Hoch hinaus
Gersthofen war Schauplatz der Ballonfahrt – Heute informiert ein Museum über diese Geschichte
Der Wind bestimmte einst die Richtung der Flugobjekte, die heute im Ballonmuseum Gersthofen zu sehen sind. Ein Streifzug durch die faszinierende Welt rund um die Ballonfahrt.

Gersthofen Losgelöst von der Erde, auf den Flügeln des Windes durch die Lüfte gleiten – diese Wunschvorstellung trieb Baron von Lütgendorf an, als er am 24. August 1786 in Augsburg in die schiffsähnliche Gondel unter dem rot-weiß gestreiften Ballon stieg. In der aus feinstem „Taffet“ (Taft) gefertigten Hülle befanden sich rund 550 Kubikmeter Wasserstoff. 100 000 Zuschauer fieberten bei der Pionierfahrt von Joseph Karl Maximilian Freiherr von Lütgendorf mit. Aufgrund der damaligen Wetterlage fiel die Fahrt aber buchstäblich ins Wasser, ebenso wie seine weiteren Versuche, bei denen erst menschliches und dann Materialversagen verhinderten, dass Lütgendorf als erster deutscher Aeronaut in die Annalen einging. Der erste geglückte Aufstieg eines Heißluftballons aus Papier war bereits drei Jahre zuvor gelungen, und zwar den Brüdern Joseph und Étienne de Montgolfier in Frankreich. Sie sind die Erfinder des Heißluftballons, der sogenannten Montgolfière.
Nach dem Misserfolg wurde der Baron von seinen Mäzenen aus Augsburg vertrieben, so dass er weitere Flugversuche ins nahe Gersthofen verlegte, die allesamt als Blamage endeten – der Baron hob nie ab. Seitdem ist Gersthofen aber aus der Frühgeschichte der Ballonfahrt nicht mehr wegzudenken und besitzt seit 1907 sogar einen Startplatz für Gasballone, von denen es in Deutschland nur fünf weitere gibt – eine Pipeline führt vom benachbarten Chemiewerk direkt dorthin. Neben Weltmeisterschaften findet auf dem Gelände alljährlich auch der Ballonmuseums-Cup statt. „Ich habe leider keinen Pilotenschein, fahre aber als Gast immer gerne mit“, sagt Museumsleiter Dr. Thomas Wiercinski. Der Kunsthistoriker entdeckte 2013 – mit Übernahme der Museumsleitung – seine Leidenschaft für die Ballonfahrt und ihre abenteuerliche Geschichte.
„Die Stadt Gersthofen hat 1985 dem Augsburger Ballonfahrer Alfred Eckert ihren alten Wasserturm für seine Aeronautik-Sammlung zur Verfügung gestellt – es war das weltweit erste Museum dieser Art“, betont Wiercinski und sagt stolz: „Heute ist es eines von den fünf Museen in Deutschland, das von der FAI (Fédération Aeronautique Internationale) empfohlen wird.“ Auch das Zeppelinmuseum in Friedrichshafen und das Deutsche Museum in München gehören dazu.
Schon von außen ist das Herzstück des Museums zu sehen, eine weitgehend originalgetreue Nachbildung des Ballons Erdlieb des Freiherrn von Lütgendorf – das ist der Ballon, der nie in die Luft ging. An Seilen hängt unter der riesigen Hülle eine prunkvolle Gondel, die an eine Schiffschaukel erinnert. In Deutschland gelang erst 1805 der erste Aufstieg in einem Ballon – der erfolgreiche Wegbereiter war der Mathematiklehrer Friedrich Wilhelm Jungius.
2003 ist das Ballonmuseum in den Neubau gegenüber gezogen. Auf drei Ebenen, verbunden mit einem Wendelgang, wird die Kulturgeschichte der Ballonfahrt, von Luftschiffen, Gas- und Heißluftballonen interaktiv und anschaulich dargestellt. Im begehbaren Ballonkorb mit den Sandsäcken wackelt es ganz schön – der ein oder andere bekommt dabei vielleicht sogar Lust auf eine richtige Ballonfahrt.
„Etwas Sand muss beim Flug mit dem Gasballon immer übrig bleiben – für Notfälle“, weiß Thomas Wiercinski. Das gelte auch für die Gasflaschen beim Heißluftballon. Statt am offenen Korb hing im Mai 1931 allerdings eine luftdichte Kapsel am Gasballon, mit dem der Schweizer Physiker Auguste Picard und sein Assistent Paul Kipfer von Augsburg aus in die Stratosphäre eingedrungen sind. Trotz einiger Pannen landeten die Wissenschaftler nach 17 Stunden glimpflich, wenn auch unkontrolliert, auf dem Großen Gurgler Ferner, einem Berggipfel in den Ötztaler Alpen.
In der Nachbildung der Kapsel des Museums, die es auf knapp 16 000 Meter Höhe schaffte, ist es eng und dunkel. „Durch kleine Gucklöcher konnten die beiden rausschauen“, sagt Wiercinski und zeigt auf die Mini-Ausgucke. Platzangst haben die Pioniere sicherlich nicht gehabt. Gleich mehrere Windkanäle besitzt das dem Museum angeschlossene Labor. Hier geht es um Luftdruck, Strömung und natürlich dem Auftrieb.