In der Region Backnang fehlt es an Prüfern für den Führerschein
Fahrlehrer in der Region Backnang berichten von langen Wartezeiten auf Termine für praktische Führerscheinprüfungen. Ursache ist, dass die zuständige Prüforganisation Tüv Süd zu wenige Fahrprüfer hat. Die Fahrlehrer kritisieren das Personalmanagement und die Kommunikation.
Von Anja La Roche
Rems-Murr. Der Fahrlehrer Andreas Rupp aus Backnang hat gerade eine Schülerin bei ihrer Führerscheinprüfung begleitet. Acht Wochen hat diese auf ihren Prüfungstermin warten müssen. „Das ist nicht tragbar“, sagt der Fahrlehrer. Es ist ein Problem, das die Fahrschulen schon seit fast zwei Jahren beschäftigt: Der Tüv Süd hat zu wenige Fahrprüfer für das Marktgebiet Stuttgart, zu welchem auch der Rems-Murr-Kreis zählt. Statt zwei bis drei Wochen müssen die Schüler drei bis fünf Wochen warten, manchmal noch länger, bis sie ihre praktische Prüfung absolvieren können. Das geht mit Unannehmlichkeiten für die Fahrschulen, Schüler und Eltern einher, etwa weil Fahrschüler nachgeschult werden müssen. Oder weil die jungen Leute nach ihrem Schulabschluss eigentlich schnell einen Führerschein bräuchten, um zum neuen Ausbildungsplatz zu gelangen.
Die Fahrschulinhaber im Raum Backnang kritisieren den Tüv Süd, dass sich nicht rechtzeitig und in ausreichendem Maß um Personal bemüht wurde. „Die Eltern und Schüler sind unzufrieden“, sagt Rupp, der die Academy Fahrschule Rupp betreibt. Wenn mal einer durchfalle, müsse er zehn bis elf Wochen warten, bis er einen neuen Termin bekomme. „Und der Tüv vertröstet und vertröstet“, so Rupp, der auch als Stadtrat im Gemeinderat Backnang sitzt.
Bislang war keine Besserung in Sicht
Sein Betrieb mit sechs Fahrlehrern bekommt derzeit sechs feste Prüfungstermine pro Woche, „eigentlich bräuchten wir pro Woche drei mehr“. Bereits vor einem Jahr habe der Tüv Süd die Bedarfe bei den Fahrschulen abgefragt, doch seitdem habe sich nichts verbessert. „Im Endeffekt heißt es, die Fahrschule kann das nicht leisten.“
Die Fahrschule Schmidt aus Sulzbach an der Murr hat aktuell acht feste Prüftermine pro Woche, eigentlich bräuchte sie doppelt so viele. „Wir haben den Tüv öfter drauf hingewiesen, aber da ist wenig Besserung in Sicht“, sagt der Inhaber Steffen Schmidt, der auch Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Rems-Murr-Kreis ist. Mit dem Rückstau, der nach der Coronapandemie für längere Wartezeiten gesorgt hatte, habe das nichts zu tun. Vielmehr seien relativ viele Prüfer in Rente gegangen oder hätten gekündigt. Außerdem wurden die Prüfzeiten 2021 um zehn Minuten verlängert, pro Tag fallen dadurch ein paar Termine weg. „Der Tüv hat zu wenig reagiert. Für uns ist das geschäftsschädigend; wir kriegen unsere Fahrschüler nicht versorgt.“
Fast schon wütend klingt Konstantinos Tsifoutis, Inhaber der Fahrschule Euro-Drive. „Die haben eben das Monopol.“ Wie die anderen Fahrschulinhaber spricht er von einer schlechten Kommunikation vonseiten des Unternehmens, immer wieder stoße er auf Stillschweigen. Statt sechs feste Prüfungstermine wie vor zweieinhalb Jahren bekomme er nur noch drei am Freitagnachmittag, „da wissen Sie, was auf den Straßen los ist“, sagt er.
Die zusätzlichen Termine, die der Tüv kurzfristig einstelle, beispielsweise wenn andere Fahrschulen absagen, seien keine gute Lösung. „Ich oder meine Frau, wir müssen dann kurzfristig abends in die Fahrschule fahren und die Prüfung vorbereiten. Organisatorisch schlaucht mich das“, sagt Tsifoutis, der mit nur drei Fahrlehrern die kleinste Fahrschule der befragten Inhaber betreibt. In der Fahrschule von Andreas Rupp schaue die Bürokraft alle zehn Minuten auf der Internetseite des Tüv, ob neue Prüftermine eingestellt wurden, die kurzfristig frei geworden sind. „Wir haben eigentlich auch anderes zu tun“, sagt Rupp.
Zusätzliche Prüftermine an Samstagen
Dass der Tüv nun in großem Umfang zusätzliche Prüftermine an Samstagen anbietet, um die Situation etwas zu verbessern, ist zwar an sich gut für die Fahrschulen, bedeutet aber auch eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Fahrlehrer.
Ihre Kritik richten die Fahrlehrer indes nicht an die Prüfstelle in Backnang. „Die Tüv-Stelle in Backnang ist sehr bemüht“, sagt Schmidt. Vielmehr gehe es um die Mitarbeiter, die für das Marktgebiet Stuttgart zuständig sind. Neben dem Rems-Murr-Kreis gehören auch die Landkreise Ludwigsburg, Böblingen und Stuttgart dazu.
Dabei scheinen in den anderen Gebieten des Tüv Süd die Wartezeiten kürzer zu sein. „Das Personalproblem ist kein landesweites Problem, sondern ein Problem im Marktgebiet Stuttgart“, bestätigt der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg, Jochen Klima. Das Landesverkehrsministerium sei infolge der Beschwerden inzwischen eingeschaltet.
Auf Nachfrage der Redaktion sagt ein Pressesprecher von Tüv Süd, Vincenzo Lucà: „Die Wartezeiten in Stuttgart sind zwischen drei und fünf Wochen, normalerweise sind es zwei bis drei Wochen. Ich glaube, das ist verkraftbar. Aber wir wollen das Problem auch nicht wegreden.“
Es herrscht Fachkräftemangel
Das Unternehmen zeigt sich bemüht, die Personalknappheit in den Griff zu bekommen. „Wie in anderen großen Betrieben herrscht bei uns Fachkräftemangel.“ Zum einen brauche es in der Metropolregion Stuttgart besonders viel Personal, weil eben auch besonders viele Fahrprüfungen abgenommen werden müssten, zum anderen sei neues Personal nicht einfach auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Das liege daran, so erklärt es der Pressesprecher, dass die Fahrprüfer amtlich anerkannte Sachverständige sein müssen. Das bedeutet, sie müssen nach einem Ingenieurstudium eine zweijährige Ausbildung absolvieren. Erst dann sind sie befähigt, Fahrprüfungen durchzuführen und auch Fahrzeuge auf technische Mängel zu untersuchen.
Seit Frühjahr 2022 habe das Landesverkehrsministerium dem Tüv Süd aber eine Sonderregelung zugestanden: Das Unternehmen darf seitdem Personen innerhalb von sieben Monaten zum Fahrprüfer ausbilden. Die Untersuchung von Fahrzeugen gehört dann aber nicht zum Berufsprofil.
Auf diesem Weg konnte der Tüv Süd laut Lucà nun sechs neue Prüfer ausbilden, die diesen Monat ihre Arbeit in der Marktregion Stuttgart aufnehmen. Zwei weitere sollen im Dezember, sechs weitere zu Beginn des nächsten Jahres folgen. „Wir versuchen, die Situation für alle Beteiligten zu verbessern“, sagt Lucà.
Um kurzfristig mehr Prüftermine anbieten zu können, hat der Tüv Süd außerdem zugesichert, Kollegen aus anderen Marktgebieten für den Stuttgarter Bereich abzustellen. Der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Jochen Klima sieht darin einen kleinen Lichtblick für die Fahrschulen.
Von Anja La Roche
Sicher ist es angesichts des Fachkräftemangels nicht einfach, ausreichend Personal zu finden. Zumal die Fahrprüfer und -prüferinnen normalerweise ein Ingenieurstudium benötigen – und für Ingenieure gibt es im Stuttgarter Raum viele attraktive Arbeitsplätze. Die Sonderregelung einer verkürzten Ausbildung zum Fahrprüfer ist daher zu begrüßen und dürfte mittelfristig für Entspannung sorgen.
Nichtsdestotrotz ist es ein Armutszeugnis für den Tüv Süd, dass trotz zahlreicher Beschwerden von den Fahrschullehrern und trotz planbarer Parameter wie Renteneintritte und Prüfzeitverlängerung nicht ausreichend gehandelt wurde. Ausbaden müssen das jetzt die Fahrlehrer, Schüler und Eltern. Die zuständigen Tüv-Mitarbeiter sollte sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden. Zu dieser zählt auch eine gute Kommunikation mit den Fahrlehrern. Statt Stillschweigen oder standardisierter Antworten auf E-Mails sollte der Tüv Süd die Probleme der Fahrschulen ernst nehmen.
a.laroche@bkz.de