Hygieneverstöße werden veröffentlicht

Lebensmittelüberwachung im Rems-Murr-Kreis setzt Erlass zur Nennung am Hygienepranger besser um als die Nachbarkreise

Ist die Lebensmittelkontrolle in der Region besonders streng? Ein Blick auf die veröffentlichten Ergebnisse auf dem Verbraucherinfoportal legt diesen Schluss nahe – dort sind insgesamt elf Einträge für den Regierungsbezirk Stuttgart zu finden, elf davon im Rems-Murr-Kreis. Das liegt aber nicht daran, dass es anderswo keine Verstöße gibt.

Die Kontrolleure um Peter Herrschlein schauen sich an manchen Tagen mehrere Betriebe im Rems-Murr-Kreis an. Nicht alle Ergebnisse landen am Hygienepranger. Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Kontrolleure um Peter Herrschlein schauen sich an manchen Tagen mehrere Betriebe im Rems-Murr-Kreis an. Nicht alle Ergebnisse landen am Hygienepranger. Archivfoto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Eigentlich müssen alle gravierenden Hygienemängel in Lebensmittelbetrieben, also Verstöße, die ein Bußgeld von 350 Euro und mehr nach sich ziehen, zeitnah auf der Internetseite des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) eingestellt werden. Eigentlich. Bisher kommt dem kaum ein Landkreis im Regierungsbezirk Stuttgart nach. Elf Einträge sind auf der Seite Verbraucherinfo.ua-bw.de unter dem Punkt „Lebensmittelkontrolle“ für diese Region verzeichnet. Acht davon stammen aus dem Rems-Murr-Kreis, drei aus Stuttgart. Die übrigen elf Bezirke – darunter die Landkreise Ludwigsburg, Esslingen, Heilbronn und Schwäbisch Hall – haben noch keine Einträge auf dem landesweiten Hygienepranger veröffentlicht.

„Die gesetzliche Vorgabe gilt für alle Behörden gleichermaßen“, stellt MLR-Sprecher Peter Wippel klar. Ihnen sei kein Ermessensspielraum gegeben. Auch in den übrigen Teilen des Regierungsbezirks Stuttgart gab und gibt es entsprechende Verstöße – man habe jedoch mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen und sei dem Veröffentlichen deshalb noch nicht nachgekommen. Der Leiter der Stuttgarter Lebensmittelüberwachung, Thomas Stegmanns, sagte im Gespräch mit den Stuttgarter Nachrichten, man werde diesbezüglich schneller werden und es bald schaffen, die Verstöße innerhalb eines Monats zu veröffentlichen.

Rems-Murr-Kreis kommt den Verpflichtungen schneller nach

Dass andere ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, lässt nun den Rems-Murr-Kreis im Vergleich schlecht dastehen. Das liegt aber nicht daran, dass Gastronomie und Lebensmittelgeschäfte anderswo sauberer arbeiten. Die Lebensmittelüberwachung ist schlicht rascher ihrer Verpflichtung nachgekommen als die Kollegen anderer Landkreise. Nach dem Erlass des MLR im Oktober 2018 habe man im Rems-Murr-Kreis die Voraussetzungen geschaffen, um zeitnah die Ergebnisse amtlicher Kontrollen zu veröffentlichen, teilt ein Sprecher des Landratsamts mit. Schließlich sind die Ämter dazu verpflichtet. „Innerhalb von drei bis vier Wochen nach der Kontrolle wird der Verstoß veröffentlicht. Im Einzelfall kann es auch etwas länger dauern“, teilt der Sprecher mit. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn Proben zuvor im Labor getestet würden.

So wenig der Hygienepranger bisher von den Landratsämtern genutzt wird, so gering ist auch sein Bekanntheitsgrad bisher. Bereits im vergangenen Herbst wurde mit der Veröffentlichung begonnen – allerdings ohne viel Werbung. Das Ministerium weise auf seiner Startseite unter „Aktuelle Warnhinweise“ auf die Seite „Lebensmittel- und Produktwarnungen“ hin, dort sei wiederum auf das Portal hingewiesen, sagt Wippel. Die verfügbaren Informationen würden „transparent und übersichtlich“ auf der Homepage dargestellt. Im Vorfeld hatten sich Gastronomen lange gegen das Veröffentlichen von Verstößen unter Nennung des Betreibers gewehrt, doch das Bundesverfassungsgericht entschied 2018 pro Hygienepranger. Dass durch das Veröffentlichen die Existenz mancher Betriebe gefährdet werden könnte, stellten die Richter hinter der Informationspflicht für den Verbraucher an. Die Einträge müssen nach sechs Monaten jedoch wieder aus der Liste gelöscht werden. Kritik an den Vorgaben kommt auch aus dem Landratsamt Rems-Murr: „Der sehr gravierende Verstoß mit einer Gesundheitsgefährdung und einem sehr hohen Bußgeld wird genauso veröffentlicht, wie kleinere Verstöße ohne Gesundheitsgefährdung – bei denen aber aufgrund der Menge oder aufgrund der Wiederholungen das Bußgeld von 350 Euro gerade erreicht wird. Hier hätten wir uns eine breitere Differenzierung im Gesetz gewünscht“, teilt man dort mit.

Etwa 6840 Betriebe, die vom Fachbereich Lebensmittelüberwachung des Rems-Murr-Kreises überprüft werden, hatte das Landratsamt im Jahr 2017 verzeichnet. Da immer wieder Gastronomen und Einzelhändler schließen oder neu eröffnen, schwankt die Zahl. Angestrebt ist, dass 85 Prozent jener Betriebe kontrolliert werden, dafür hat das Landratsamt im vergangenen Jahr das Personal aufgestockt. Im ersten Halbjahr 2018 lag die Kontrollquote bei 64 Prozent. Für die einzelnen Kontrolleure bedeutet das im Schnitt drei Betriebe am Tag. Geschaut wird nach der Sauberkeit im Betrieb, die richtige Lagerung der Lebensmittel sowie die richtige Auszeichnung der Ware. Die Ergebnisse müssen dann auch noch protokolliert werden, gegebenenfalls werden Laboruntersuchungen für Lebensmittelproben angeordnet.

Im Jahr 2017 gab es insgesamt 3219 Kontrollen im gesamten Kreisgebiet. Es wurden 192 Bußgeldverfahren eingeleitet, 41-mal wurde ein Verwarngeld ausgesprochen und in 75 Fällen gab es sogar ein Strafverfahren – meist wegen des Verdachts auf Körperverletzung.

Verschmutzte Maschinen und schimmeliges Tomatenmark

Von den acht Einträgen der Lebensmittelkontrolleure im Rems-Murr-Kreis, die sich aktuell am Hygienepranger finden, betreffen drei Betriebe in Waiblingen, jeweils einen in Schorndorf und Winnenden und drei in Backnang. Die festgestellten Mängel decken eine große Bandbreite ab: Verdachtsproben erhoben die Kontrolleure beispielsweise bei einem Lieferdienst in Backnang. Hier wurden „mehrere Lebensmittel, wie Rinderstreifen, Bambusstreifen, Speck in Scheiben festgestellt, die für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet waren“. In einem Backnanger Lebensmittelladen etwa wiesen nicht alle abgepackten Produkte eine entsprechende deutsche Kennzeichnung auf, andere wurden nicht sachgerecht gelagert. Ein weiterer Eintrag lautet: „Verschmutzte Bedarfsgegenstände, wie eine Aufschnittmaschine zum Schneiden von Wurstwaren, wurden festgestellt.“ Dieser Mangel sei aber bei einer Nachkontrolle gut zwei Monate später behoben gewesen. In einer Gaststätte in Backnang waren „mehrere Lebensmittel nicht sachgerecht gelagert und bereitgehalten“, eine Dose mit Tomatenmark war „mit weißlichen Schimmelflecken behaftet“ und eine Vitrine war „mit angetrockneten und zum Teil angeschimmelten Lebensmittelresten verschmutzt“. Auch hier statteten die Lebensmittelkontrolleure dem Betrieb noch am gleichen Tag einen zweiten Besuch ab, da seien die Mängel bereits beseitigt gewesen.

Reaktionen der Bürger oder Gastronomen auf die Einträge blieben bisher aus, teilt das Landratsamt Rems-Murr mit, und auch das MLR hat bisher keine Anfragen oder Anmerkungen zu den Veröffentlichungen erhalten.

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Erstellt:
12. Februar 2019, 06:00 Uhr

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