Hitzetipps aus heißen Ländern

Heute wird es heiß. Viele Menschen wissen sich bei diesen Temperaturen nicht mehr zu helfen. Kommt man hingegen aus Syrien oder Gambia ist man ganz andere Temperaturen gewohnt. Fünf Personen teilen ihre Tipps aus ihrem Heimatland, beziehungsweise dem ihrer Eltern.

In der Sommerhitze geht Murat Haber am liebsten erst am späten Nachmittag nach draußen, wie zum Beispiel hier, im Schatten am Murrufer. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

In der Sommerhitze geht Murat Haber am liebsten erst am späten Nachmittag nach draußen, wie zum Beispiel hier, im Schatten am Murrufer. Foto: Tobias Sellmaier

Von Valentin Schmid und Anja La Roche

Backnang. Bis zu 38 Grad Celsius soll es heute heiß werden. Die Wetterdienste warnen die Bevölkerung vor der großen Hitze. Denn sie ist nicht nur unangenehm, sondern kann auch schwere gesundheitliche Folgen haben, insbesondere für ältere Personen. Da erscheint es doch nur logisch, sich mit Menschen auszutauschen, die aus Ländern mit hohen Temperaturen kommen. Bei ihnen kann man sich an das Klima angepasste Tricks abgucken. Genau dafür haben wir mit fünf Personen aus Backnang und der Umgebung gesprochen.

Julius Ekwueme aus Nigeria

„Jemand hat gesagt, den Afrikanern macht die Hitze nichts aus“, erzählt Julius Ekwueme, Pfarrer der katholischen Seelsorgeeinheit Oppenweiler / Kirchberg an der Murr. Das sei aber genauso unsinnig wie die Aussage, dass Europäern die Kälte nichts ausmacht, meint er lachend, „die frieren auch im Winter.“ Im Südosten Nigerias, der Heimat von Ekwueme, liegt die Durchschnittstemperatur bei gut 27 Grad Celsius. „Bei uns ist es immer Sommer“, meint er. Selbst bei Regen ist es dort warm und einen Winter gibt es sowieso nicht. Daher seien Nigerianer selbstverständlich an Hitze gewohnt.

Unter Gewöhnung versteht der Pfarrer aber keinen Automatismus, sondern die Bereitschaft, die Hitze zu ertragen und sich anzupassen. Viel Wasser trinken, den Schatten suchen und die kühlen Abendstunden nutzen, stünden also in Nigeria genauso auf dem Programm. Auch ein Hut komme bei ihm öfter zum Einsatz, damit das Gesicht ein wenig Schatten abbekommt. Mit dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung“ komplettiert Ekwueme seine Ratschläge. Man müsse sich eben anpassen, aber das gehöre ja auch zum Charakter des Menschen. Übrigens leiden auch Afrikaner manchmal unter einem Sonnenbrand, ergänzt der Pfarrer schmunzelnd, „aber man sieht das halt nicht.“ Nach seinem letzten Urlaub in Nigeria hätten ihm jedoch mehrere Leute rückgemeldet, dass er noch brauner sei als zuvor. „Ich bin halt schon fast Europäer geworden“, meint Ekwueme.

Mohammad Hai Ahmad aus Syrien
Er mag das Wetter in Deutschland, erklärt Mohammad Hai Ahmad, Verkäufer im Abdullah Ghali Lebensmittelhandel in Backnang. Auch 30 Grad Celsius würden ihn nicht ins Schwitzen bringen. In seinem Heimatland Syrien erreichen die Temperaturen schließlich oftmals 40 Grad Celsius. Das könnte dann auch mal unangenehm werden. Für solche Fälle habe seine Heimatstadt Deir ez-Zor, die im Osten Syriens liegt, Duschen auf der Straße aufgestellt. „Wie im Freibad“, erklärt Ahmad schmunzelnd. Sowieso finde dann der Großteil des Lebens in der kühleren Nacht statt und man könne Unterschlupf bei gastfreundlichen Freunden und Bekannten finden.

Im Nachbarland Saudi-Arabien und in Katar gebe es sogar Outdoor-Klimaanlagen, die ganze Straßen mit kühler Luft versorgten. Das müsse man sich aber natürlich leisten können, gibt der gebürtige Syrer zu. Neben kalt duschen, viel Flüssigkeit und frischem Essen wie Melonen empfiehlt er auch, auf die Kleidung zu achten. „Schwarz passt nicht zur Hitze“, ist sich Hai Ahmad sicher, obwohl er selbst ein schwarzes T-Shirt trägt. Aber wie gesagt, 30 Grad Celsius zählen für ihn nicht als Hitze.

Gulam Faruk aus Afghanistan
Aufgewachsen ist Gulam Faruk in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan. Die Stadt liegt etwas höher, aber im Sommer können es schon einmal 38 Grad Celsius werden. „Im Winter wird es richtig kalt und im Sommer richtig heiß“, erklärt der 58-Jährige. Ein Vorteil in Kabul ist, dass es in der Nähe einige Flüsse mit kaltem Gletscherwasser gibt. Diese hätten die Afghanen und Afghaninnen bei hohen Temperaturen gerne genutzt, um sich abzukühlen. Und da es dort weniger Industrie gibt als in Deutschland, seien die Flüsse viel sauberer, erinnert sich Gulam Faruk. Neben den Flüssen seien aber auch in Kabul Freibäder ein Klassiker gewesen, um der Hitze zu entgehen – jedenfalls war es so, bevor Faruk vor 39 Jahren nach Deutschland gekommen ist.

Beliebte Zwischenmahlzeiten bei hohen Temperaturen sind laut Faruk Wassermelone oder Joghurt mit Gurke und Pfefferminze. Außerdem trinke man nachmittags gerne einen Tee. „Die Leute hier denken, sie müssen kaltes Wasser trinken, um sich abzukühlen“, sagt er. Das ist allerdings anstrengend für den Körper und hilft nicht wirklich. In Kabul sei es daher auch üblich, lauwarmes Wasser zu trinken. Und wie die „Siesta“ in den südlichen Ländern Europas, ist auch in Afghanistan der Nachmittag an heißen Tagen mit Ruhe verbunden. „Es ist wichtig, viel zu trinken und langsamer zu machen“, betont Faruk. Er selbst trinkt, wenn es so heiß ist, gerne noch nach Feierabend einen grünen Tee und geht mit seiner Frau im Wald spazieren.

Murat Haber hat türkische Wurzeln
Zwar ist Murat Haber in Backnang geboren und aufgewachsen, doch besucht er jedes Jahr für einen Monat seine Verwandtschaft in der Türkei. Seine Eltern kommen aus der Stadt Denizli, in der es im Sommer über 40 Grad Celsius hat. Genau in der heißesten Zeit, nämlich in den Ferien im August, ist der 36-jährige Maschinenbau-Techniker jedes Jahr dort unten. „Wenn ich in Anatalya aus dem Flugzeug steige, bekomme ich einen Hitzeschlag ins Gesicht“, beschreibt er die Temperaturen. Bei ihm löst das neben Schweißausbrüchen aber auch Urlaubsgefühle aus.

Da er jedes Jahr aufs Neue mit der Hitze umgehen muss, hat Murat Haber jede Menge Ratschläge parat. „Es ist so wichtig, viel zu trinken“, sagt er. Alle paar Meter gebe es in Denizli einen Kiosk mit stillem, gekühlten Wasser. „Jeder dort hat eine Flasche in der Hand“, erzählt Haber. Zudem gebe es viele Wasserspender, die in der Stadt verteilt sind. „In Denizli findet man viele kostenlose Schattenplätze und kostenloses Trinkwasser. Das gibt es hier gar nicht“, bemängelt er an Backnang. Ein wichtiger Faktor sei auch der richtige Umgang mit Klimaanlagen. „Der extreme Wechsel von Kälte zu Wärme macht krank“, sagt Haber. Man müsse aufpassen, wie man mit den Geräten umgeht. „Ich vermeide es, überhaupt eine Klimaanlage zu verwenden“, sagt er. Viel besser sei es, mittags daheim zu bleiben. Dafür lässt Murat Haber nachts seine Fenster offen und tagsüber lässt er die Rollläden auf der Sonnenseite unten. So bleibt es daheim schön kühl.

Alieu Ngum aus Gambia

Wenn Alieu Ngum über die Hitze meckert, bekommt er von seinen Freunden oft zu hören: „Wieso meckerst du, du kommst doch aus Afrika?“ Doch für den Gambier, der seit 2014 in Deutschland lebt, ist klar: Manchmal muss eben auch er meckern. Vielleicht auch, weil er sich an die kälteren Temperaturen in Deutschland gewöhnt hat. „Der Körper passt sich an“, sagt er. Außerdem ist es auch seinen Landsleuten zu warm, wenn die Temperaturen bei 34 Grad Celsius liegen. Dennoch findet der in Oppenweiler wohnende Alieu Ngum, dass die Menschen in Gambia besser mit den hohen Temperaturen zurecht kommen als die Deutschen. Zwischen 28 und 32 Grad Celsius seien dort normal, wenn wie momentan Trockenzeit ist. „Wir sind daran gewöhnt, das ist ganz anders als hier“, sagt er.

Der 37-Jährige nennt Bäume als wichtige Schattenquelle in Gambia. Außerdem sei es üblich, an die Küste zu fahren und sich dort abzukühlen. Sein Heimatort Serekunda liegt etwa 20 Kilometer vom Meer entfernt. Dorthin machte er damals viele Ausflüge. In Deutschland sind die heißen Tage für den Informatiker gut zu ertragen. Nämlich entweder im Homeoffice oder im Büro – denn das hat eine Klimaanlage.

Foto: Alexander Becher

Zum Artikel

Erstellt:
19. Juli 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen