Indisches Flair im Schwäbischen Wald
Bürgerpreis-Kandidaten 2019: Der Verein Mädchenschule Khadigram stellt in Althütte mit seinem indischen Fest jedes Jahr eine einzigartige Aktion auf die Beine
Seit zehn Jahren, immer am Tag des Schwäbischen Waldes, verwandelt sich der Platz beim Rathaus in Althütte in ein indisches Dorf – in diesem Jahr am 14. und 15. September. Die Veranstaltung ist eine Benefizaktion zugunsten des Vereins Mädchenschule Khadigram. Der von Marianne Frank-Mast gegründete Verein betreibt mit Spendengeldern mehrere Bildungsprojekte in Indien.
Von Armin Fechter
ALTHÜTTE. 240 Schulkinder und 50 Krankenpflegeschülerinnen hat der Verein derzeit in seiner Obhut. Nächstes Jahr sollen noch 40 Schulkinder dazukommen, denn der Verein will sein Engagement in Indien weiter ausbauen.
Seit dem Jahr 2003 ermöglicht der Verein Grundbildung für indische Mädchen, die aus Familien von Unberührbaren und Stammesangehörigen stammen, also aus benachteiligten Schichten. Warum für Mädchen? Das hat mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun, erklärt Marianne Frank-Mast. Denn oftmals bleibt Mädchen in Indien der Zugang zu Bildung verwehrt. Bildung und Ausbildung seien aber die Voraussetzung für eine bessere wirtschaftliche und soziale Entwicklung. In weiten Teilen des Subkontinents sei die Analphabetenrate exorbitant hoch, vor allem bei Frauen und Mädchen. Frank-Mast verweist auch auf Unicef-Angaben, danach hat Indien weltweit die höchste Rate an Kinderarbeitern. Gegen solche Verhältnisse kämpft die Althütterin an.
Den Anfang machte die Mädchenschule in dem kleinen Dorf Khadigram, nach der der Verein benannt ist. Dieses Projekt ist inzwischen in die Verantwortung der indischen Partner übergeben worden, dafür hat sich Frank-Mast neue Projekte an anderen Orten vorgenommen, unter anderem in den Slums von Anand. Dabei staunt Frank-Mast immer wieder darüber, wie effektiv der Unterricht trotz beengter Räume und eines immensen Geräuschpegels funktioniert. Nächstes Jahr will der Verein ein neues Engagement in Angriff nehmen und eine Mädchenschule in Ganztagsform in einer ländlichen Gegend in Bihar aufbauen.
Benefizveranstaltung hat sich zum Besuchermagneten entwickelt
Seit 2008 veranstaltet der Verein am ersten Wochenende nach den Sommerferien auf dem Althütter Rathausplatz das Fest im indischen Dorf. Die Benefizveranstaltung hat sich zu einem Besuchermagneten entwickelt. Im vergangenen Jahr kamen über 800 Interessierte, um auf dem Festgelände in indisches Flair einzutauchen. Gebetsfahnen sind ausgespannt, großformatige Fotos spiegeln das Leben in einem indischen Dorf. Auf der Bühne gibt es ein Programm mit Bollywood Dance, klassischem indischem Tanz und Musik von indischen Künstlern. Das Theater am Faden aus Stuttgart war ebenso schon zu Gast wie der Kabarettist Ernst Mantel oder eine englische Shanty-Gruppe. Im vergangenen Jahr bewegten sich als besondere Attraktion bis zu fünf Meter hohe Lichterpuppen über den Rathausplatz.
Die Besucher finden daneben ein vielfältiges Angebot vor. Wenn sie an den Ort des Geschehens kommen, können sie an der State Bank of Khadigram ihre Euros gegen Khadis, die Festwährung, tauschen. Sie können sich in einer Fahrrad- oder Calcutta-Rikscha herumchauffieren lassen oder Knatterboote aus Recyclingmaterial aus Indien kaufen, die in einem großen Gefäß auf dem Wasser kreisen. In Zelten gibt es Getränke, Kuchen, einen Flohmarkt, frisch zubereitete indische Speisen und Snacks sowie Cocktails. Tanz-Workshops werden angeboten, ebenso Henna-Malerei.
Wohlgerüche des Orients nebst Informationen zur Bildungsarbeit
Indische Gewürze – die Wohlgerüche des Orients – sind erhältlich. Für Kinder gibt es Bastelprogramme. Es werden Hüte aus Papier hergestellt, Stofftaschen bedruckt und anderes mehr. In den ersten Jahren gab es auch einen Kinderarbeitsparcours, der verdeutlichte, wie es arbeitenden Kindern ergeht, gezeigt wurde aber auch, welchen Erniedrigungen die Unberührbaren ausgesetzt sind, wenn sie etwa zum Beten in den Tempel gehen oder am Brunnen Wasser holen wollen. Mitarbeiter des Vereins informieren über Kultur und Religion, über die Bildungsarbeit des Vereins und über Unterstützungsmöglichkeiten.
Mit alldem ist ein riesiger Aufwand verbunden. „Wenn ein Fest rum ist, fang ich mit dem nächsten an“, berichtet Marianne Frank-Mast. So müssen die Künstler beizeiten – mitunter über ein Jahr im Voraus – gebucht werden. Beim Fest selbst sind etwa 40 Helfer im Einsatz, zudem leistet die Gemeinde Althütte tatkräftige Unterstützung. Dennoch bereitet der Auf- und Abbau an den Werktagen vor und nach dem Fest zunehmend Schwierigkeiten, weil an Mitstreitern mit handwerklichem Geschick und etwas Kraft Mangel herrscht.
Und wenn dann alles steht und das Wetter nicht mitspielt? „Ich bin schon mal auf dem Platz gestanden und hab geheult“, gesteht Frank-Mast – und lässt sich davon nicht entmutigen. Denn sie ist von ihrem Einsatz für die indischen Mädchen überzeugt: „Schule statt schuften! Lernen statt heiraten!“, heißt die Devise, die sie mit ihrem Verein lebt.
In einer Serie stellt unsere Zeitung die Kandidaten aus unserem Verbreitungsgebiet vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind.