Ins Schwarze treffen geht gar nicht
Serie Mitgemacht: Schützengilde Heutensbach gibt Gelegenheit zum sommerlichen Bogenschießen-Schnupperabend
Pfeil und Bogen. Na klar! Schon als Kind hat mir das einen Heidenspaß gemacht, wenn ich mit den Instrumenten eines Indianers auf Pirsch ging. Da kann doch Bogenschießen auch kein Hexenwerk sein, oder? Nun ja, ein bisschen mehr steckt schon dahinter, wie ein sommerlicher Schnupperabend bei der Schützengilde Heutensbach zeigt.
Von Armin Fechter
ALLMERSBACH IM TAL. Etwas Sportliches soll es sein, meinen die lieben Kollegen, als es darum geht, welche Aufgabe in der Mitgemacht-Serie mir zukommen würde. Schnell wird gewitzelt. Fechten, ja, das wär’s doch, das würde auch zum Namen passen. Oder Gewichtheben. Weil: Gewichtig wie manche Kraftsportler ist der Kerle schon, und da kann er dann mal so richtig zeigen, was in ihm steckt.
Aber weder da noch dort gibt es, wie sich rasch herausstellt, in nächster Zeit einen Kurs oder ein Schnupperangebot. Also darf sich das Glücksrad noch ein bisschen weiter drehen. Golf. Darts. Boule. Hm. Bogenschießen. Bogenschießen? Bogenschießen! Bogenschießen hat Konjunktur. Chefs in Firmen und Behörden fahren darauf ab, um den Mitarbeitern einmal eine besondere Erfahrung zu ermöglichen und gleichzeitig den Gemeinschaftsgeist zu fördern – den viel beschworenen Teamspirit. Und sogar in der Heilkunde wird Bogenschießen eingesetzt, etwa bei Psychotherapiepatienten. Da kann es doch einem Fechter auch nicht schaden, oder? Freilich, der eine oder andere Kollege blickt ein bisschen neidisch drein. Bogenschießen, das wär halt schon was anderes als Spätzle kochen oder Chinesisch büffeln. Aber wie sagt der alte Lateiner? Cuique suum.
Nun denn, horido! Frohen Mutes und gespannt wie ein Flitzebogen mache ich mich auf zum Termin. Wolfgang Rothenburger, ein alter Kämpe der Schützengilde Heutensbach, will mich unter seine Fittiche nehmen und in die Anfangsgründe der Sportart einweihen. Gemeinsam mit den Kids des Vereins darf ich einen Sommerabend lang den Bogen spannen und ins Schwarze, pardon: ins Gelbe zielen. Denn der innere Punkt auf der Scheibe glänzt wie der Dotter von einem Ei. Drum herum ringen sich die verschiedenen Kreise. Und ganz außen darum herum ist auch noch viel Platz, wie sich leider schnell zeigen wird.
Vor dem Schießen gibt es erst noch eine Runde Theorie
Bevor es aber ans Zielen und gelegentliche Treffen geht, setzt es eine Runde Theorie. Wolfgang – „wir sagen hier alle du“ – erklärt geduldig, wie der Bogen aufgebaut ist, wie man die Sehne aufspannt und wie mit den Pfeilen umzugehen ist. Ganz wichtig: die Sicherheitsregeln. Während die vier Kinder – zwei Mädchen und zwei Jungs – die Handgriffe schon aus dem Effeff beherrschen, muss ich zweimal hinschauen, um die Kniffe nachmachen zu können. Aber mit Wolfgangs Unterstützung klappt es. Ans Schießen geht es derweil noch immer nicht. Zuerst bekomme ich für die rechte Hand einen Lederhandschuh mit drei Fingerstücken: für Zeige-, Mittel- und Ringfinger. „Das sind die Finger, mit denen du die Sehne greifst.“ Klar, die dünne Schnur schneidet bestimmt ganz schön ein, wenn sie zum Schuss angezogen wird. Für links bekomme ich dann noch einen Lederschutz angelegt – er soll verhindern, dass die Sehne beim Schuss den Unterarm anschlägt und böse Verletzungen hinterlässt.
Dann drückt Wolfgang mir den Bogen in die Hand. Ich muss feststellen: Dieses Teil hat ungeahnt viele Seiten – oben, unten, vorne, rechts. Jetzt erst fällt mir das Griffstück auf. Aha! Nächster Punkt: die Aufstellung – im rechten Winkel zur Scheibe. Nun gilt es, den Bewegungsablauf zu üben. Trocken, ohne Pfeil. Also: Vorspannung aufbauen, Bogen- und Zugarm anheben, Vorspannung erhöhen, voll ausziehen und die Zughand an den Ankerpunkt am Unterkiefer anlegen, zielen und lösen. Wolfgang kontrolliert und korrigiert gelassen die Position des Ellbogens, die Körperhaltung, die Armstreckung. Schon jetzt spüre ich, wie die ungewohnte Bewegung, die ich mehrmals wiederhole, die Muskeln im Oberarm und in der Schulter beansprucht. Vielleicht sollte ich ja doch Krafttraining machen, meldet sich eine innere Stimme.
Aber bevor ich das mit mir durchsprechen kann, geht es ans Eingemachte: Ich darf den ersten Pfeil aufnehmen. Vorspannung aufbauen, Bogen- und Zugarm anheben – das Geübte erfährt nun seine praktische Anwendung. Mit Adlerauge steht Wolfgang daneben und gibt Anweisungen. Beim Zielen versagt meine Peilung; Wolfgang versucht, letzte Korrekturen anzubringen. Aber der Pfeil saust schnurstracks ins Grüne. Der Bogenschützenmeister neben mir weiß, woran es gelegen hat: Ich habe den Pfeil beim Lösen nicht recht losgelassen, das Geschoss hat noch eine leichte Richtungsänderung mitbekommen. Aber daran kann man arbeiten, schließlich ist, wie ich mir Mut zu machen versuche, noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Mit der Zeit wächst das Gespür für die Faszination des Sports
Also, nächster Versuch, übernächster Versuch und dann noch einmal, bis der Köcher leer ist. Das eine Mal stimmt die Richtung nicht ganz, das andere Mal hakt es an der Höhe. Die Kids neben mir warten schon eine ganze Weile, dass sie nach vorn zu den Scheiben springen können, um ihre Pfeile einzusammeln, während ich mich noch über die ersten Treffer auf den äußeren Ringen freue.
Mit dabei ist heute auch Heike Maag, Schatzmeisterin und Schriftführerin im Verein. Sie ist als Bogenschützin ebenfalls vom Fach und unterstützt Wolfgang beim Training. Als ich in der zweiten Runde einige Pfeile auf der Scheibe platzieren kann, gibt es von beiden Seiten ein anerkennendes Nicken und Zuspruch.
Auf die zweite Runde folgt die dritte und auf die dritte die vierte. Die Abläufe verfestigen sich, es stellt sich eine gewisse Sicherheit im Umgang mit Pfeilen und Bogen ein. Und ich beginne zu spüren, was Bogenschützen an ihrem Sport so schätzen: „Da bin ich ganz bei mir“, heißt es dann – sie sind ganz auf sich und auf ihr Tun fokussiert. Inzwischen kommt vom vierköpfigen Schützennachwuchs der dringende Wunsch, als Ziel die Tierfiguren aufzustellen, die mit zum Equipment der Bogenschützen gehören.
Die neue Aufgabe reizt nicht nur die Kids, und die Treffer können sich sehen lassen. Allerdings wächst mit den kleineren Zielen auch das Risiko, dass Pfeile daneben gehen. So verschwindet eines meiner Geschosse im dichten Grün der Wiese und bleibt beim Aufsammeln zunächst verschollen. Erst als es ans Aufräumen geht, taucht der Irrläufer auf, er hatte sich ins Gras gefressen.
Die Kinder legen dazwischen sogar eine Runde ein, in der es auf Luftballons geht, während Heike und Wolfgang mit dem Gast von der Zeitung eine Plauderrunde halten. Da geht es um die Tätigkeit des Vereins, der auch allerlei andere Veranstaltungen ausrichtet und zum Bogenschießen schon die Lebenshilfe und Kindergeburtstage empfangen hat, aber auch um die Einstellung der beiden zu dem Sport, bei dem es ihnen weniger ums Erringen von Meistertiteln geht als vielmehr um den Spaß daran an sich. Das war an dem Abend auch zu spüren.
Für die Serie „Mitgemacht“ testen Redakteure unserer Zeitungen verschiedene Kursangebote und berichten über ihre Erfahrungen.