Hunderte Verletzte nach Blitzeis

Auf spiegelglatten Wegen und Straßen sind am Mittwoch viele Menschen verunglückt. In den Krankenhäusern kamen teils minütlich verletzte Patienten an, nach Stürzen oft mit Brüchen des Handgelenks oder der Hüfte und mit Platzwunden. Die Notaufnahmen waren überfüllt.

Im Weilimdorf kollidierte ein Transporter . . .

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Im Weilimdorf kollidierte ein Transporter . . .

Von unserer Redaktion

Stuttgart - Das Blitzeis am Mittwoch hat trotz Vorwarnungen der Wetterdienste viele überrascht – auch in seinem Ausmaß. Auf den Straßen brach Chaos aus. Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr waren in der Landeshauptstadt im Dauereinsatz. Für den Stadtkreis Stuttgart ist am Mittwochmorgen gar eine Außergewöhnliche Einsatzlage ausgerufen worden. Das ermöglichte, Einheiten des Katastrophenschutzes in den Dienst zu nehmen, um die große Anzahl an Einsätzen abzuarbeiten. Wir geben einen Überblick.

Auf den Straßen Nach einer vorläufigen Bilanz der Stuttgarter Polizei hat es rund 150 Glatteis-Unfälle auf den Straßen gegeben. Drei Menschen verletzten sich dabei leicht, zum Großteil blieb es bei Blechschäden. „Wir mussten mehrere Nebenstrecken komplett sperren“, sagte Polizeisprecher Stephan Widmann. Darunter befand sich auch der Speidelweg zwischen Rohracker und Frauenkopf, wo auf abschüssiger Strecke gleich sechs Fahrzeuge ineinandergerutscht waren. Die Polizei musste die Unfälle Stück für Stück abarbeiten – nicht nur wegen der hohen Anzahl, sondern auch, weil sich die Streifenwagen beim Durchkommen selbst schwertaten.

Das galt auch für die Rettungskräfte. In der Leitstelle von Feuerwehr und Deutschem Roten Kreuz in Bad Cannstatt herrschte Hochbetrieb. Zusätzlich zu den Fahrzeugen des vorgeplanten Regelrettungsdienstes sind alle verfügbaren Rettungswagen und Krankentransportwagen mit dienstfreiem Personal in den Einsatz genommen worden. „Auch Einheiten der freiwilligen Feuerwehr wurden für First-Responder-Einsätze im Stadtgebiet hinzugezogen“, so Feuerwehrsprecher Markus Helfert. Auch das Personal in der Leitstelle sei auf das Maximum erhöht worden. 500 Notrufe gingen bis Mittag ein – danach entspannte sich die Lage.

In den Krankenhäusern Mehrere Krankenhäuser sprachen von einem „massiven Patientenaufkommen in den Notaufnahmen“. „Es war und ist die Hölle los“, hieß es etwa aus dem Diakonie-Klinikum im Stuttgarter Westen. Dort wurde wegen Überfüllung der Notaufnahme gar eine provisorische Unterbringung für die Patienten eingerichtet. „Wir haben im Gymnastikraum Betten und spanische Wände aufgestellt“, sagt Stephan Rauscher, Chefarzt der zentralen Notaufnahme, auf Anfrage unserer Zeitung. Kontinuierlich seien am Vormittag neue Verletzte eingeliefert worden: „So etwas habe ich in den vielen Jahren meiner Tätigkeit in der Notaufnahme noch nie erlebt“, so Rauscher weiter. Die häufigsten Verletzungen: schwere Prellungen, Platzwunden und Knochenbrüche. „Handgelenk, Sprunggelenk, Hüfte, Becken, Schulter – das sind die typischen Verletzungen.“

Auch am Karl-Olga-Krankenhaus (KOK) im Stuttgarter Osten waren deutlich mehr Behandlungen notwendig als sonst üblich. „Bei uns kommt der Rettungsdienst quasi im Minutentakt an“, sagte die Sprecherin Sandra Lehmann. Das Aufkommen an Patienten sei am Vormittag kaum zu bewältigen gewesen. „Wir hatten am frühen Morgen bereits 50 Patienten in der Notaufnahme“, so Ines Michelmann, die Ärztliche Leiterin der Notaufnahme.

Im Marienhospital im Stuttgarter Süden wurden zwischen 6 und 11.30 Uhr bereits gut 60 Patienten wegen Stürzen vorstellig – „meist mit Prellungen, aber auch viele Handgelenks- und Knöchelfrakturen, Schulterluxationen, Gehirnerschütterungen, teils mit Gedächtnislücken“, sagt Sabine Zeller von der Unternehmenskommunikation. „Das Aufkommen war kaum zu bewältigen.“ Leider seien auch einige Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit gestürzt: „Dadurch hatten wir einige Verspätungen und Ausfälle.“

Auswirkungen auf die Schulen Grad aus der Tür, lag manches Schulkind auch schon wieder auf dem Hosenboden. Vor den Häusern und auf den Gehwegen war am frühen Mittwochmorgen teils noch nicht gestreut – und so mussten viele Jungen und Mädchen ihren Schulweg wie auf rohen Eiern bewältigen.

„Bei den Kindern gab es ein paar kleinere Unfälle, die wir aber mit Pflastern und Kühlpacks behandeln konnten“, sagte Gerhard Menrad, Leiter der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule in Möhringen. Manche Kolleginnen und Kollegen hätten sich auf dem Weg zur Schule verspätet, manche hätten auch am späteren Vormittag noch gefehlt, sagte Menrad.

Verspätete Lehrkräfte und Schüler, einzelne ausgefallene Stunden – das gab es auch an anderen Stuttgarter Schulen. Ansonsten lief der Unterricht aber offenbar weitgehend reibungslos, berichteten verschiedene Schulleiterinnen und Schulleiter.

Flughafen Gefrierender Regen beeinträchtigte am Morgen den Betrieb am Stuttgarter Flughafen. Zeitweise wurde der Flugbetrieb ausgesetzt, da der Winterdienst auf der Landebahn im Einsatz war. Das hatte Folgen für die Starts, einer Sprecherin zufolge gab es große Verspätungen. Zwei Maschinen, die in Stuttgart hätten landen sollen, seien auf andere Flughäfen ausgewichen. Eine landete in Nürnberg und eine am Baden-Airport bei Karlsruhe. Später lief der Flugbetrieb wieder an.

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Erstellt:
15. Januar 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
16. Januar 2025, 21:58 Uhr

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