Historische Chance auf neuen Vertrag
Die Gefahr ist groß. Gespräche mit dem Iran über ein Atomabkommen lohnen sich trotz Risikofaktor Trump.
Von Eidos Import
Die neue iranische Regierung will mit dem Westen über ein Atomabkommen verhandeln. Präsident Massud Peseschkian strebt eine Einigung mit den USA und Europa an, weil er ohne einen Abbau der westlichen Sanktionen die iranische Wirtschaft nicht aus der Krise holen kann. Der Westen will neue Gespräche, weil er befürchtet, dass der Iran schon bald eine Atombombe bauen könnte.
Wie beim ersten Atomvertrag von 2015, der durch den Ausstieg der USA unter Donald Trump zur Makulatur wurde, geht es bei den neuen Verhandlungen um ein einfaches Geben und Nehmen: Der Iran soll strenge Kontrollen seines Atomprogramms zulassen und profitiert dafür von der Rücknahme westlicher Wirtschaftssanktionen.
Schwierig werden die Gespräche dennoch. Viele iranische Politiker misstrauen dem Westen und fragen sich, welche Garantien sie haben, dass die USA nicht auch die neue Vereinbarung aufkündigen. Selbst bei gutem Willen werden die Verhandlungen Zeit brauchen. Für den Vertrag von 2015 waren jahrelange Verhandlungen nötig. Einfach reaktiviert werden kann er nicht. Zu viel hat sich verändert. Damals verpflichtete sich der Iran, die Urananreicherung auf weniger als vier Prozent zu begrenzen. Seit die USA den Vertrag in den Papierkorb warfen, fühlt sich Teheran aber nicht mehr an diese Grenzen gebunden. Heute besitzt der Iran nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA fast 165 Kilogramm Uran, das auf 60 Prozent angereichert worden ist – die weitere Anreicherung auf das waffenfähige Niveau von 90 Prozent wäre technisch nur noch ein kleiner Schritt.
Das ist hochgefährlich: Wegen der Grenzen für die Urananreicherung hätte der Iran im Jahr 2015 ein Jahr gebraucht, um genug Uran für eine Bombe herstellen zu können. Heute beträgt diese Frist höchstens zwei Wochen. Die Verhandlungen müssen klären, was mit dem hoch angereicherten Uran und den Maschinen für die Anreicherung geschehen soll.
Zur damaligen Vereinbarung gehörte auch ein Zeitplan für die Rücknahme von Sanktionen und UN-Resolutionen gegen den Iran. Dieser Zeitplan ist überholt und müsste neu ausgehandelt werden.
Und dann ist da noch Donald Trump. Der Mann, der den Atomvertrag von 2015 aufkündigte, könnte nach der Wahl im November ins Weiße Haus zurückkehren. Lohnen sich neue Atomgespräche also nur, wenn Trump die Wahl verliert? Nein. Auch Trump könnte die Zeit nicht zurückdrehen. Der Iran hat heute mehr Unterstützung von China und Russland als vor einigen Jahren. Es ist zudem unwahrscheinlich, dass arabische Staaten bei zusätzlichen US-Sanktionen gegen Teheran unter einer neuen Trump-Regierung mitmachen würden. Saudi-Arabien und andere Länder haben mit einer Annäherung an den Iran begonnen.
Die neuen Verhandlungen können einen Gesprächskanal zwischen dem Iran und dem Westen schaffen – nicht nur für das Atom-Thema, sondern auch zur Entschärfung des Konflikts zwischen dem Iran und Israel. Irans Präsident Peseschkian braucht neben einem Atomdeal auch Stabilität in der Region, um iranische Ölausfuhren zu steigern und ausländische Investoren anzulocken. Zumindest vorerst hat Peseschkian die nötige politische Bewegungsfreiheit dafür, denn der anti-westliche Regimechef Ali Khamenei befürchtet, dass die Islamische Republik zerbrechen könnte, gibt sie ihren fast 90 Millionen Bürgern nicht mehr Wohlstand. Inmitten des Gaza-Krieges und Spannungen in Nahost, wären da neue Atomverhandlungen willkommener Lichtblick. Beide Seiten sind also an Gesprächen interessiert. Darin liegt eine historische Chance.