Faszination, Ekel, Gefahren

Igittigitt! Spielschleim ist seit 50 Jahren der Kinder-Hit

Spielschleim ist nicht nur zu Halloween ein Renner. Ist er einfach nur eklig, oder hat er auch einen pädagogischen Wert? Eltern haben oft Vorbehalte, auch was die Zusammensetzung betrifft.

1976 kam mit „Slime“ von Mattel der erste Spielschleim auf den Markt. Seitdem hat der Spielschleim einen Siegeszug angetreten.

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1976 kam mit „Slime“ von Mattel der erste Spielschleim auf den Markt. Seitdem hat der Spielschleim einen Siegeszug angetreten.

Von Markus Brauer/Irena Güttel (dpa)

Zu Halloween haben wieder Vampire, Hexen, Monster und andere gruselige Wesen ihren großen Auftritt. Wichtige Accessoires sind dabei: Kunstblut und widerlicher Schleim. Wobei Spielschleim eigentlich das ganze Jahr über bei Kindern beliebt ist.

 

 

Original „Slime“ kam 1976 auf den Markt

Seit Generationen finden es diese faszinierend, die glibbrige, quietschbunte Masse durch ihre Hände rinnen zu lassen oder lange Fäden damit zu ziehen. Viele Eltern können dem Wabbelzeug dagegen nur wenig abgewinnen und fragen sich: Welchen Wert kann so ein Spielzeug haben? Und welche gefährlichen Chemikalien könnte es enthalten?

 

 

1976 kam mit „Slime“ von Mattel der erste Spielschleim auf den Markt. Der Augsburger Sozialpädagoge und Spielforscher Volker Mehringer kann sich noch genau erinnern: „Den habe ich damals geliebt.“ Heute seien es seine Kinder, die zu Hause begeistert damit herummatschten.

Faszination Schleim

Schleim habe eine Konsistenz, die es im Alltag nicht gebe, erläutert Mehringer. Er sei elastisch, klebe nicht, spreche viele Sinnesreize an und könne die Feinmotorik schulen. „Je nach Konsistenz kann es eine Herausforderung sein, den so in der Hand zu halten, dass er nicht wegfließt.“

 

 

 

 

Spannend finden Kinder aus seiner Sicht wahrscheinlich auch, dass sich Erwachsene vor dem Schleim oft ekelten. „Es ist sozial spannend, mit dem leichten Ekel zu spielen und eine gewisse Mutprobe, weil man sich überwinden muss, den anzufassen.“ Gleichzeitig stelle der Schleim keine Anforderungen. „Das lässt sich einfach nebenbei in die Hand nehmen, um sich für kurze Zeit abzulenken und dabei zu entspannen.“

Ein Aspekt, der den Spielschleim auch zum Trend in den sozialen Medien gemacht hat. In unzähligen Videos kann man Menschen dabei zuschauen, wie sie Schleim formen, ziehen, Glitzer oder knisternde Dinge hineinkneten. Auch die Geräusche, die dabei entstehen, finden manche Nutzer laut der Kommentare beruhigend.

Kritikpunkt Inhaltsstoffe: Was ist drin?

Doch Verbraucherschützer warnen seit Jahren vor gesundheitsgefährdenden Stoffen, die Spielschleim enthalten könnte. „Die schöne Schleimigkeit kommt dadurch zustande, dass man Borverbindungen hinzufügt“, erläutert Christine Throl vom Magazin „Ökotest“.

Dieses hatte 2019 verschiedene Wabbelmassen untersucht und zum Teil Borsäure-Mengen oberhalb der zulässigen Grenzwerte entdeckt. Eine Untersuchung von „Stiftung Warentest“ war zuvor zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Borsäure in Spielschleim für Kinder: Wir haben fünf „Slime“-Produkte untersucht bei allen wurden die zulässigen Grenzwerte deutlich überschritten. Die Produkte sind nicht verkehrsfähig: https://t.co/FGGZYWLWpopic.twitter.com/HxJyd8HX6E — Stiftung Warentest (@warentest) October 22, 2018

„Das Produkt an sich ist ein Problemprodukt“

Seitdem habe sich nicht nennenswert etwas verbessert, betont Throl. Seit 2020 bis heute habe es mehr als 150 Warnungen im europäischen Schnellwarnsystem Rapex zu Schleim-Produkten gegeben.

 

 

„Das Produkt an sich ist ein Problemprodukt. Letztlich weiß ich als Verbraucher nicht, was drinsteckt“, kritisiert Throl. Gesetzlich sei nicht vorgeschrieben, dass die Hersteller die Inhaltsstoffe auf der Verpackung angeben.

Borsäure und verschiedene andere Borverbindungen sind laut dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) als reproduktionstoxisch eingestuft. Das heißt, sie können die Furchtbarkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen.

 

 

Die europäische Spielzeugrichtlinie hat deshalb Grenzwerte festgelegt, wie groß die Menge an Borverbindungen sein darf, die die Produkte abgeben. In den nächsten Monaten werde die EU eine neue Spielzeugverordnung verabschieden, mit der die chemischen Grenzwerte noch einmal erhöht werden dürften, erklärt Ulrich Brobeil vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie.

Für kleine Kinder nicht geeignet

Das Matschen mit dem Spielschleim an sich ist bei der Borsäure weniger das Problem. „Es wird ein geringer Teil über die Haut aufgenommen, aber das ist vernachlässigbar“, sagt Throl. „Problematisch wird es, wenn größere Mengen verschluckt werden.“

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) gibt dagegen Entwarnung: „Die Wahrscheinlichkeit, dass durch das einmalige versehentliche Verschlucken auch größerer Mengen Wabbelmasse eine akute gesundheitliche Beeinträchtigung eintritt, ist sehr niedrig“, schreibt es in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2022.

 

 

Die Behörde hatte in einer Meta-Analyse die Daten von Proben aus verschiedenen Bundesländern ausgewertet. „Trotzdem sollten Eltern verhindern, dass ihr Kind die Wabbelmasse in den Mund nimmt, um den Kontakt mit Borsäure, aber auch anderen chemischen Substanzen gering zu halten“, heißt es vom BfR.

Niedriges gesundheitliches Risiko durch Borverbindungen in #Spielschleim und #Hüpfknete: Eltern sollten beachten, dass „Wabbelmasse“ für kleine Kinder meist nicht geeignet ist. Zur PM: https://t.co/k9jLJh8pmj Zur Stellungnahme: https://t.co/7XcqZDDz2cpic.twitter.com/4TyDHEKXtb — BfR | Bundesinstitut für Risikobewertung (@bfrde) June 16, 2022

Auf Qualität achten

Viele Hersteller zeichnen ihren Spielschleim deshalb als nicht für Kinder unter drei Jahre geeignet aus. „Ökotest“-Expertin Throl ist aber skeptisch, ob sich das im Alltag von Familien mit mehreren Kindern umsetzen lässt.

Kritisch seien vor allem Produkte aus Drittländern wie China, die über Billig-Handelsplattformen nach Deutschland gelangten, die sich aber nicht an die EU-Vorgaben für Spielzeug hielten, ergänzt Brobeil.

Mehringer rät deshalb beim Kauf auf die CE-Kennzeichnung zu achten. Diese sei aber nur eine Selbstauskunft der Hersteller, merkt er an. „Worauf man sich aber mehr verlassen kann, ist eine TÜV-Prüfung.“

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Erstellt:
27. Oktober 2024, 08:02 Uhr

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