Hofnahes Schlachten ohne Transportstress
Durch sogenanntes hofnahes Schlachten soll Rindern der Stress vor der Schlachtung erspart werden. Die Tiere werden direkt am Hof geschossen. Auch für Landwirte und Metzger reduzieren sich Stress und Gefahren. Doch für das hofnahe Schlachten gibt es einige Vorschriften.
Von Kristin Doberer
Burgstetten. Ganz entspannt liegen die Limousin-Rinder von Bernd Pfeiffer auf ihrer Weide bei Erbstetten. Einige fressen, andere dösen in der Herbstsonne. Etwa die Hälfte des Jahrs leben die rund 125 Tiere hier durchgängig im Freien. Schutz vor Wind und Wetter bietet ein kleines Wäldchen, zugefüttert muss nur selten werden. Viele der Rinder werden auf dieser Weide geboren, der Kontakt mit den Menschen ist minimal. Lediglich zur Klauenpflege, bei medizinischen Behandlungen oder wenn es im Winter zurück in den Stall geht, kommt ihnen Landwirt Bernd Pfeiffer doch mal etwas näher. Hört sich eigentlich recht idyllisch an und das ist es auch – zumindest so lange, bis ein Tier aus der Herde genommen wird, um geschlachtet zu werden.
„In der Herde sind sie sehr gut zu händeln, aber ein Tier alleine ist dann schon recht wild“, sagt der Landwirt. Das bestätigt auch Werner Häfele, zu dessen Schlachtbetrieb die Rinder von Bernd Pfeiffer kommen. Die Weiderinder kommen zum Teil sehr aufgebracht und gestresst vom Transport an, das sei nicht nur gefährlich für alle am Transport Beteiligten, auch erschwere ein so aufgeregtes Tier das richtige Betäuben mit dem Bolzenschuss. Selbst das Veterinäramt hatte deshalb Bedenken bei diesen Einzelschlachtungen. Lediglich wenn die Tiere zu zweit transportiert wurden, sei das einigermaßen gegangen, so Häfele.
Häfele :„Das Ziel ist, dass das Tier nie einen Metzger sehen muss. Dass es immer nur mit dem Landwirt zu tun hat.“
Das soll sich in Zukunft aber ändern, denn seit gestern dürfen die Tiere von Bernd Pfeiffer direkt auf seinem Biolandhof geschossen werden. Mit der Genehmigung zum sogenannten hofnahen Schlachten soll den Tieren der Stress beim Separieren von der Herde, beim Beladen, Transportieren und Ankommen in der ungewohnten Betäubungsbox im Schlachtbetrieb erspart werden. Und so funktioniert das hofnahe Schlachten: Das Tier kommt in den Fangstand direkt neben dem Auslauf – eine Art Box, in der genau ein Tier Platz hat, in der es aber nicht wild um sich schlagen kann. Pfeiffer nutzt den Fangstand schon seit Jahren, um die Rinder zu impfen, bei tierärztlichen Untersuchungen, bei der Klauenpflege oder wenn er sie in Kleingruppen separiert, um sie von und zum Stall zu transportieren. „Den kennen die Tiere schon“, sagt er. Im Fangstand wird das Tier dann mit einem Bolzenschuss betäubt, anschließend erfolgt ein Schnitt durch die Kehle, das Tier wird noch am Hof ausgeblutet. In einer extra angefertigten und auslaufsicheren Metallwanne wird das tote Tier dann direkt in Häfeles Schlachtbetrieb gebracht, um dort weiterverarbeitet zu werden.
Bei der Schlachtung anwesend ist immer ein amtlich bestellter Tierarzt, aktuell kommt außerdem noch ein Metzger von Häfele dazu. „Dem Veterinäramt ist es besonders wichtig, dass die Betäubung richtig ist. So ein Bolzenschuss braucht Erfahrung“, sagt Veterinäramtsleiter Thomas Pfisterer. Langfristiges Ziel sei aber, dass Pfeiffer selbst den Bolzenschuss übernimmt. Dafür hat er bereits Seminare besucht und eine Genehmigung erhalten. „Das Ziel ist, dass das Tier nie einen Metzger sehen muss. Dass es immer nur mit dem Landwirt, den es kennt, zu tun hat“, sagt auch Häfele.
Erst seit 2021 erlaubt die EU, dass bis zu drei Rinder oder sechs Schweine pro Schlachtvorgang – die Anzahl ist in der jeweiligen Genehmigung des Amts genau geregelt – auf dem Hof oder der Weide getötet werden können. Dafür gibt es aber strenge Auflagen: So muss der Abtransport in einer speziellen Wanne oder einem Hänger erfolgen, welche zuvor von einer Behörde zertifiziert wurden. Außerdem gibt es eine zeitliche Frist. Sind die Tiere ungekühlt, müssen sie aus hygienischen Gründen innerhalb von zwei Stunden zu einem ebenfalls zertifizierten Schlachter transportiert werden. „Bei uns sind es eher 30 Minuten“, sagt Häfele. Außerdem wird der Ablauf bei drei Probeschlachtungen vom Veterinäramt genau geprüft und optimiert, bevor die Genehmigung erteilt wird. „Dabei findet jeder Landwirt Einzelfalllösungen, damit der Ablauf in den Betrieb passt“, sagt Pfisterer.
„Solange das System funktioniert und alle Vorschriften erfüllt sind, können das auch ganz einfache Lösungen sein.“ Die Wanne für den Transport habe Pfeiffer beispielsweise selbst gebaut. Die Maße seien extra so gewählt, dass diese problemlos in den Ablauf in Häfeles Schlachtbetrieb passen. Das seien die einzige zusätzlichen Ausgaben für den Landwirt gewesen.
Interesse der Landwirte am hofnahen Schlachten ist gegeben
Als Bio-Musterregion will der Landkreis hofnahe Schlachtungen unterstützen. Bei Informationsveranstaltungen wurden Landwirte und Metzger im Kreis bereits angesprochen – und das Interesse ist da. Aktuell haben inklusive Pfeiffer drei Betriebe im Kreis die Genehmigung für hofnahes Schlachten, fünf weitere Landwirte haben eine solche bereits beantragt. Doch weniger als ein Prozent der Landwirte schlachte aktuell hofnah. „Aber man muss ja klein anfangen“, sagt Dezernent Gerd Holzwarth. Er hofft, dass sich noch mehr Landwirte dazu entscheiden. „Das ist ja auch nicht nur für Biobetriebe eine Option“, sagt Holzwarth. Ideen wie das hofnahe Schlachten, die im Zuge der Bio-Musterregion vorangetrieben werden, können auch von konventionell arbeitenden Landwirten genutzt werden. Noch wird der Großteil der Rinder im Kreis auf üblichem Weg geschlachtet. Denn nicht überall eignet sich das Verfahren, gibt auch Holzwarth zu. Für größere Mengen sei es zum Beispiel nicht geeignet.
Zu dem Biolandhof von Bernd Pfeiffer passe es allerdings recht gut. Etwa einmal pro Woche wird eines seiner Tiere geschlachtet. Pfeiffer erhofft sich dadurch nicht nur weniger Stress für die Tiere, sondern auch mehr Flexibilität für sich selbst. „Man muss nicht um Punkt 7 Uhr im Schlachtbetrieb sein, weil alle auf einen warten. Man hat einen Puffer, wenn das Tier zum Beispiel nicht sofort in den Fangstand geht“, sagt Pfeiffer.