Höfliger will selbst Wasserstoff produzieren

Energiewende vor der Haustür (11) Das Unternehmen Harro Höfliger entwickelt seit Anfang des Jahres 2023 ein innovatives Energiesystem für seine Produktionsstandorte. In Allmersbach im Tal soll das Konzept mit Wasserstoff und Gasturbinen Ende des Jahres erstmals in Betrieb gehen.

Harro Höfliger hat den ersten Teil seines neuen Energiekonzepts bereits umgesetzt und das Dach in Allmersbach im Tal mit Solarmodulen bestückt. Die Röhren im Hintergrund sind Teil der Klimatechnik und haben nicht mit dem neuen Konzept zu tun. Foto: Harro Höfliger

Harro Höfliger hat den ersten Teil seines neuen Energiekonzepts bereits umgesetzt und das Dach in Allmersbach im Tal mit Solarmodulen bestückt. Die Röhren im Hintergrund sind Teil der Klimatechnik und haben nicht mit dem neuen Konzept zu tun. Foto: Harro Höfliger

Von Anja La Roche

Allmersbach im Tal. Kürzlich ist die Klimakrise im Rems-Murr-Kreis mit aller Deutlichkeit ins allgemeine Bewusstsein getreten: Starkregen mit Überschwemmungen in mehreren Gebieten richtete einen großen Schaden an. Um so wichtiger erscheint das Ziel der Bundesregierung, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Baden-Württemberg strebt das für seine Verwaltung bis 2030 an und dieses Ziel hat sich auch das Unternehmen Harro Höfliger aus Allmersbach im Tal gesetzt. Die Firma transformiert gerade ihr gesamtes Energiekonzept und entwickelt dafür in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Esslingen ein innovatives System.

Teile davon sind eine PV-Anlage auf dem Dach, selbst produzierter Wasserstoff als Speichermedium, Mikrogasturbinen und sogenannte Absorptionskältemaschinen. „In dem Aufbau, wie wir das geplant haben, gibt es das noch nicht“, sagt Stefan Mayer, der in der Firma mit rund 1900 Mitarbeitenden für die Bereiche Qualität, Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz zuständig ist. Selbst im Kreis der Bundesregierung seien sie mit ihrem Konzept auf neugierige Ohren gestoßen.

Bislang stillt das Unternehmen, das Produktions- und Verpackungsanlagen entwickelt und fertigt, seinen Energiehunger noch mit ein paar restlichen Ölheizungen und mit Strom und Gas über die Netzbetreiber. Die Firma rüstet nun auch deswegen auf nachhaltigere Technologien um, um sich unabhängig von externen Energielieferungen zu machen. Der Zeitpunkt ist für Höfliger zudem wirtschaftlich interessant, weil Bundes- und Landesregierung derzeit viel Geld in den Ausbau von erneuerbare Energien und in Technologie, Infrastruktur und Projekte in Sachen Wasserstoff investieren.

Stefan Mayer

© Harro Höfliger

Stefan Mayer

Welches Energiesystem sich für welche Firma eignet, ist völlig individuell. Bei Harro Höfliger beispielsweise wird viel Energie für die Klimatisierung der Reinräume und Labore benötigt, in denen ein permanenter Luftaustausch und Kühlung gewährleistet sein müssen. Außerdem arbeiten die Mitarbeiter nur im Einschichtbetrieb und auch am Wochenende steht die Produktion still. Deswegen wurde angestrebt, die selbst produzierte Energie – in diesem Fall von der Fotovoltaikanlage – in Form von Wasserstoff zu speichern, wenn sie nicht direkt benötigt wird. Die Firma plant deshalb, aus dem überschüssigen Solarstrom ihren eigenen Wasserstoff mit einem sogenannten Elektrolyseur herzustellen. Dieser Wasserstoff kann bei Bedarf von Mikrogasturbinen wieder in Strom verwandelt werden. Der von den Turbinen produzierte Strom und die Wärme werden entweder direkt genutzt, zum Beispiel für die Heizung, oder von der Absorptionskältemaschine in Kälte umgewandelt, um damit die Räume zu klimatisieren. Indem sowohl die Kraft als auch die Wärme der Turbinen genutzt wird und indem zwischen den Turbinen und der Absorptionskältemaschine Wärme und Kälte ausgetauscht werden, ergibt sich ein effizientes System. „Durch diese Kombination erreichen wir einen sehr hohen Wirkungsgrad“, sagt Mayer. Der liege bei etwa 96 Prozent.

Von Vorteil ist dabei auch, dass die Absorptionskältemaschine viel weniger Energie benötigt als eine herkömmliche Klimaanlage. Sie funktioniere quasi umgekehrt wie eine Wärmepumpe, vergleicht Mayer das Prinzip.

Den Turbinen kann sowohl Gas als auch Wasserstoff zugeführt werden

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Voraussichtlich könne mit diesem System die Hälfte des Strombedarfs am Standort Allmersbach mit dem selbst produzierten Wasserstoff gedeckt werden. „Unsere Planungen sehen vor, dass die Mikrogasturbinen mit bis zu 50 Prozent eigenproduziertem Wasserstoff betrieben werden“, erklärt Mayer. Die andere Hälfte des Strombedarfs plant die Firma mit zugekauftem Biogas oder Wasserstoff zu decken, der dann ebenfalls den Turbinen zugeführt wird. Denn ein entscheidender Vorteil der Miniaturgaskraftwerke ist, dass sie sowohl mit Gas als auch mit Wasserstoff gefüttert werden können. Dadurch bleibt das Unternehmen flexibel, was seine Brennstoffe angeht. Ob Harro Höfliger zukünftig eher Wasserstoff oder Biogas kaufen wird, das hänge von der Preisentwicklung ab. Und davon, wie die Politik den Ausbau des Gas- und Wasserstoffnetzes vorantreiben werde, sagt Mayer.

Baulich umgesetzt hat Höfliger bereits die Solaranlage auf dem Dach und einen großen Pufferspeicher zum Speichern von Warm- und Kaltwasser. Im nächsten Schritt kommen eine Mikrogasturbine, eine Absorptionskältemaschine, ein Wasserstoffspeicher und ein kleiner Elektrolyseurraum dazu. Mayer bezeichnet das als eine erste Pilotanlage, die Ende des Jahres am Hauptsitz der Firma in Betrieb gehen soll. „Dann können wir ins Allmersbach schon 500 Tonnen CO2 im Jahr einsparen.“ Dieser erste Ausbauschritt kostet das Unternehmen etwa 1,65 Millionen Euro. Offen ist noch die Höhe der Fördergelder (siehe Infotext).

In den folgenden Jahren soll die Anlage erweitert werden, sodass letztendlich 2500 Tonnen CO2 im Jahr in Allmersbach eingespart werden können. Auch an den anderen Standorten des Unternehmens soll das Energiesystem nach diesem Konzept transformiert werden. Dort könne sogar anteilig mehr Energie aus Eigenproduktion genutzt werden, weil es mehr Platz für Solaranlagen gebe, erklärt Mayer.

Ein Mitarbeiter der Hochschule untersucht die Energieeffizienz

Die Firma wird bei dem Umbau ihrer Energieversorgung von der Fachhochschule Esslingen begleitet. Ein Mitarbeiter der Hochschule ist dabei sogar zu 50 Prozent bei Höfliger angestellt. Er wertet die Anlagen hinsichtlich ihrer Energieeffizienz aus. Besonders im Fokus stehen dabei die Elektrolyseure. Diese spalten mit Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, sodass die Energie im Wasserstoff gespeichert wird. Bislang geht bei dieser Methode allerdings noch viel Energie verloren. Die Fachhochschule Esslingen forscht daran, wie der Wirkungsgrad der Elektrolyseure verbessert werden kann. „Durch die zusätzliche Nutzung der Abwärme aus den Elektrolyseuren erzielen wir nach derzeitigem Stand einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 75 bis 80 Prozent“, sagt Mayer. Ziel seien über 90 Prozent.

Wie weit der Weg in Richtung Klimaneutralität ist, das wird im Gespräch mit Stefan Mayer allerdings auch deutlich. Viele weitere Bereiche stehen an, zum Beispiel soll der Fuhrpark nach und nach elektrifiziert und die Gebäude besser isoliert werden. Und selbst wenn das Unternehmen bis 2030 im eigenen Wirkungskreis die Klimaneutralität erreicht, so heißt das längst nicht, dass auch die vor- und nachgelagerte Lieferkette in dieser Sache voran kommt. Die Herstellung der Maschinen bei Höfliger erzeugt den geringsten Teil der Emissionen im Vergleich zu ihrem Einsatz bei den Kunden.

Die Förderung ist noch ungewiss

Förderung Zunächst rechnete Harro Höfliger damit, dass die erste Ausbaustufe des Energiesystems zu 35 bis 45 Prozent vom Bund gefördert wird. Doch im Herbst urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Mittel, die im Jahr 2021 ursprünglich zur Bekämpfung der Coronakrise bereitgestellt wurden, nicht für den Klimaschutz genutzt werden dürfen. Seither sei die Höhe der Fördersumme unklar, sagt Mayer. Er rechnet aber mit einer Förderung von mindestens 25 Prozent und mit einer Amortisierung der Anlage nach sechs bis sieben Jahren.

Kritik an Bürokratie Mayer kritisiert, dass vor der Fördergenehmigung mit der Umsetzung nicht angefangen werden darf. Das sei ein generelles Problem in Deutschland und bremse die Energiewende aus – die ja eigentlich schnell vollzogen werden sollte.

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Erstellt:
8. Juni 2024, 06:00 Uhr

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