Von Glauben, Aberglauben und Verschwörungen

In Krisenzeiten blüht der Aberglaube

Kriege und Katastrophen aller Orten: Die Wahrnehmung der Gegenwart als krisenreiche Zeit fördert aus Sicht des Historikers Tillmann Bendikowski den Aberglauben auch in Deutschland. Belege dafür gebe es genug.

Die schwarze Katze, im Aberglauben ein Glücks- oder Unglücksbringer (unterschieden wird im Volksglauben die Laufrichtung): Schwarze Katzen und Hunde gelten in Tierheimen als schwer vermittelbar, da ihnen eine höhere Aggressivität unterstellt wird.

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Die schwarze Katze, im Aberglauben ein Glücks- oder Unglücksbringer (unterschieden wird im Volksglauben die Laufrichtung): Schwarze Katzen und Hunde gelten in Tierheimen als schwer vermittelbar, da ihnen eine höhere Aggressivität unterstellt wird.

Von Markus Brauer/KNA

Die Menschen werden durch die weltweiten Krisen nach Worten des Historikers Tillmann Bendikowski wieder abergläubischer. „Die Attraktivität des magischen Denkens verläuft in Zyklen und ist verbunden mit Situationen kollektiver Angst. Der Aberglaube floriert immer dann, wenn die Angst vor Krisen wie Kriegen oder Seuchen groß ist“, sagt Bendikowski.

Magisches Denken

Unter „magischem Denken“ versteht der Autor („Hitlerwetter“, „Himmel hilf“) demnach die Vorstellung „dass hinter unserer Welt eine weitere Welt existiert, in der Mächte wirken, die uns beeinflussen, auf die wir aber wiederum auch Einfluss haben“.

Wie weit verbreitet dieser Aberglaube in Krisenzeiten noch sein könne, habe etwa die Corona-Pandemie gezeigt, insbesondere bei den Protesten. „Seriöse Wissenschaft wird diskreditiert, Impfstoffe werden verteufelt, es gibt Verschwörungstheorien. In all diesen Überzeugungen bricht sich das magische Denken Bahn“, erklärt Bendikowski.

Dabei sei Aberglaube nicht als solcher gefährlich; es komme auf die Dosis an, warnte der Historiker. „Und gerade leben wir in einer Zeit, in der wir die Dosis ganz genau im Blick haben sollten.“

Glaube gegen Aberglaube

Laut Bendikowski gibt es zudem deutliche Unterschiede zwischen Aberglaube und dem Glauben, für den die Kirchen stehen. Beide funktionierten als Sicherheitstechniken zwar ähnlich. Die Kirchen böten den Menschen jedoch eine „Organisationsform“ sowie durch Priester ein professionelles Personal und eine Gemeinschaft der Gläubigen. „Alles das hat der Aberglauben nicht, aber gerade das macht ihn hochattraktiv.“

Jeder habe die Möglichkeit, auf seine Weise mitzuwirken. „Ich selbst kann morgen aufstehen und gegen die drohende Viehseuche ein magisches Zeichen an den Stall zeichnen. Dazu brauche ich nicht die Zustimmung eines geweihten Priesters.“

Für Atheisten ist jede Religion Aberglaube

Die Bezeichnung Aberglaube (lateinisch: superstitio) wird negativ wertend auf Glaubensformen und religiöse Praktiken sowie Kulthandlungen angewandt, die nicht dem als „richtig“ und „allgemeingültig“ empfundenen System kultureller Überzeugungen und Lehrmeinungen der „herrschenden“ Religion oder Weltanschauung entsprechen.

Da sich der Begriff von der jeweils herrschenden Welt- und Glaubenssicht her definiert, wird der Inhalt von dem jeweiligen wissenschaftlichen oder religiösen Standpunkt des Darstellers bestimmt. Aus atheistischer Sicht ist jede Religion Aberglaube.

Warum tritt Verschwörungsdenken in Krisenzeit gehäuft auf?

Mit dem Aberglauben eng verwandt ist der Begriff der Verschwörung. Gerade in Krisenzeiten wuchern Gerüchte, Vorurteile und Verschwörungsdenken wie ein Krebsgeschwür.

„Verschwörungstheorien gedeihen immer dann besonders gut, wenn es Krisen, Konflikte und undurchschaubare Entwicklungen gibt“, erklärt der Politologe und Publizist Tobias Jaecker. Hinter den diversen Krisen würden Konspirationsanhänger das geheime Wirken von Personen oder Institutionen vermuten, die ihre eigenen egoistischen Ziele auf Kosten der Allgemeinheit verfolgen.

Dass es Verschwörungen in der Menschheitsgeschichte immer schon gegeben hat, ist unbestritten. Doch die Anhänger von Verschwörungstheorien wittern hinter jedem komplizierten und für sie unerklärlichen Phänomen und Ereignis finstere Mächte, die im Geheimen die Fäden ziehen. „Grundlage einer Verschwörungstheorie ist ein Verdacht gegen eine als fremd und böse empfundene Gruppe“, erläutert der Wissenschaftsautor Thomas Grüter dieses Phänomen.

Wieso verfangen bei vielen einfache Erklärungen für komplexe Probleme?

Ein weiteres kommt hinzu: Verschwörungstheorien haben den Vorteil, dass sie Dinge auf einfache und polarisierende Weise deuten. Erklärungen über komplexe Sachverhalte wie das globale Finanzwesen werden drastisch reduziert, so dass am Ende nur zwei Gruppen übrig bleiben: die eigene gute Fraktion und der böse, mächtige Gegner, auf den man sich fokussiert.

Nach Ansicht des Berliner Historikers Wolfgang Wippermann (1945-2021) würden Verschwörungstheorien im Netz aufblühen, „weil man alles behaupten kann, ohne es zu beweisen“. Das Internet sei, so Wippermann weiter, „das ideale Medium zur Verbreitung von Absurditäten, da man sich dort mit ungesicherten Daten und abstrusen Behauptungen in unbegrenzter Zahl versorgen kann.“. Die Gemeinde derer, die für Verschwörungsdenken empfänglich seien, sei schon immer groß gewesen, und sie werde immer größer. „Grund ist die Suche nach einfachen Erklärungen in einer komplizierten Krise.“

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Erstellt:
31. Dezember 2024, 11:14 Uhr
Aktualisiert:
31. Dezember 2024, 11:35 Uhr

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