Unterernährung

Indonesien setzt auf Schulspeisungen

Um gegen die Unterernährung vorzugehen, soll es in Indonesien gratis Mahlzeiten für über 80 Millionen Schulkinder und Schwangere geben. Experten hegen Zweifel, ob das klappt.

Eine staatliche Grundschule in Jakarta beim Mittagessen: Auf dem Speisezettel stehen unter anderem Milch, Gemüse, Obst, Reis und Eier.

© imago//Aditya Irawan

Eine staatliche Grundschule in Jakarta beim Mittagessen: Auf dem Speisezettel stehen unter anderem Milch, Gemüse, Obst, Reis und Eier.

Von Barbara Barkhausen

Auf den langen Tischen stapeln sich silberne Tabletts – eine Packung Milch, Gemüse, Obst, Reis und Eier füllen die vorgefertigten Vertiefungen. Seit der Woche verteilen die ersten Schulen in Indonesien gratis Essen an ihre Schützlinge. Was hier im Entstehen ist, ist eines der ehrgeizigsten Projekte der Welt: Letztendlich sollen über 80 Millionen Schülerinnen und Schüler über das neue Schulmahlzeiten-Programm versorgt werden. Auch schwangere Frauen erhalten auf diese Weise regelmäßig Essen.

Das Programm war eines der Kernstücke des Wahlprogramms, mit dem der neue indonesische Präsident Prabowo Subianto im vergangenen Februar in das Rennen um das Präsidentenamt gegangen ist. Kaum ein Jahr später macht er sein Wahlversprechen nun wahr, das rund 28 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten wird. Die australische Denkfabrik Lowy Institute spricht in einem Bericht von 6,7 Millionen Tonnen Reis, 1,2 Millionen Tonnen Hühnchen, 500 000 Tonnen Rindfleisch und vier Millionen Kiloliter frische Milch, die jährlich für das Programm benötigt würden.

Wachstumsstörungen bei Kindern

Die Regierung in Jakarta setzt große Hoffnungen auf das neue Projekt. Man will damit gegen das in Indonesien verbreitete Problem der Wachstums- und Entwicklungsstörungen bei Kindern vorgehen, die durch schlechte Ernährung und wiederholte Infektionen ausgelöst werden. Obwohl derartige Wachstumsverzögerungen in den vergangenen zehn Jahren in dem südostasiatischen Inselstaat deutlich abgenommen haben, sind nach wie vor 21,5 Prozent der Kinder davon betroffen. „Das heißt, mehr als jedes fünfte Kind in Indonesien ist unterentwickelt“, sagte Denis Suarsana, Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta. Das entspreche eigentlich dem Niveau eines Entwicklungslandes und nicht dem eines Schwellenlandes, als das Indonesien eingestuft wird.

Tatsächlich herrscht in dem südostasiatischen Inselstaat mit seinen über 280 Millionen Einwohnern eine große Schere zwischen Arm und Reich. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung führt laut dem Bündnis der Hilfsorganisationen Aktion Deutschland Hilft ein Leben unterhalb der Armutsgrenze. Wachstumsverzögerungen durch Unter- oder Mangelernährung können nicht nur die Gesundheit und Lebenserwartung beeinträchtigen, sondern auch zu schlechteren schulischen Leistungen beitragen: Im Jahr 2022 schnitten indonesische Schüler – wie auch in den Vorjahren schon – deutlich schlechter in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften ab als der OECD-Durchschnitt.

Millionen neue Arbeitsplätze

Die tägliche Gratis-Mahlzeit soll hier nun Abhilfe schaffen. Vorbilder dafür gibt es: Laut dem Lowy Institute wurden ähnliche Programme bereits in 76 anderen Ländern eingeführt, doch das indonesische Programm ist neben dem indischen allein schon wegen der großen Bevölkerungszahl eines der ehrgeizigsten. Erschwerend kommt im Falle von Indonesien hinzu, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner über etliche der insgesamt 17 000 Inseln des Landes verteilen – letzteres erschwert die Logistik des ganzen Programms enorm.

Experten hoffen, dass die vielen Vorteile die damit verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen. Neben verbesserten Bildungsergebnissen spekuliert das Lowy Institute auf eine Stimulierung der landwirtschaftliche Produktion und eine Stärkung der lokalen Wirtschaft. Millionen von Arbeitsplätzen in Berufen wie Kochen und Catering würden geschaffen, so hieß es, und damit vor allem neue Chancen für Frauen. In der Bevölkerung sei das neue Programm dann auch „sehr populär“, betonte Suarsana von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta.

Gemüse nicht frisch, Fleisch vergammelt?

Letzteres lässt sich allerdings nicht unbedingt aus der lokalen Presse oder den sozialen Medien ablesen, die beide in den ersten Tagen voller Kritik waren. Auf Social Media hätten sich Eltern wie Lehrer vor allem über die Qualität des Essens beschwert, berichtete Suarsana, „dass das Gemüse nicht frisch ist, dass das Fleisch vergammelt ist“. Es habe Lebensmittelvergiftungen gegeben. Heftig in der Kritik stand, dass die Kosten für eine Mahlzeit von ungefähr 90 Euro Cent auf knapp 60 Cent reduziert wurden. Für 60 Cent pro Kind könne kein ausreichend gutes Essen angeboten werden.

Lokale Medien wie die Zeitung „The Jakarta Post“ prangerten an, dass der Plan, für das Programm 1,5 Millionen Milchkühe zu importieren, die Klimakrise verschärfe. Made Supriatma, ein Indonesien-Experte am Iseas-Yusof Ishak Institute in Singapur, berichtete zudem von erheblicher Lebensmittelverschwendung, „weil die Kinder die Mahlzeiten nicht mochten“.

Kritisiert wird auch, dass Zwölftklässler dasselbe Essen und dieselbe Menge erhalten wie Erstklässler und dass Kinder im Alter von null bis sechs Jahren nicht abgedeckt seien. Nicht ganz geklärt sei auch die Finanzierung des Programms, die Jakartas Finanzkraft auf die Probe stellen könnte.

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Erstellt:
19. Januar 2025, 07:16 Uhr
Aktualisiert:
19. Januar 2025, 13:42 Uhr

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