Krise im Kongo

„In Goma herrscht Anarchie“

Das Tübinger Hilfswerk Difäm Weltweit unterstützt seit Jahren kirchliche Gesundheitseinrichtungen im Osten Kongos. Die Direktorin Edda Weidmann berichtet von den schwierigen Bemühungen, die Menschen im Krisengebiet zu unterstützen.

Nach Explosionen versuchen Zivilisten den Verletzten zu helfen und sie schnellstmöglich in ein Gesundheitszentrum zu bringen.

© dpa/Janvier Barhahiga

Nach Explosionen versuchen Zivilisten den Verletzten zu helfen und sie schnellstmöglich in ein Gesundheitszentrum zu bringen.

Von Regine Warth

Die Gewalt in Goma ist alltäglich geworden. Medizinische Hilfen gibt es kaum, weil es keine gesicherten humanitäre Korridore gibt. Wie groß der Aufwand von kleineren Hilfsorganisationen ist, Zivilisten im Krisengebiet dennoch zu helfen, erklärt die Direktorin des Tübinger Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm), Edda Weimann.

Frau Weimann, wie beurteilen Sie die Situation im Osten der Demokratischen Republik Kongo?

In Goma und im Nordkivu ist die Situation sehr dramatisch. Wir erhalten fast täglich Berichte von massiven Menschenrechtsverletzungen, sexualisierter Gewalt, Zwangsrekrutierungen und Schießereien. Die Krankenhäuser sind bereits voll von Menschen mit Schussverletzungen. Unsere Partner dort haben dem wenig entgegenzusetzen. Medikamente und Verbandsmaterialien gehen zur Neige. Viele Mitarbeitenden sind geflohen, die verbliebenen sind traumatisiert und erschöpft. Dramatisch ist auch die Lage in den Flüchtlingscamps. Viele Camps sind zerstört.

Welche Hilfen benötigen die Menschen dort?

Es fehlt an allem, und es ist schwierig, Hilfe zu den Menschen zu bekommen. Deshalb muss es höchste Priorität haben, humanitäre Korridore einzurichten, die etwa von der UN abgesichert werden. Im Moment sind Medikamente und medizinisches Verbrauchsmaterial essenziell. Aber es braucht auch Lebensmittel.

Warum ist es so schwierig, die Menschen dort zu unterstützen?

Nach unserer Einschätzung herrscht in Städten wie Goma an vielen Orten Anarchie. Menschen rüsten sich mit zurückgelassenen Waffen aus und versuchen, mit Gewalt an Lebensmittel zu kommen. Da alle Banken geschlossen sind, kommen die Menschen nicht an ihr Geld.

Was will Difäm Weltweit unternehmen?

Difäm Weltweit ist nur eine relativ kleine Entwicklungsorganisation. Große Maßnahmen wie eine Luftbrücke übersteigen unsere Fähigkeiten. Aber wir haben vertrauensvolle Beziehungen zu den Partnern und den Kirchen vor Ort. Deshalb haben wir die Möglichkeit, über diese Wege direkte Hilfe zu leisten. Im Moment bringen wir die Lieferung von Medikamenten und Verbandsmaterial auf den Weg.

Braucht es mehr Spenden?

Natürlich sind wir als Difäm Weltweit auf Spenden angewiesen, um die akute Not der Menschen vor Ort kurzfristig lindern zu können. Das löst aber nicht das grundlegende Problem: Ursache und Motor des Konflikts sind Rohstoffe wie Coltan, das in jedem Akku verbaut wird. Solange die Industrienationen die illegal abgebauten Rohstoffe kaufen, befeuern sie den Krieg und sind für die Gräueltaten mitverantwortlich. Wir alle müssen daher die Politik auffordern, aktiv zu einer Lösung des Konflikts beizutragen.

Passionierte Kinderärztin und Klimaschützerin

NachfolgeDie Professorin Edda Weimann (61) hat Anfang des Jahres 2025 die Position als Direktorin und Vorstandsvorsitzende des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e. V. übernommen und tritt damit die Nachfolge von Dr. Gisela Schneider an.

AusbildungWeimann ist Kinderärztin, Fachärztin für Endokrinologie und Diabetologie, hat einen Master in International Health Systems und verfügt über langjährige internationale Führungserfahrung als Leiterin von Krankenhäusern. Sie berät internationale Organisationen im Bereich Klima und Gesundheit von Gesundheitssystemen.

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Erstellt:
9. März 2025, 17:54 Uhr

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