Alkohol, Abenteuer, Suff und Party

Ikke Hüftgold oder KI: Wer schreibt intelligentere Ballermann-Texte?

Am Ballermann laufen Songs über Alkohol, Frauen und Partys. Könnte die nicht eigentlich auch eine KI texten? Mallorca-Legende Ikke Hüftgold sagt: Auf gar keinen Fall! Noch nicht!

Na dann, Prost! Ikke Hüftgold beim Grölen seiner Partyschlager in der Diskothek „Oberbayern“ am Ballermann auf Mallorca.

© Imago/nicepix.world

Na dann, Prost! Ikke Hüftgold beim Grölen seiner Partyschlager in der Diskothek „Oberbayern“ am Ballermann auf Mallorca.

Von dpa/Markus Brauer

„Mama, wenn ich groß bin, will ich Handwerker sein. Denn ein Handwerker, der schraubt sich einen rein.“ Oder: „Ciao Niveau, wir sehen uns erst am Montag. Denn ich geig’ mir heute einen rein wie Mozart.“

Ballermann-Charthit „Layla“

Diese dem Alkohol und Suff zugewandten Textzeilen sind derzeit Tag für Tag am Ballermann auf Mallorca zu hören. Nach dem Charterfolg von „Layla“ vor zwei Jahren versuchen mehr und mehr Künstler ihr Glück mit Partyschlagern. Selbst die Künstliche Intelligenz macht davor nicht Halt. Aber hat die KI am Ballermann eine Zukunft?

 

 

Das Album „Kontrollierte Inseleskalation“, im April offiziell von der geschützten Partymarke „Ballermann“ veröffentlicht, ist ein erster Versuch, das Genre zu verkünstlichen. Es enthält laut der Macher „mitreißende Party-Hymnen, elektrisierende Dance-Tracks und gefühlvolle Balladen“, getextet und komponiert mit Hilfe Künstlicher Intelligenz.

Das prosaische Ergebnis: „Sommerparty am Strand, eo eo. Mit dem Drink in der Hand, eo eo. Alle tanzen so frei, eo eo. Die Nacht gehört uns zwei.“ Oder: „Wodka-Lemon-Säule, meine Liebe. Mit dir fühl’ ich mich so gut. Wodka-Lemon-Säule, meine Triebe. Du fließt in meinem Blut.“ Textlich nun wirklich keine Champions League, selbst für Ballermann-Verhältnisse.

Wie schreibt man einen Ballermann-Ohrwurm?

Entgegen gängiger Vorurteile sei es für Außenstehende gar nicht so einfach, einen guten Mallorca-Hit zu schreiben, erklärt „Dicke Titten, Kartoffelsalat“-Sänger Ikke Hüftgold. „Hier geht es auch um Authentizität, wenn wir Texte schreiben. Du musst das Thema Mallorca leben und lieben und wissen, wie du die Jugendlichen ansprechen musst.“

 

 

Der 47-jährige Hesse, der eigentlich Matthias Distel heißt, weiß, wovon er redet. Mit seiner Plattenfirma „Summerfield Records“ ist er für zahlreiche Ballermann-Hits verantwortlich. Eine Auswahl:

Social-Media-Sprüche und Comedy-Anleihen

In diesem Jahr geht „Oberteil“ von Isi Glück und Marc Eggers in das Rennen um den Hit der Saison 2024. Auch dahinter stecken Hüftgold und sein Team. Woher kommt sein Gespür für Hits? „Das liegt daran, dass wir uns 24 Stunden mit dem Genre befassen und die musikalischen Trends einfließen lassen, die es immer wieder gibt. Und das kann eine KI auch nicht.“

In der Tat: Bei vielen Partysongs fließen Social-Media-Sprüche oder kreative Anleihen aus der Comedy ein. Bestes Beispiel ist die fast schon poetische Doppeldeutigkeit: „Ich überleg’, mit dem Saufen aufzuhören. Aber ich schwanke noch.“ Aus diesem Satz des Kölner Kabarettisten Dave Davis formte Hüftgold einen ganzen Song („Ich schwanke noch“).

„Menschen sind der KI momentan noch meilenweit voraus“

Beim Wording Auch Mickie Krause („Nie mehr Alkohol – freie Getränke“) ist bekannt für freche und kreative Textzeilen à la: „Geh mal Bier holen, du wirst schon wieder hässlich.“ Solche Ballermann-Bonmots fehlen auf dem KI-Album, das sich eher nach einer wahllosen Anreihung von Mallorca-spezifischen Begriffen anhört. Beim Wording und der Ironie sei man der KI „momentan noch meilenweit voraus“, betont Produzent, Komponist und Sänger Ikke Hüftgold.

 

 

Laut Bundesverband Musikindustrie, der nach eigenen Angaben rund 200 Musikfirmen in Deutschland vertritt, wird die Künstliche Intelligenz in der Branche schon jetzt gehäuft eingesetzt, etwa bei der Musikproduktion.

„Hier unterstützt die Technologie menschliches kreatives Schaffen als Werkzeug, kann es fördern und damit spannende Dimensionen der Kunst eröffnen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Florian Drücke. „In diesem Bereich liegen sehr viele neue Chancen, aber es braucht im Sinne einer auch wirtschaftlich tragfähigen Zukunft für die Kreativen und ihre Partner möglichst klare Vorgaben durch den Gesetzgeber.“

Hauptsache Sauftouristen können mitgrölen

Mit juristischen Fragen rund um die KI, etwa beim Urheberrecht, werden sich künftig auch die Ballermann-Produzenten verstärkt auseinandersetzen müssen. Ikke Hüftgold sieht auf lange Sicht sogar die Möglichkeit einer echten Konkurrenz. „Die KI wird natürlich weiter dazulernen. Es wird irgendwann der erste KI-Hit folgen, weil er so zufällig dumm zusammengewürfelt wurde, dass er dann doch funktioniert. Das wird alles passieren.“

 

 

Bis dahin werden die Sauftouristen auf Mallorca weiter Songtexte mitgrölen, die auf menschlicher Intelligenz basieren. Wie beim aus zufällig ausgewählten Worten zusammengewürfelten Hit „Delfin“ (Honk & Isi Glück) – ebenfalls aus der Hüftgold’schen Edelfeder: „Ich hab’ einen Delfin in meiner Bauchtasche. Und mein Pferd, wenn ich nicht aufpasse. Frisst dem Delfin aus meiner Bauchtasche seine Suppe weg. Er ist ‚n Schluckspecht.“

Info: Ballermann

Ballermann Der Begriff „Ballermann“ steht für eine Gegend mit Alkohol- und Partytourismus, die insbesondere in der Schinkenstraße und in Lokalen wie Mega-Park, Bierkönig und Oberbayern gepflegt wird. Die dort entstandene Ballermann-Musik ist eine Form des Partyschlagers.

Partyschlager Partyschlager sind Stimmungslieder. Die einfach gestalteten Texte drehen sich primär um Alkohol (insbesondere Bier), Party und Sex, weshalb Partyschlager auch unter der Rubrik „Sauflieder“ fungieren.

Duden Der Begriff „Ballermann“ steht seit 2004 sogar im „Duden“, dem Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache: „Gebiet an der Playa de Palma auf Mallorca, das durch eine Vielzahl von Bars, Strandcafés u. Ä. gekennzeichnet ist.“

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Erstellt:
20. Mai 2024, 09:50 Uhr
Aktualisiert:
20. Mai 2024, 20:48 Uhr

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