Islamist gastiert in Gmünder Moschee
In der Türkei radikal, in Deutschland ganz brav?
Seit Monaten tourt ein prominenter umstrittener Prediger durch Moscheen in Baden-Württemberg. Warum haben ihn die Gemeinden trotz seiner radikalen Aussagen eingeladen?
Von Eberhard Wein
In der Türkei polemisiert er gegen den „Westen“ und warnt vor einem engen Verhältnis zu Christen und Juden. In Deutschland tourt Yasin Pişgin durch Moscheen und spricht offenbar brav über die Bedeutung von Dialog, Integration und Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Mehrfach hat der Professor für islamische Theologie aus dem türkischen Burdur in den vergangenen Wochen in Deutschland Station gemacht, allein dreimal in Baden-Württemberg. Zuletzt sprach er am zweiten Weihnachtsfeiertag in Schwäbisch Gmünd. Nachdem die Tageszeitung „Welt“ über das Gastspiel berichtete, steht die dortige Gemeinde des Dachverbands Ditib in der Kritik.
Dass hier ein islamistischer Prediger unterhalb des Radars der Behörden von Moschee zu Moschee zieht, ist aber nicht ganz richtig. Das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz hat zwei weitere Auftritte von Pişgin im November und Dezember in Villingen-Schwenningen und Freiburg auf dem Schirm. Die beiden Veranstaltungen seien als „Morgengebet mit der Familie“ und als „Herzensgespräch“ bei den dortigen Gemeinden der „Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş“ (IGMG) angekündigt gewesen, bestätigt ein Sprecher. Vom Auftritt in Gmünd weiß die Behörde dagegen nichts. Millî Görüş wird in Baden-Württemberg, anders als anderswo, überwacht. Die vom türkischen Staat gelenkte Ditib ist aber auch hier kein Beobachtungsobjekt.
Der OB fragt besorgt nach
Ibrahim Aslan, der Vorsitzende des in einem umgebauten Baumarkt ansässigen Moscheevereins, bestätigte Pişgins Auftritt in Gmünd gegenüber unserer Zeitung. Zur alljährlichen Kermes habe der Gelehrte einen Vortrag gehalten. Die Vorwürfe wies Aslan zurück. „Die Buchvorstellung stand ganz im Zeichen der positiven Gesellschaft, ohne Abgrenzung nach Religion oder Herkunft“, versicherte er in einem Gespräch auch dem Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU). Er hatte nach der Anfrage unserer Zeitung ebenfalls besorgt nachgefragt.
Es sei in dem Vortrag um Frieden und Respekt gegangen, heißt es in einer Stellungnahme der Ditib-Moschee. Man habe im Vorfeld die Inhalte wie üblich abgesprochen. „Herr Pişgin legte besonderen Wert darauf, wie Muslime in Deutschland ihre Religion authentisch leben und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten können“, sagte Aslan. Was Aussagen betreffe, die Pişgin an anderer Stelle zugeschrieben würden, „können wir sie nicht abschließend beurteilen, da uns weder der genaue Wortlaut noch die konkreten Umstände und der Kontext bekannt sind“, sagte Aslan.
Juden würden in Affen verwandelt, sagt der Prediger
Was in Gmünd, Villingen und Freiburg gesprochen wurde, lässt sich nicht mehr unabhängig überprüfen. Auf der Instagram-Seite von Pişgin gibt es nur ein Foto, auf dem der Redner im gut gefüllten Saal der Gmünder Moschee steht. Von Aufritten in der Türkei existieren im Internet jedoch Mitschnitte, und die haben es laut „Welt“ teils in sich. In einem Vortrag vom Oktober 2023 sagte Pişgin, dass Allah die Vorfahren der Juden „in Affen und Schweine verwandelt“ habe, da sie „die Religion Allahs verspottet“ hätten. Im November 2023 bezeichnete er die „Kinder Israels“ als „verabscheuungswürdige Affen“. Dabei zitierte er eine Koransure, deren wörtliche Interpretation für die heutige Zeit umstritten ist.
Auch die Terrororganisation Hamas wird positiv erwähnt. Dass die Verantwortlichen in deutschen Moscheen von Pişgins Hintergrund nichts wüssten, hält Eren Güvercin für „absurd“. Der Prediger werde ja nicht zufällig eingeladen, sondern weil er Publikum anziehe. Güvercin ist Gründer der Alhambra-Gesellschaft, die sich für einen europäischen Islam einsetzt. Seine Einschätzung: Pişgin sei kein abgehobener Akademiker wie vielleicht ein deutscher Theologieprofessor. „Das ist ein Einpeitscher mit 130 000 Followern!“
Gemeinden distanzieren sich
Die Verantwortlichen rudern inzwischen zurück. „Nach einer ersten groben Sichtung“ habe man ebenfalls problematische Aussagen festgestellt, die „mit den Werten und Positionen unserer Gemeinschaft nicht vereinbar“ seien, zitiert die „Welt“ den Generalsekretär von IGMG in Deutschland, Ali Mete. Bei Ditib in Schwäbisch Gmünd äußert man sich ähnlich: „Sollten solche Äußerungen in anderen Vorträgen tatsächlich getätigt worden sein, distanzieren wir uns selbstverständlich in aller Deutlichkeit davon.“ Bei der Fülle an Informationen im digitalen Zeitalter sei es aber „nicht möglich, jede dort zirkulierende Aussage zu überprüfen oder zu bewerten.“