aufgefallen“, sagt Stefanie Hauke. Sie ist ehrenamtlich für das DRK Stuttgart im Einsatz. Im Sommer mit dem Hitzebus und im Winter mit dem Kältebus. „Mittlerweile bemerke ich sie aber viel öfter.“ Als Teil eines rund 50 köpfigen Teams kümmert sie sich um die, die nicht viel haben. „Im Sommer verteilen wir an heißen Tagen Wasser, im Winter sind wir mit Schlafsäcken, Isomatten, Mützen, Handschuhen, Schals und warmen Getränken unterwegs.“
Los geht’s in besonders kalten Nächten um 22 Uhr. „Wenn die Temperaturen ab November unter null Grad fallen, oder auch schon wenn nachts ein kälterer Wind geht, geh es wieder los.“ Immer in Zweier- oder auch Dreier-Teams fahren die ehrenamtlichen Helfer bekannte Aufenthaltsorte, sogenannte Hotspots, ab und halten nach Menschen Ausschau, die bei den eisigen Temperaturen eine kleine Aufwärmung nötig haben. Dabei sind sie auch auf Unterstützung angewiesen. „Gerade im Winter ist es manchmal gar nicht so leicht, jemanden zu finden, daher sind wir froh, wenn wir Hinweise aus der Bevölkerung bekommen.“ Wer den Verdacht hat, dass jemand die Hilfe des Kältebusses braucht, könne unter dem Hilfetelefon eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. „Den hören wir dann ab und schauen an der genannten Stelle vorbei“, sagt Stefanie Hauke.
Wenn das Team eintrifft, fragen die Ehrenamtlichen erst nach, ob Hilfe erwünscht ist. „Es ist wichtig, auch diesen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen“, sagt Hauke. Angst hat sie keine. „Meine Erfahrung zeigt, dass man den Respekt zurück bekommt, den man selbst gibt.“
Für die 52-Jährige ist ihr soziales Engagement fast selbstverständlich. „Es läuft so viel über Freiwillige. Ohne ehrenamtliche Arbeit wäre die Gesellschaft arm dran“, findet sie. Neben ihrer Tätigkeit beim DRK arbeitet sie außerdem als Jugendbegleiterin an der Schule ihrer Kinder und hat den Vorsitz des heimatlichen Karnevalvereins übernommen. Über ihre drei Kinder sei sie in diese Ämter „reingerutscht“.
Doch auch Stefanie Hauke muss feststellen, dass es immer schwieriger wird, Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern. „Viele wollen keine Verantwortung mehr übernehmen“, sagt sie. „Dabei bekommt man da so viel zurück.“ Wenn sie mal nicht anderen hilft, macht Hauke es sich zu gerne mit einem guten Krimi oder einem Liebesroman gemütlich. Oder sie widmet sich ihrer kreativen Ader. „Ich male gerne mit Acrylfarben oder bastel etwas. Aktuell übe ich an meiner Serviettenfalttechnik“, verrät sie. Und auch ihre Enkeltochter freut sich auf ein bisschen gemeinsame Zeit mit ihrer Oma.
Wie ihre Freunde sie beschreiben würden? „Vermutlich als ziemlich direkt“, antwortet Hauke, „aber auch als offen, freundlich und hoffentlich lustig.“ Sie ist ein herzlicher Mensch, das merkt man im Gespräch schnell. „Ich lache gerne und mache viele Witze“, sagt sie über sich. Wichtig ist ihr besonders Ehrlichkeit: „Lügen geht gar nicht. Eine offene Kommunikation ist mir sehr wichtig.“
Diese Einstellung kommt ihr vermutlich auch bei den Einsätzen mit dem Kältebus zugute. „Wenn jemand keine Hilfe möchte, bekommt man das meist auch klar und direkt gesagt. Und das muss man dann auch akzeptieren und sich zurückziehen.“ Dass jemand bruddelt, habe sie bisher nur selten erlebt. „Man bekommt vor allem viel Positives zurück“, sagt sie. „Die Leute sind dankbar, dass jemand an sie denkt und sich kümmert.“
„Wenn jemand den Eindruck macht, dass jemand Hilfe braucht, sollte sich jeder berufen fühlen etwas zu tun“, sagt Stefanie Hauke. Das könne ein Anruf beim Kältebus sein, oder notfalls bei der Polizei. „Wenn die Person nicht ansprechbar ist, muss sofort ein Notruf abgesetzt werden.“ Ihr Appell: „Wir dürfen nicht wegsehen.“