Hotel wird Isolierunterkunft für Geflüchtete
Im Backnanger Hotel am Südtor werden bis zu 200 Coronainfizierte aus den Erstaufnahmestellen des Landes untergebracht.

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Das Hotel am Südtor hat 73 Zimmer. Bis zu 200 Personen könnten hier untergebracht werden. Foto: A. Becher
Von Kornelius Fritz
Backnang. Durch den Krieg in der Ukraine ist die Zahl der Geflüchteten in den vier Erstaufnahmestellen des Landes in den vergangenen Wochen wieder massiv gestiegen. Weil gleichzeitig auch die Coronainfektionszahlen noch immer sehr hoch sind, steht das Land vor der Frage, wie infizierte Personen wirkungsvoll isoliert werden können. Dabei geht es ausschließlich um positiv Getestete mit leichten oder gar keinen Symptomen. Erkrankte mit schweren Verläufen werden auf den Infektionsstationen der Krankenhäuser behandelt.
Um eine unkontrollierte Virusausbreitung in den Erstaufnahmestellen zu verhindern, werden Personen mit einem positiven Testergebnis vorübergehend in eine Isolierunterkunft verlegt (siehe Infobox). Eine solche gab es schon einmal in der Region: Von April 2020 an hatte das Land Covid-Infizierte im ehemaligen Freizeitzentrum des Süddeutschen Gemeinschaftsverbands in Althütte-Sechselberg untergebracht. Nach der Räumung im April 2021 wurde dieses Gebäude allerdings verkauft. Deshalb steht es jetzt nicht mehr zur Verfügung.
Dem Hotelchef kommt das Angebot sehr gelegen
Aktuell gibt es noch eine Isolierunterkunft in Stuttgart-Nord mit etwa 200 Plätzen. Doch die könnten schon bald nicht mehr reichen, wenn Flüchtlings- und Infektionszahlen weiterhin so hoch bleiben. Auf der Suche nach einer weiteren Unterkunft ist das Regierungspräsidium nun auf das Backnanger Hotel am Südtor aufmerksam geworden. Geschäftsführer Boris Pecirep hatte sich nach einem Aufruf des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga selbst dafür beworben, denn das Hotel in der Stuttgarter Straße war aufgrund der Pandemie zuletzt nur schwach ausgelastet. „Wir leben fast ausschließlich von Geschäftsreisenden, aber die kommen momentan kaum“, sagt Pecirep. Messen und Tagungen finden so gut wie keine statt, auch sonst haben die Firmen ihre Reisen auf ein Minimum reduziert. Pecirep rechnet auch nicht damit, dass sich daran in diesem Jahr noch viel ändern wird. „Bis wir wieder auf Vorkrisenniveau sind, wird es sicher noch ein paar Jahre dauern“, vermutet der Hotelchef.
Das Angebot, alle 73 Zimmer für zehn Monate an das Land zu vermieten, kam ihm deshalb gerade recht. „Als Unternehmer muss man wirtschaftlich denken. Jetzt können wir die nächsten Monate sicher planen“, sagt Pecirep. Seine Firma betreibt noch ein zweites Hotel in Winnenden, so kann er seinen Stammkunden trotzdem weiterhin ein Übernachtungsangebot in der Region machen. Auch den Kunden, die bereits einen Aufenthalt im Hotel am Südtor gebucht hatten, bietet der Betreiber nun eine Umbuchung inklusive Upgrade ins Hotel „le Village“ in Winnenden an.
Das Hotel am Südtor wird nun in den nächsten Tagen zur Quarantänestation umfunktioniert, die ersten Infizierten werden voraussichtlich Anfang April in Backnang erwartet. Laut einer Mitteilung des Regierungspräsidiums (RP) sollen in Backnang vorrangig „vulnerable Personengruppen“ untergebracht werden. Als Beispiele nennt das RP Menschen mit Vorerkrankungen sowie Familien mit Kindern. Für die Betreuung vor Ort wird ein Team des Malteser Hilfsdienstes zuständig sein, das sich auch um die medizinische Versorgung der Erkrankten kümmert. Aber auch das Hotelpersonal soll laut Pecirep in die Abläufe eingebunden werden. Außerdem wird ein Securitydienst im Einsatz sein, der darüber wacht, dass die Infizierten in Isolation bleiben und das Hotel nicht verlassen. Deshalb werde es auch keinen Kontakt zwischen den Bewohnern und der Backnanger Bevölkerung geben, teilt das Regierungspräsidium mit. Sobald die Infizierten genesen sind, kehren diese wieder in ihre jeweilige Erstaufnahmeeinrichtung zurück.
Mietvertrag läuft zunächst bis Januar 2023
Der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hält es angesichts der humanitären Katastrophe in der Ukraine für selbstverständlich, das Land bei der Unterbringung der Geflüchteten zu unterstützen. „In der jetzigen Situation kann man sich dem meines Erachtens nicht entziehen“, sagt Friedrich. Klar ist aber auch, dass die Isolierunterkunft in Backnang eine temporäre Einrichtung bleiben wird. Der Mietvertrag mit dem Hotelbetreiber läuft zunächst nur bis 31. Januar 2023, wobei je nach Bedarf auch eine Verlängerung oder Verkürzung möglich ist.
Regierungspräsidentin Susanne Bay freut sich über die Unterstützung aus Backnang: „Die Entlastung der Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes hat sich in den vergangenen zwei Jahren bewährt, sodass wir froh sind, kurzfristig in Backnang eine temporäre Isolierunterkunft für Geflüchtete in der Erstaufnahme realisieren zu können.“ Nur gemeinsam werde man diese besondere Lage und die damit verbundenen Herausforderungen lösen können.
Zuständigkeit Die Erstaufnahme von Flüchtlingen ist eine Aufgabe des Landes. Dabei werden die Geflüchteten zunächst in den vier sogenannten Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) in Freiburg, Sigmaringen, Karlsruhe und Ellwangen untergebracht.
Testung Neu ankommende Flüchtlinge werden im Ankunftszentrum in Heidelberg beziehungsweise in der LEA, in der sie zuerst ankommen, zunächst auf Sars-CoV-2 getestet. Danach werden sie in die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verteilt. Positiv getestete Fälle werden einzeln beziehungsweise mit ihren Familienmitgliedern in „häusliche Quarantäne“ genommen. Zur Entlastung der sehr dicht belegten Erstaufnahmeeinrichtungen werden positiv getestete Personen wenn möglich in Isolierunterkünften außerhalb der LEA untergebracht.
Fallzahlen Anfang dieser Woche gab es in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes 83 bestätigte Coronafälle. Seit Beginn der Pandemie wurden insgesamt über 1700 infizierte Personen in einer temporären Einrichtung isoliert.